Thema des Tages


Wissenschaft kompakt

Darmstädter Tauschmanöver


Das Instrumentarium auf den Meteosat-Satelliten, die uns ständig mit 
aktuellem Bildmaterial für die Wettervorhersage aus dem All 
versorgen, kommt allmählich an seine Grenzen. Deswegen muss 
verschoben und getauscht werden. Das heißt für die Wettervorhersage: 
Es muss mal einen Tag lang ohne gehen. 


Die von der europäischen Organisation EUMETSAT mit Sitz in Darmstadt 
betriebenen Satelliten sind mittlerweile aus dem täglichen Betrieb in
der Wettervorhersage nicht mehr wegzudenken. Nicht nur werden sie von
Meteorologen zur Beurteilung der aktuellen Wetterlage genutzt, 
sondern die Daten dieser Satelliten fließen auch zur Analyse des 
Ist-Zustandes in viele Wettermodelle ein. Aber so ein Satellit hält 
nicht ewig durch und nutzt sich mit der Zeit ab. Die veranschlagte 
Lebensdauer solcher Satelliten wird bereits äußerst konservativ 
geplant, um durch mögliche Ausfälle keine langen Ausfallzeiten zu 
verursachen. Das hat zur Folge, dass sie oft länger im All verweilen 
und ihren Dienst verrichten können als geplant. Dies verschafft 
wiederum mehr Zeit für die Entwicklung und den Bau möglicher 
Nachfolgemodelle und -generationen.

Nichtsdestotrotz ist irgendwann der Punkt gekommen, an dem sich 
Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen. Dieser Punkt ist jetzt beim
Satelliten Meteosat-10 erreicht. Um einzuordnen, was da vor sich 
geht, benötigt es aber zunächst einen Exkurs über die Funktion, 
Aufgaben und Aufbau dieser Satelliten. 

Bei Meteosat-10 sowie dessen Nachfolger Meteosat-11 handelt es sich 
um sogenannte MSG-Satelliten. "MSG" steht dabei für "Meteosat Second 
Generation", der aktuellen Generation an Wettersatelliten, die in den
nächsten Jahren von den neuen MTG-Satelliten ("Meteosat Third 
Generation") allmählich abgelöst werden. Beide Satelliten befinden 
sich in einer geostationären Umlaufbahn in 36 800 km Höhe über dem 
Äquator. "Geostationär" bedeutet in diesem Fall, dass ihr Orbit 
synchron zur Erddrehung ist, sodass diese Satelliten zu jedem 
Zeitpunkt immer über dem selben Punkt auf der Erdoberfläche stehen. 
Die Satelliten beobachten umgekehrt also immer denselben Ausschnitt 
der Erdoberfläche. 

Im hier betrachteten Szenario dient dabei der Meteosat-10 als Backup 
für den neueren Meteosat-11, welcher genau über dem Nullpunkt im 
Koordinatengitter der Erde steht, d.h. bei 0° geografischer Breite 
und 0° geografischer Länge. Meteosat-10 steht dagegen auf gleicher 
Breite bei 9,5°O geografischer Länge. Dort erfüllt er, solange die 
Backup-Funktion nicht benötigt wird, eine Spezialaufgabe. Er scannt 
die Erdoberfläche im sogenannten "Rapid Scan Modus" (RSS). Um diesen 
Modus zu verstehen, ist es wichtig, den Instrumentenaufbau dieser 
Satelliten zu kennen. 

Wichtigstes Instrument und Hauptnutzlast auf diesen Satelliten ist 
das Instrument "SEVIRI". Dabei handelt es sich um ein Akronym, 
welches für "Spinning Enhanced Visible and InfraRed Imager" steht. 
Dabei handelt es sich um ein Radiometer (Bildgeber), welches sich 
permanent um die eigene Achse dreht, und dabei Zeile für Zeile ein 
Bild von der Erdoberfläche in 12 verschiedenen Spektralkanälen 
scannt. Diese Spektralkanäle reichen im Wellenlängenspektrum vom 
sichtbaren bis in den Infrarotbereich. Dabei benötigt ein Satellit 
knapp 15 Minuten, um auf diese Art und Weise ein vollständiges Bild 
der gesamten für ihn sichtbaren Erdoberfläche zu erzeugen. Dies nennt
sich "Full Disk Scan" und ist dementsprechend alle 15 Minuten neu 
verfügbar. Dies ist die Aufgabe des Meteosat-11. 

Der Meteosat-10 dagegen läuft, wie schon erwähnt, im Rapid Scan 
Modus. In diesem Modus wird nicht die komplette sichtbare Erdscheibe,
sondern nur ein gewählter Ausschnitt - in diesem Falle Mitteleuropa -
gescannt. Der Vorteil dieses Modus ist, dass dadurch für einen Scan 
wesentlich weniger Zeit nötig ist. Dadurch ist alle fünf Minuten ein 
neues Bild verfügbar, was zum Beispiel im Sommer bei Gewitterlagen 
sehr hilfreich sein kann. Nachteil des Ganzen ist allerdings, dass 
das SEVIRI-Instrument dadurch deutlich mehr beansprucht wird, weil 
die Scans entsprechend schneller durchlaufen. 

An dieser Stelle können wir unseren Exkurs jetzt verlassen, denn nun 
ist klar, welche Problemstellung hier bewältigt werden muss. Die 
Lebensdauer für den Rapid Scan Modus des SEVIRI-Instruments auf 
Meteosat-10 ist nun erreicht. Um nun die verbliebene Lebensdauer 
beider Satelliten möglichst effizient zu nutzen, werden die 
Positionen der beiden Satelliten Meteosat-10 und Meteosat-11 in 
diesem Monat getauscht. Meteosat-11 übernimmt dann die 
Rapid-Scan-Funktion von Meteosat-10 und umgekehrt. Dabei hat die 
Drift des Meteosat-10-Satelliten Richtung 0°-Position bereits 
begonnen, wobei die RSS-Produktion noch weiterläuft. Ab 13.3.23 wird 
dessen Betrieb dann unterbrochen. Am 21.3. wird dann auch der Betrieb
des Meteosat-11 für mehrere Stunden unterbrochen. In diesem Zeitraum 
sind dann gar keine Satellitenbilder mehr verfügbar. Danach soll dann
geplanterweise der Meteosat-10 die Funktion des Full Disk Scans 
übernehmen, wobei es noch länger dauert, bis die nominell zu 
erwartende Bildqualität wieder zur Verfügung steht. Anschließend 
driftet der Meteosat-11 auf seine neue Position auf 9,5°O, wo er am 
12.4.23 ankommen soll. Seinen Betrieb im Rapid Scan-Modus soll er 
aber bereits ab 28.3.23 wiederaufnehmen.

Eine maximal ausgenutzte Lebensdauer beider Satelliten soll so 
sichergestellt werden. In der meteorologischen Fachwelt wartet man 
aber bereits auch schon sehnsüchtig auf den Start der neuen Dritten 
Generation (MTG), die mit neuen Instrumenten den Funktionsumfang 
gegenüber den MSG-Satelliten erheblich ausbauen und die Welt der 
Wettervorhersage und der -modelle in ein neues Zeitalter 
katapultieren.  



M.Sc. Felix Dietzsch 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 09.03.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel, eventuell im Text erwähnte Bilder und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon