Thema des Tages


Wissenschaft Kompakt
Ein Islandtief auf Island


Woher kommt eigentlich unser Wetter? Wie ist es, das Wirken eines 
Islandtiefs auf Island mitzuerleben? Im heutigen Thema des Tages geht
es auf eine kleine Reise in den hohen Norden. 


Unser geschätzter Kollege Sven Plöger war vor einiger Zeit im Auftrag
des Wetters unterwegs. In mehreren Dokumentationen (je nach Thematik 
in mehrere Doppelfolgen aufgeteilt) ging er verschiedenen 
Fragestellungen zum Thema Wetter nach. In der ersten Doppelfolge ging
es darum, wo unser Wetter entsteht und wie die Meere unser Wetter 
beeinflussen. Hierfür reiste er unter anderem nach Island und auf die
Azoren und sprach dort mit Menschen über ihre Lebensgewohnheiten. In 
der zweiten wurde hauptsächlich der Wind und dessen verschiedene 
Strömungen thematisiert. Und in der dritten Doppelfolge ging es dann 
schließlich um die Alpen. Die Dokumentationen wurden im Auftrag der 
ARD ab 2015 produziert, in den Jahren 2016, 2018 und 2020 
erstausgestrahlt und können in der Mediathek noch bis 2025 
nachgeschaut werden (Link siehe unten). In der Zwischenzeit wurden 
auch bereits Bücher zur Sendung herausgegeben. 
Speziell in der ersten Folge geht es um das Thema Hoch- und 
Tiefdruckgebiete und deren bevorzugte "Entstehungsgebiete". Für das 
europäische Einzugsgebiet sind an dieser Stelle das Azorenhoch und 
das Islandtief zu nennen.  
Unter dem Azorenhoch versteht man ein mehr oder weniger stark 
ausgeprägtes Hochdruckgebiet, welches man häufig im Bereich der 
Azoren antrifft und Bestandteil des subtropischen Hochdruckgürtels 
ist (https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/7/27.html). 
Sein Gegenspieler ist das Islandtief. Zwischen 60 und 70 Grad Nord 
zeigen mittlere globale Luftdruckverteilungen im Meeresniveau eine 
Zone tiefen Drucks. Diese als subpolare Tiefdruckrinne bezeichnete 
Zone ist besonders im Winter deutlich ausgeprägt. Über dem 
Nordatlantik wird im Seegebiet um Island häufig ein ausgeprägtes 
Tiefdruckgebiet angetroffen, woher auch der Name des Islandtiefs 
rührt (https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv3=101
296&lv2=101224).
Als Meteorologe oder Meteorologin hat man von Natur aus Interesse 
daran, wo die Druckgebilde entstehen, mit denen man sich so im Alltag
auseinandersetzt. Da Island sowieso spannende Landschaften und 
vielseitige Natur zu bieten hat, gehört das Land sicherlich zu den 
absoluten Traumzielen in der meteorologischen Community und bei 
allen, die sich für Wetter, Vulkanismus, Wale, Vögel usw. begeistern.
Daher war es absehbar, dass in einem Urlaub Island angesteuert werden
MUSS. Da auch der Wettergott niemanden enttäuschen wollte, gab es 
nicht "nur" Sonnenschein, sondern am Ende einer eindrücklichen 
Rundreise sorgte das Islandtief NIKOLAUS an der Südküste für Regen 
und vor allem Sturm.
Das Tief entwickelte sich östlich von Neufundland und wurde am 
25.06.2023 auf den Namen NIKOLAUS getauft. Am 27.06.2023 erreichte 
das okkludierende Frontensystem mit Regen und vor allem Sturm die 
Südküste Islands, während die dazugehörige Warmfront ab dem 
28.06.2023 allmählich Einfluss auf das Wettergeschehen in Deutschland
nahm. Viel Regen kam hierbei nicht zusammen, doch sorgte die 
dazugehörige Bewölkung für teils ganztägig bedeckten Himmel im 
Nordwesten. Im Zusammenhang mit der Kaltfront konnten dann ab dem 
29.06.2023 schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter verzeichnet
werden.
     
Doch nun zurück nach Island und zum 27.06.2023. An diesem Morgen 
konnte man wahrlich von "Ruhe vor dem Sturm" sprechen. Man muss an 
dieser Stelle zwar etwas differenzieren: Wenn wir hier von Sturm 
sprechen, dann kann es sich aus isländischer Sicht auch nur um ein 
mehr oder weniger laues Lüftchen handeln. Doch was für diesen Tag 
vorhergesagt war, war dann doch auch mehr als ein laues Lüftchen und 
der isländische Wetterdienst gab eine "gelbe" Windwarnung heraus. Zum
Vergleich: In Deutschland wird eine gelbe Windwarnung herausgegeben, 
wenn die Windböen Geschwindigkeiten von 50 km/h erreichen und/oder 
überschreiten. In den Hochlagen passiert das natürlich schneller als 
in tieferen Lagen, weswegen hierbei gerne separiert wird, wobei das 
an dieser Stelle nun etwas weit führen würde. Jedenfalls wurde an 
besagtem 27.06.2023 an Islands Südküste vor mittleren 
Windgeschwindigkeiten (nicht die Geschwindigkeiten der Böen!) von 55 
bis 81 km/h gewarnt.


Bei einer Bootsfahrt auf der Gletscherlagune Jökulsárlón um 9 Uhr 
konnte man noch nichts erahnen, doch richtigerweise wurde die 
Gletscherwanderung, die für die Mittagsstunden angesetzt war, 
abgesagt. Tatsächlich ging dann auch alles sehr schnell. Als 
Alternative zur abgesagten Gletscherwanderung wurde die 
Gletscherzunge Svínafellsjökull besucht, die relativ leicht 
zugänglich ist. Dies war gerade einmal drei Stunden später und man 
konnte sich (fast) nicht mehr auf den Beinen halten. Natürlich ist es
immer sehr schwer, lokal die Böen abzuschätzen, aber zu dieser Zeit 
konnten entlang der Südküste bereits 80 km/h und mehr gemessen 
werden. Im Nachmittagsverlauf nahm der Wind dann weiter zu und die 
Busfahrt gestaltete sich etwas ruppig, doch wie oben erwähnt, ist 
Wind in Island nicht gleich Wind in Deutschland, weswegen sich der 
Busfahrer nicht aus der Ruhe bringen ließ. Manche Straßen waren aber 
doch vorsorglich von einer Sperrung betroffen. Letztendlich waren 
dann die ein oder andere orkanartige Böe und Orkanböe dabei, mit den 
Spitzenwerten von 152 km/h in Reynisfjall und 176 km/h in Steinar. 
   
Auch Regen kam etwas zusammen, wobei die Mengen meist bei unter 20 
l/qm in 24 Stunden lagen. Der gefühlt waagrecht fallende leichte 
Regen machte das Ganze in Kombination mit den Windböen noch 
unangenehmer. Doch noch unangenehmer war es sicherlich an so manchem 
Strand, an denen man mit schwarzem Sand quasi gesandstrahlt werden 
konnte.

 
Isländisch, aber nicht ganz so stürmisch ist das Deutschlandwetter am
heutigen Dienstag. Zwar ist heute kein Islandtief wetterbestimmend, 
aber ein Tiefdruckgebiet über Südskandinavien. Schauerartiger Regen 
über der Südhälfte, Höchsttemperaturen von teilweise keinen 20 Grad 
und teils böig auffrischender West- bis Nordwestwind vermitteln den 
Eindruck von typischem Wetter auf Island. Einzelne Gewitter stehen in
der Südhälfte zwar ebenfalls auf der Agenda, die haben allerdings 
nicht wirklich was mit Island zu tun?



M.Sc. Tanja Sauter 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 25.07.2023

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