Thema des Tages


Wissenschaft kompakt
Kleine Gewitterkunde - Teil 1: Die Einzelzelle


Gewitter treten in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Im 
heutigen Thema des Tages wird die Einzelzelle, die einfachste 
Gewitterform, vorgestellt. 


In diesem Sommer gab es in Deutschland schon einige Gewittertage, 
auch die eine oder andere Schwergewitterlage stand schon auf dem 
Programm. Vielleicht ist Ihnen beim Blick aufs Radarbild schon einmal
aufgefallen, dass Gewitter ganz unterschiedliche Formen annehmen 
können. Mal "ploppen" Gewitter relativ wahllos auf, erzeugen ein 
typisches Streuselkuchenmuster auf dem Radarbild und sind jeweils nur
über einem relativ kurzen Zeitraum zu sehen. Manchmal kommen aber 
auch Gewitter vor, die sich über Stunden halten und hunderte 
Kilometer zurücklegen können und bisweilen gibt es auch riesige 
Gewitterkomplexe, die großflächige Schäden anrichten können, wie vor 
gut zwei Wochen im Süden von Baden-Württemberg und Bayern.

Vor allem die atmosphärischen Verhältnisse entscheiden über den 
Gewittertyp. Während eine präzise Gewittervorhersage für einen 
bestimmten Ort nahezu unmöglich ist, werden die für Gewitter 
benötigten atmosphärischen "Zutaten" von den Wettermodellen 
heutzutage gut erfasst. Das ermöglicht es dem Meteorologen, vorab 
Areale einzugrenzen, in denen mit Gewittern zu rechnen ist und welche
Wettererscheinungen damit verbunden sein können.

Grundvoraussetzung für Gewitter ist ein großer Temperaturunterschied 
zwischen der Luft in Bodennähe und der Luft in höheren 
Atmosphärenschichten. Man spricht dann von einer "labilen" 
Schichtung. Im Sommer wird dieser üblicherweise durch die starke 
Sonneneinstrahlung verursacht, die im Laufe eines Tages den Erdboden 
sowie die darüber liegende Luft erwärmt. Im Winter ist es genau 
umgekehrt. Nicht die starke Erwärmung am Boden, sondern einfließende 
Kaltluft in der Höhe ist der Grund für den starken vertikalen 
Temperaturunterschied. Zudem ist eine ausreichende Feuchtigkeit 
(insbesondere in unteren Atmosphärenschichten) eine essenzielle Zutat
für die Bildung von Gewittern. Ganz egal, wodurch die vertikalen 
Temperaturgegensätze entstanden sind, ist die Atmosphäre danach 
bestrebt, diese auszugleichen. Zunächst beginnt die warme Luft, 
ausgehend von bodennahen Atmosphärenschichten, in große Höhen 
aufzusteigen. Ein sogenannter Aufwindbereich (engl. Updraft) als 
Ausgangspunkt einer jeden Gewitterzelle entsteht. Als 
Ausgleichsbewegung bildet sich im weiteren Verlauf ein Abwindbereich 
(engl. Downdraft), in dem die kühlere Luft aus der oberen Atmosphäre 
Richtung Boden strömt. Updraft und Downdraft haben alle Gewitter 
gemeinsam.

Die sogenannte "Einzelzelle" ist die einfachste Gewitterform. Sie 
besteht nur aus einem einzigen Auf- und Abwindbereich und hat eine 
horizontale Ausdehnung von etwa zehn Kilometern. Einzelzellen 
entstehen meist am Rande eines Hochdruckgebiets in einem Bereich mit 
geringen horizontalen Luftdruck- und Temperaturunterschieden, also 
fernab von Fronten innerhalb einer homogenen, warmen Luftmasse. Daher
bezeichnet man sie in der Fachsprache auch als "Luftmassengewitter". 
Der Wind ist in allen Höhen relativ schwach, sodass sich Einzelzellen
nur sehr langsam bewegen oder sogar nahezu an Ort und Stelle 
verweilen.

Zunächst erwärmt die Sonne den Erdboden, der in der Folge auch die 
bodennahe Luft aufheizt. Er fungiert ähnlich einer Herdplatte, die 
von unten das Wasser in einem Kochtopf erwärmt. Angenommen, wir 
befinden uns über flachem Terrain, dann steigen ab einer gewissen 
Temperatur, der sogenannten Auslösetemperatur, Warmluftblasen auf, 
vergleichbar mit den Luftbläschen des zu kochen beginnenden Wassers. 
Wie im Kochtopf ist es quasi unmöglich vorherzusagen, wo die ersten 
Luftblasen aufsteigen. Solange die Atmosphäre labil geschichtet ist, 
erfährt die aufsteigende Luft immer weiteren Auftrieb und durch deren
Sogwirkung kann immer weiter Warmluft von unten nachströmen. Beim 
Aufstieg kühlt sich die Luft ab. Da kalte Luft weniger Wasser 
speichern kann als warme Luft, kondensiert der unsichtbare 
Wasserdampf zu Wassertropfen, wodurch anfangs eine noch harmlose 
Blumenkohl-förmige Cumuluswolke entsteht. Innerhalb recht kurzer Zeit
wächst diese weiter in die Höhe zu einer klassischen Gewitterwolke 
heran (Cumulonimbus). Im Aufbaustadium fällt noch kein Niederschlag 
und die Gewitterwolke besteht nur aus dem Updraft (Abbildung 1), in 
dem die Warmluft mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 40 
bis 80 km/h in die Höhe schießt. Im Reifestadium ist der Updraft voll
entwickelt und die Wolke erreicht eine Höhe von mehr als acht 
Kilometern. Am Oberrand strömt die Luft horizontal aus, wodurch die 
Gewitterwolke ihre typische Ambossform (Abbildung 2) erhält. Nach 
einer gewissen Zeit kann der Updraft die Niederschlagsteilchen nicht 
mehr schwebend halten, sodass sie im Downdraft zu Boden fallen und 
dabei die Luft mit nach unten reißen. Erreicht die Kaltluft des 
Downdrafts den Boden, fließt sie horizontal und symmetrisch zu allen 
Seiten aus. Die Kaltluft schneidet den Aufwindbereich vom Zustrom 
weiterer Warmluft am Boden ab, wodurch der Updraft zum Erliegen 
kommt. Die Einzelzelle schaufelt sich quasi ihr eigenes Grab, weshalb
sie nur eine Lebensdauer von weniger als einer Stunde besitzt. Im 
Auflösestadium existiert dann nur noch der Downdraft.

Einzelzellen sind klassische Wärme- oder Hitzegewitter. Sie sind 
unregelmäßig verteilt und treten meist am Nachmittag und Abend auf. 
Da sich die Luft entlang von Berghängen schneller aufheizen kann als 
über dem Flachland, kann die Luft entlang der Berghänge besonders 
leicht und frühzeitig aufzusteigen. Daher bilden sich die ersten 
Gewitter häufig über den (Mittel-)Gebirgen. Einzelzellen sind lokal 
eng begrenzt von Starkregen begleitet. In kräftigen Zellen kann es 
auch zu kleinkörnigem Hagel und kräftigen Böen kommen.

Welche weiteren Gewitterformen es noch gibt, erfahren Sie demnächst 
an dieser Stelle.



Dr. rer. nat. Markus Übel 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 20.07.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon