Thema des Tages
Wissenschaft Kompakt
El Niño steht wohl bevor...
Derzeit stehen die Zeichen im äquatorialen Pazifik trotz Erwärmung
noch auf ENSO-neutral. Das dürfte sich jedoch im südhemisphärischen
Winter ändern.
Der Pazifische Ozean ist derzeit noch unter ENSO-neutralen
Bedingungen (weder La Niña noch El Niño). Die
Meeresoberflächentemperaturen sind im Westen und im Osten des
tropischen Pazifiks jedoch bereits wärmer als im Durchschnitt.
Während alle internationalen Klimamodelle darauf hindeuten, dass die
Temperaturen im tropischen Pazifik während des Winters auf der
Südhalbkugel sehr wahrscheinlich die Schwellenwerte für El Niño
erreichen werden, ist für die Deklarierung eines El Niño-Ereignisses
auch eine Reaktion der Atmosphäre erforderlich. Bislang ist bei den
atmosphärischen ENSO-Indikatoren nur eine geringe Veränderung zu
beobachten, wobei Passatwinde und Bewölkungsmuster im Pazifik
weiterhin eher auf ENSO-neutrale Bedingungen hindeuten. Der
30-Tage-Index der Südlichen Oszillation (SOI) ist zwar mittlerweile
unter den El-Niño-Schwellenwert gesunken, aber es sind dauerhafte
Werte bzw. Abweichungen erforderlich, um als Teil einer
El-Niño-Reaktion zu gelten.
Der SOI-Index ist ein standardisierter Index, der auf den gemessenen
Unterschieden des Luftdrucks auf Meeresspiegelhöhe (SLP) zwischen
Tahiti und Darwin (Australien) basiert. Der SOI ist ein Maß für die
großräumigen Luftdruckschwankungen zwischen dem westlichen und dem
östlichen tropischen Pazifik (d. h. dem Zustand der Südlichen
Oszillation) während El-Niño- und La-Niña-Episoden. Die negative
Phase des SOI steht für niedrigeren Luftdruck auf Tahiti gegenüber
höherem Luftdruck in Darwin. Längere Perioden negativer (positiver)
SOI-Werte fallen mit ungewöhnlich warmen (kalten) Meerestemperaturen
im östlichen tropischen Pazifik zusammen, die typisch für El Niño (La
Niña) - Episoden sind. Weitere Informationen finden Sie hier,
speziell zum SOI-Index:
https://www.ncei.noaa.gov/access/monitoring/enso/soi oder aber
allgemeine Infos im Wetter- und Klimalexikon des DWD, unter El Niño
und La Niña:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html.
Der ENSO-Ausblick bleibt aktuell bei El Niño WATCH (siehe hier: https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/analysis_monitoring/lanina/ens
o_evolution-status-fcsts-web.pdf). Letzteres bedeutet, dass ein
erhöhtes Risiko für das Auftreten eines El Niño in diesem Jahr
besteht, mindestens doppelt so hoch wie die übliche
Wahrscheinlichkeit. Die Historie zeigt interessanterweise, dass sich
in etwa der Hälfte der Jahre, in denen der ENSO-Ausblick das Niveau
El Niño WATCH erreicht hat, auch ein El Niño entwickelt hat!
Ein ausgewachsener El Niño im tropischen Pazifik kann als gekoppeltes
Ozean-Atmosphäre-Phänomen mitunter erhebliche Auswirkungen auf das
Wetter bzw. die Witterung bis hin zu kurzfristigen Klimaschwankungen
(auf der Skala von einigen Monaten bis zu einem Jahr) rund um den
Globus haben.
Zu diesen Folgen gehören unter anderem verstärkte Niederschläge im
Süden der USA und in Peru, die in der Vergangenheit zu
zerstörerischen Überschwemmungen geführt haben, sowie anhaltende
Trockenheit im Westpazifik, die mitunter mit verheerenden Buschfeuern
in Australien einhergeht. Dies sind nur einige der unmittelbar
möglichen Auswirkungen von El Niño.
Die kontinuierliche Beobachtung der Bedingungen (atmosphärische und
ozeanische) im tropischen Pazifik gilt somit als essentiell für die
Vorhersage von kurzfristigen Klimaschwankungen.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.05.2023
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