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Wetter aktuell
Auf der Jagd nach dem Indian Summer

Auch wenn die Temperaturen aktuell eher an den Sommer erinnern, hat
phänologisch diese Woche der Vollherbst begonnen – und damit die Zeit
der herbstlichen Blattverfärbung.

Rückseitig einer Tiefdruckrinne wird am morgigen Samstag etwas
kühlere Luft von Nordwesten nach Deutschland geführt, trotzdem wird
es wohl der heißeste September seit Aufzeichnung in Deutschland
werden. Die Temperaturen der vergangenen Woche wirken eher
sommerlich. Auch am heutigen Freitag werden die Höchstwerte
vielerorts wieder über 25 Grad liegen. Phänologisch gesehen hat diese
Woche am 25.09.2023 aber der Vollherbst Einzug erhalten.

In der Phänologie definieren sich die Jahreszeiten durch den
Entwicklungsstand verschiedener mitteleuropäischer Pflanzen. Dabei
wird das Jahr in zehn unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Den
Vergleich der aktuellen phänologischen Jahreszeit mit dem
langjährigen Mittel stellt die Phänologische Uhr dar. Der Beginn des
Vollherbstes ist durch die Fruchtreife der Stiel-Eiche definiert und
wurde in diesem Jahr am 25.09. beobachtet.

Die phänologische Jahreszeit Vollherbst zeichnet sich vor allem durch
die Blattverfärbung der meisten Laubbaumarten wie beispielsweise
Rosskastanie, Esche oder Rotbuche aus. Die Laubverfärbung hat in der
zweiten Hälfte des Vollherbstes ihren Höhenpunkt. Die Änderung der
Blätterfarbe von grün-gelb, auf orange-rot wird durch die kürzer
werdende Tageslänge ausgelöst. Im Frühling und Sommer gewinnt der
Baum durch Photosynthese im Blattwerk seine Energie. Das dazu
benötigte stickstoffhaltige Chlorophyll besitzt grüne Farbstoffe.
Somit sind auch die Blätter der Laubbäume grün. Im Winter kann
aufgrund mangelnden Lichts und der zunehmenden Kälte keine
Photosynthese stattfinden. Des Weiteren verlieren Laubbäume über ihre
Blätter viel Wasser, das im Winter bei gefrorenem Boden durch die
Wurzeln nur schwer nachgeliefert werden kann. Deshalb ziehen
Laubbäume im Herbst alle Nährstoffe aus den Blättern zurück. Dabei
wird das grüne Chlorophyll in den Blättern abgebaut. Zurück bleiben
gelbe und rote Blattfarbstoffe (Carotinoide und Anthozyane), die
langsamer abgebaut werden. Dadurch entsteht die typisch leuchtend
rote und gelbe Färbung der Blätter. In Deutschland ist das die Zeit
des goldenen Oktobers.

Um den Verfärbungsprozess in Gang zu setzen und zu beschleunigen,
sind nicht nur kürzere Tageslängen notwendig, sondern auch kalte
Nächte. Besonders mehrere, aufeinander folgende Tage mit Nachtfrösten
sind für eine großflächige Blattverfärbung vorteilhaft, da dadurch
der Abbau des Chlorophylls beschleunigt wird. Um den Start und den
Höhepunkt der Blattverfärbung im goldenen Oktober nicht zu verpassen,
muss man also immer ein Auge auf die Minimumtemperaturen im Herbst
legen. Was in Deutschland als goldener Oktober bekannt ist, wird auf
dem nordamerikanischen Kontinent als Indian Summer bezeichnet. Woher
genau die Bezeichnung Indian Summer kommt, ist unbekannt. Es gibt
allerdings eine indianische Legende, die sich um die Laubverfärbung
während des Indian Summers dreht. Demnach soll im Herbst das Blut
eines erlegten Bärens die Blätter des Ahornbaums rot färben. Die
Blattfärbung der riesigen Laub- und Mischwälder Nordamerikas kann
rund um den Globus beobachtet werden und wird zudem touristisch
vermarktet. Es gibt durch das große touristische Interesse Webcams in
den Wäldern Kanadas als auch in den USA explizite Vorhersage-Karten
des „fall foliage“, also der Blattverfärbung. Dort hat ein
umfangreiches Hochdruckgebiet mit trockener und gleichzeitiger Zufuhr
kühler Luft aus Norden in der letzten Woche für eine rasche
Ausbreitung der orange-roten Blätterpracht geführt. Doch nicht nur in
der USA, auch für die Schweiz gibt es mittlerweile solche
Vorhersagekarten.

In Deutschland zeichnen sich die kommenden Nächte nicht mit besonders
niedrigen Temperaturen aus. Ganz im Gegenteil. Vor allem am kommenden
Montag bringt Hoch SONJA (ein Name über den ich mich besonders freue)
nochmal warme Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum heran. Dabei
können im Südwesten tagsüber sogar nochmal an die 30 Grad erreicht
werden. Der deutsche Indian Summer wird also erst mal noch auf sich
warten lassen. Auch in der kommenden Woche sind noch keine
Nachtfröste in Sicht, die die Blattverfärbung beschleunigen würde.
Letztes Jahr begann der Vollherbst fast „pünktlich“ am 16. September.
Dieses Jahr startete er erst neun Tage später am 25. September. Der
Höhepunkt der diesjährigen orange-roten Offensive der Laubbäume wird
also vermutlich erst später zwischen Mitte und Ende Oktober
eintreffen. In der Warn-Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes
können Nutzer neben der Blattverfärbung von sechs Baumarten, auch
andere herbstliche Erscheinungen der Phänologie melden. Ein
Spaziergang durch die Natur am kommenden Sonntag lohnt sich also
immer, auch wenn es für die Jagd auf den Indian Summer noch zu früh
ist.

Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.09.2023

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