Thema des Tages


Wissenschaft kompakt
Bilanz des winterlichen Meereismaximums in der Arktis


Anfang März ging die Gefriersaison in der Arktis zu Ende und die 
maximale saisonale Meereisausdehnung wurde erreicht. Im heutigen 
Thema des Tages ordnen wir die Zahlen etwas ein und liefern eine 
Erklärung, warum es primär in der Barentssee so ein hohes Eisdefizit 
gibt.


Nachdem wir uns vergangene Woche der südlichen Polregion - genauer 
gesagt dem neuerlichen Rekordminimum in der saisonalen sommerlichen 
antarktischen Meereisbedeckung - gewidmet haben (siehe auch Thema des
Tages vom 30.03.2023), machen wir heute einen dazu konträren Ausflug 
in die Nordpolarregion. Die Arktis ist umgeben von den Landmassen 
Eurasiens, Nordamerikas und Grönlands und bildet den kleinsten und 
kältesten Ozean der Erde. Während in der Antarktis im Februar die 
Schmelzsaison ihr saisonales Ende fand, ging etwa Anfang März, kurz 
vor Beginn der beginnenden Polarnacht, in der Arktis die 
Gefriersaison zur Neige und die maximale Meereisausdehnung wurde 
erreicht. 

Im Februar lag das tägliche Meereiswachstum im Laufe des Monats in 
etwa im langjährigen Durchschnitt. Der Monatsbeginn war von Perioden 
mit einer schnellen Zunahme geprägt. Ab der Monatsmitte waren die 
Veränderungen jedoch nur noch geringer Natur. Für die Jahreszeit ist 
dies allerdings nicht ungewöhnlich, da sich das Eiswachstum generell 
verlangsamt und der Eisrand anfällig für Winde ist, die die Eisdecke 
entweder zusammendrücken oder ausdehnen. Insgesamt betrug im Februar 
die durchschnittliche arktische Meereisaudehnung nach den 
Berechnungen des Meereisportals 14,31 Mio. km2 (siehe Abbildung 1), 
was dem siebtniedrigsten Wert seit dem Beginn der 
Satellitenaufzeichnungen von 1979 entspricht. Das National Snow and 
Ice Data Center (NSIDC) ermittelte bei einer leicht abweichenden 
Daten- und Berechnungsgrundlage eine mittlere Flächenausdehnung von 
etwa 14,18 Mio. km2, der sich als drittniedrigster Februarwert in den
dortigen Aufzeichnungen einsortiert. 

Die mittlere Meereisausdehnung der Monate Februar und März (hier 
nicht gezeigt) weist einen langjährigen negativen Flächenverlust von 
2,3 % pro Jahrzehnt aus (Abbildung 2). Seit Beginn der 
Satellitenerfassung 1979 hat die Februarausdehnung etwas mehr als 1,7
bis 1,86 Mio. km2 eingebüßt, was in etwa der fünffachen Fläche 
Deutschlands entspricht. 

Das winterliche Maximum der Eisbedeckung in der Arktis wurde 
schließlich nach den Auswertungen der täglichen Satellitenaufnahmen 
vom Meereisportal auf den 5. März 2023 (6. März - NSIDC) datiert und 
erreichte einen Wert von 14,79 Mio. km2 (14,62 Mio. km2 ? NSIDC). 
Nach dem 5. März folgte merklich der Übergang in die Schmelzsaison in
der Arktis mit einem kontinuierlichen Rückgang der Ausdehnung an den 
Eisrändern (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4). Regional blieb die 
Ausdehnung vor allem in der Barentssee, aber auch dem Ochotskischen 
Meer, der nördlichen Labradorsee und dem St.-Lorenz-Golf (in 
Abbildung 1 und 3 nicht mehr abgebildet) unter dem langjährigen 
Durchschnitt. In der Beringsee hingegen vielen die Defizite nicht 
ganz so stark aus wie in einigen anderen Jahren. 

In den letzten Jahren hat die geringe Meereisausdehnung in der 
Barents- und Karasee den insgesamt negativen Trend beim winterlichen 
arktischen Meereis verstärkt. Im Februar half auch eine ausgeprägte 
Druckkonstellation dabei diesen negativen Trend zu unterstützen. So 
zeichnete sich das Muster der Druckanomalien auf Meeresspiegelniveau 
im Februar durch besonders niedrigen Druck über Svalbard in 
Verbindung mit hohem Druck über dem zentralen Arktischen Ozean und 
Sibirien aus (siehe Abbildung 5). Dies entspricht einer stark 
positiven Phase der Arktischen Oszillation, einem großräumigen Modus 
der arktischen Klimavariabilität. Die Kombination aus Tiefdruck über 
Spitzbergen und Hochdruck über dem zentralen Arktischen Ozean trug 
dazu bei, dass relativ warme Luft aus dem Süden über den Nordatlantik
in die Barentssee gelangte, wohingegen kalte arktische Luft in 
Richtung Beringsee vorstoßen konnte. 

In diesem Zusammenhang befasst sich auch eine neue Studie mit der 
Rolle der atmosphärischen Flüsse als Beitrag zu diesem Prozess. 
Atmosphärische Flüsse bringen warme, feuchte Luft aus den Tropen und 
Subtropen heran und können für stärkere Regenfälle sorgen (mehr dazu 
auch im Thema des Tages vom 11.01.2023). Zudem erhöht die damit 
einhergehende Bewölkung die zur Oberfläche gerichtete langwellige 
Strahlung, die eine zusätzliche Erwärmung bewirkt. Beide Prozesse 
können somit zur Meereisschmelze beitragen. Der Studie zufolge 
gelangen mehr atmosphärische Flüsse in die eurasische Arktis als 
früher, was zu einer geringeren Eisbildung oder zum Schmelzen des 
dünnen Eises in den Monaten November bis Januar führt.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 03.04.2023

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