Thema des Tages
Wetter aktuell
Unwetterserie im Mittelmeer
Seit rund einer Woche jagt im Mittelmeer ein Unwettertief das
Nächste. Neben Sturm- bis hin zu Orkanböen sorgen heftige Gewitter
mit ergiebigen Regenfällen für ein erhöhtes Schadenspotential.
Aktuell hat das inzwischen dritte Unwettertief das westliche
Mittelmeer im Griff.
Insbesondere der westliche und zentrale Mittelmeerraum wird seit
einer Woche von einer ganzen Serie von Unwettertiefs heimgesucht.
Auslöser sind derzeit wiederholte Kaltluftvorstöße von Spanien und
Südfrankreich ins westliche Mittelmeer. Begünstigend auf die
Entwicklung der Sturmtiefs wirken die starke Verdunstung und der
Wärmeeintrag vom noch verhältnismäßig warmen Mittelmeer. Die
Meeresoberflächentemperatur bewegen sich derzeit zwischen 17 und 23
Grad. Sie liegen dabei 1 bis etwa 4 Grad über dem langjährigen
Mittel. Da das Wasser bei den stattfindenen Kaltluftvorstößen wärmer
als die Luft ist (labile Luftschichtung), wird zusätzliche
Auftriebsenergie für kräftiger Gewitterentwicklungen zur Verfügung
gestellt. Weitere Informationen warum der Herbst die Unwettersaison
im Mittelmeer ist gibt es auch im Thema des Tages vom 28.09.2021
(Verlinkung:
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/9/28.html).
Den Auftakt zur Unwetterserie machte Sturmtief "Denise" vergangenen
Dienstag. Im Golf von Genua geboren, wanderte es in östlicher
Richtung über Mittelitalien weiter über den Balkan hinweg. Bei
Gewittern sowie auf dem offenen westlichen Mittelmeer erreichten die
Böen vom Löwengolf über die Balearen bis nach Italien teils
Orkanstärke. Insbesondere aufgrund von eingelagerten Gewittern wurden
stellenweise Niederschlagsspitzen von mehr als 100 Liter pro
Quadratmeter an Westküstenabschnitten im Südwesten Italiens und der
Adria registriert. Mehr Informationen zum Sturmtief "Denise" sind im
Thema des Tages vom 24.11.2022 (Verlinkung:
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/11/24.html)
hinterlegt.
Nach dem Abzug von "Denise" Richtung Schwarzes Meer war den
westlichen Mittelmeeranrainern nur eine kurze Verschnaufpause
gegönnt. Schon am Freitag stand das nächste Unwettertief am Löwengolf
in den Startlöchern. Dieses Mal sollte es eine südlichere Zugbahn
über das westliche und später südliche Mittelmeer einschlagen.
Zunächst sorgte das Unwettertief am Freitagnachmittag in der Nähe von
Barcelona für Gewitter. Beim Queren des westlichen Mittelmeeres
"tankte" das Tief nachfolgend nochmals ordentlich Energie. Im
weiteren Verlauf des Freitagabends und in der Nacht zum Samstag zogen
insbesondere über das Tyrrhenische Meer und später auch zwischen
Malta und Sardinen linienhaft angeordneten Gewitterkomplexe, die
später auch Kalabrien erreichten (Abbildung 1).
Insbesondere die Insel Ischia im Golf von Neapel traf es mit voller
Wucht. Heftige Regenfälle lösten Erdrutsche und Überschwemmungen aus,
wobei Häuser beschädigt und Fahrzeuge von den Sturzfluten mitgerissen
wurden. An der Station Forio sind nach lokalen Angaben innerhalb von
6 Stunden 133 Liter pro Quadratmeter gefallen, ein Wert der im
bisherigen Beobachtungszeitraum dort noch nie erreicht wurde.
Inzwischen sind auf Ischia durch die Verheerungen bereits acht
Todesopfer zu beklagen. Am Sonntag zog das Unwettertief dann unter
Abschwächung über das Ionische Meer und die Große Syrte nach Libyen
südwärts ab.
Doch das Wetter kommt im Mittelmeer noch immer nicht zur Ruhe. Ganz
gemäß der Redewendung "Aller guten Dinge sind drei" hat sich am
gestrigen Montag ein weiteres Unwettertief mit dem internationalen
Namen "Ariel" über dem westlichen Mittelmeer etabliert. Inzwischen
ist es südostwärts bis zur Straße von Sizilien vorgedrungen. Damit
einhergehend sind gestern schon kräftige Gewitter mit Starkregen vor
allem über die Balearen hinweggezogen und haben sich dann am Abend
und in der vergangenen Nacht etwas weniger organisiert nach Sardinien
und ins Tyrrhenisches Meer verlagert (Abbildung 2).
Zudem hat sich an der Westflanke des Tiefs vom Löwengolf über die
Balearen bis nach Algerien auch abseits von Gewittern ein böiger
Nordwind mit Sturmstärke eingestellt. Örtlich sind auch schwere
Sturmböen mit von der Partie (z.B. gemessene 93 km/h in Capdepera im
Nordosten Mallorcas). Am heutigen Dienstag verlagert sich das Tief
weiter ostwärts, wobei es sich über Süditalien in zwei getrennte
Tiefdruckparzellen aufspaltet. Ein Drehzentrum ist im Bodendruckfeld
dann über dem Tyrrhenischen und ein zweites über dem Ionischen Meer
auszumachen. An der Westflanke ist der Nordwind mit Sturmstärke
zwischen Löwengolf und Golf von Genua bis hinunter nach Tunesien
weiter ruppig (Abbildung 3).
Zudem hat das Tief erneut teilweise ergiebige Regenfälle und Gewitter
im Gepäck, die die südlichen Regionen Italiens (insbesondere
Kalabrien und Apulien sowie z.T. Sardinien) abermals heimsuchen
werden. Im Verlauf der weiteren Woche gerät dann zunehmend
Griechenland und die Ägäis in den Fokus. Akkumuliert werden von den
Modellen in den küstennahen Gebieten der erwähnten Regionen bis
einschließlich Donnerstag 50 bis 150, punktuell bis oder über 200
Liter pro Quadratmeter gerechnet. Insbesondere wegen der
eingelagerten Gewitter, die sich von den Wettermodellen nicht genau
verorten lassen, können die Niederschlagsspitzen in ihrer
tatsächlichen Intensität von den Prognosen abweichen (Abbildung 4).
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.11.2022
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