Thema des Tages


Wissenschaft kompakt
Kaltlufttropfen - Der Schönwetterverderber

Kennen Sie das? Trotz eines mächtigen Hochdruckgebiets auf den 
Bodenwetterkarten herrscht unbeständiges Schauerwetter. Die 
"Spielverderber" sind meist Kaltlufttropfen.

Der Zeiger des Wandbarometers steht auf "schön" und misst einen 
Luftdruck von 1040 hPa, auf dem Display der "intelligenten" 
Wetterstation im Wohnzimmer leuchtet ein Sonnensymbol. Beim Blick aus
dem Fenster sieht man aber dunkle Schauerwolken, plötzlich blitzt und
donnert es sogar und Graupelkörner tanzen auf Dächern und Straßen. 
Merkwürdig! Auch die Wetterkarte in der Tageszeitung zeigt ein 
mächtiges Hochdruckgebiet über Europa. Was ist also der Grund für die
vermeintlich "verkehrte Welt" beim Wetter?

Ursache ist wahrscheinlich ein sogenannter "Kaltlufttropfen". Dazu 
muss man wissen, dass nicht nur der Luftdruck in Bodennähe - den das 
heimische Barometer misst - über den Wettercharakter entscheidet. 
Auch die Druckverteilung in der Höhe, also der Luftdruck drei, fünf 
oder zehn Kilometer über unseren Köpfen, spielt beim Wetter eine 
entscheidende Rolle. So kann es sein, dass sich zwar im Bodenniveau 
ein großflächiges Hochdruckgebiet breitgemacht hat, in der Höhe 
jedoch ein kleines Tief herumwirbelt. Dieses bezeichnet man in der 
Meteorologie als Kaltlufttropfen (zur Namensherkunft später mehr).

Kaltlufttropfen befinden sich fast immer über den Randbereichen eines
Bodenhochs. In der mittleren Troposphäre, also etwa fünf Kilometer 
über uns (500hPa-Niveau) ist dieses nahezu kreisförmige Höhentief am 
stärksten ausgeprägt. Aber selbst auf Wetterkarten bis in 1,5 km Höhe
(850hPa-Niveau) ist ein Kaltluftbereich mit tieferem Luftdruck oft 
noch gut erkennbar. In den Bodenwetterkarten ist jedoch kein 
abgeschlossenes Tief mehr zu finden. Damit wären wir auch beim 
Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen einem Kaltlufttropfen und einem 
"gewöhnlichen" Tief. Bei letzterem handelt es sich um ein 
hochreichendes Tiefdruckgebiet, das sowohl am Boden als auch in der 
Höhe ausgeprägt ist, während ein Kaltlufttropfen nur in der Höhe 
(über dem Bodenhoch) zu finden ist. Häufig (aber nicht immer) sind 
die Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) um das Hochdruckgebiet 
unterhalb des Kaltlufttropfens zumindest noch etwas eingedellt. 
Zwischen 500 und 300 hPa (etwa 5,5 bis 10 km Höhe) ist rund um das 
Höhentief zusätzlich ein Starkwindfeld anzutreffen.

Man unterscheidet bei Kaltlufttropfen zwischen zwei 
Entstehungsmechanismen. Zum einen können sie durch einen 
Cut-Off-Prozess aus einem Höhentrog* entstehen. Ist der Höhentrog 
weit nach Süden ausgedehnt, "tropft" nicht selten ein Höhentief ab. 
Dieser Kaltluft"tropfen" wird nun durch die bodennahe und meist 
schwache Strömung gesteuert. Kaltlufttropfen können aber auch das 
Relikt eines ursprünglich hochreichenden Tiefdruckgebiets sein, wobei
sich durch Reibungsprozesse das Bodentief aufgelöst hat und nur noch 
der Kaltlufttropfen in der Höhe übrigbleibt.

Kaltlufttropfen treten überwiegend im Winterhalbjahr auf, kommen aber
auch im Sommer vor. Im Gegensatz zu Bodentiefs besitzen sie keine 
Fronten, weil sich die kälteste Luft in der Mitte der in etwa 
kreisförmigen Gebilde sammelt, daher der Name "Kaltluft"tropfen.

Diese kalte Höhenluft ist der Grund, weshalb Kaltlufttropfen zum 
"Schönwetterverderber" werden. Die Temperaturabnahme mit der Höhe ist
unterhalb des Kaltlufttropfens stärker als in der Umgebung, die 
Luftschichtung wird also labilisiert. Dadurch entstehen (trotz hohen 
Luftdrucks am Boden) Schauer und manchmal sogar Kaltluftgewitter.

Einen besonders gut ausgeprägten und sehr langlebigen Kaltlufttropfen
gab es im März vergangenen Jahres. In der Nacht zum 19. März tropfte 
der Kaltlufttopfen östlich von Schweden über der Ostsee aus einem 
Höhentrog ab und zog nach Polen. Während von Dänemark bis zum 
Baltikum mit teils über 1050 hPa für die Jahreszeit rekordverdächtig 
hohe Luftdrücke gemessen wurden, lag der Kaltlufttropfen am 
Nachmittag mitten über Deutschland, wo am Boden immerhin noch rund 
1040 hPa vorherrschten. Dennoch bescherte uns der Kaltlufttropfen 
windiges und wechselhaftes Wetter mit Regen-, Schnee- und 
Graupelschauern. Mit der östlichen Strömung an der Südseite des 
mächtigen Hochs "schwamm" der Kaltlufttropfen wie ein Fettauge auf 
der Suppe westwärts nach Belgien und bis zum 21. März zur Nordsee. 
Auf dem Satellitenbild waren die Wolkenspiralen und auf der 
Höhenkarte der runde Kaltlufttropfen gut erkennbar, auf der 
Bodendruckkarte sah man hingegen lediglich eine kleine Delle an der 
Westseite des Hochs. In den Folgetagen wanderte der Kaltlufttropfen 
weiter im Uhrzeigersinn um das Hoch, überquerte den Süden 
Skandinaviens und erreichte in der Nacht zum 23. März seine 
Geburtsstätte über der Ostsee. Dort war seine Reise noch immer nicht 
zu Ende. Er zog weiter seine Kreise über die Baltischen Staaten und 
Belarus zur Ukraine. Am Nachmittag des 24. März erkannte man eine 
wunderschöne Wolkenspirale im Bereich des Kaltlufttropfens inmitten 
einer riesigen wolkenfreien Zone, die sich von Frankreich über 
Mitteleuropa bis nach Russland erstreckte. Erst am 26. März löste 
sich der Kaltlufttropfen über der Osttürkei auf, nachdem er innerhalb
von gut acht Tagen mehr als 6500 Kilometer zurücklegte. In den 
nachfolgenden Animationen können Sie die Reise durch Europa 
eindrucksvoll nachverfolgen.

Zurück in die Gegenwart. Bis weit in die kommende Woche hinein 
bestimmt ein mächtiges Hochdruckgebiet unser Wetter. In der zweiten 
Wochenhälfte simulieren die Wettermodelle aber immer wieder die 
Bildung eines Kaltlufttropfen mit den typischen Wetterkapriolen. Ob 
dieser auch das Wetter bei uns in Deutschland aufmischt, ist aus 
heutiger Sicht aber noch nicht vorhersagbar. Es bleibt also spannend.


* In der Höhe entstehen anders als am Boden in der Regel wellenartige
Druckverteilungen mit Trögen tiefen Luftdrucks (auf der Nordhalbkugel
nach Süden ausgewölbte Wellentäler) und Rücken hohen Luftdrucks (nach
Norden gewölbte Wellenberge).

Dr. rer. nat. Markus Übel 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 11.02.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel, eventuell im Text erwähnte Bilder und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon