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Wissenschaft kompakt

Die Hurrikansaison 2022 im Nordatlantik


Am 30. November endet offiziell die diesjährige Hurrikansaison. Zeit 
für einen Rückblick! Wie sind die Vorhersagen eingetroffen und was 
ist alles passiert?



Sicherlich hätten auch die anderen Weltmeere mit Tropensturmaktivität
einen Rückblick über die Ereignisse der vergangenen Monate verdient, 
doch sind die Auswirkungen der Aktivität über dem Nordatlantik nicht 
selten direkt oder indirekt in Europa zu spüren. Daher schauen wir 
näher auf die bis zum 30. November noch andauernde Hurrikansaison 
2022.

Es begann alles in den späten Frühlings- bzw. frühen Sommermonaten 
2022 mit zahlreichen Prognosen von diversen Institutionen zur 
diesjährigen Hurrikansaison, wobei die meisten eine 
überdurchschnittlich aktive Saison erwarteten. Beschränkt man sich 
auf den staatlichen Wetterdienst Nordamerikas, die National Oceanic 
and Atmospheric Administration (NOAA), dann ging man sowohl in der 
Prognose vom Mai 2022, wie auch im Update im August 2022 von einer 
überdurchschnittlichen Saison aus. Allerdings gingen die Erwartungen 
im August ein bisschen zurück. Doch selbst dann wurde mit einer 
Wahrscheinlichkeit von 60% eine überdurchschnittliche Saison und mit 
30% eine nahezu normal verlaufende Saison erwartet. Wie sieht nun die
vorläufige Bilanz aus?

	NOAA (Vorhersage vom 4. August)	1.6 - 28.11.2022	
Akkumulierte Energie des Systems (ACE)	115 - 200%	95.1	
Benannte Systeme	14 - 21	14	
Hurrikans	6 - 10	8	
Major Hurrikans	3 - 6	2	
Tabelle: Gegenüberstellung der Vorhersage durch die NOAA vom 4. 
August 2022 mit den vorläufigen Daten dieser Hurrikansaison. Nähere 
Informationen zum ACE sind als Link hinterlegt ("ACE"). Die 
tropischen Systeme werden benannt, sobald der Sturm 
Windgeschwindigkeiten von entweder mehr als 62 km/h (Tropensturm) 
oder 119 km/h (Hurrikan) erreicht. Ein "major" Hurrikan wird 
ausgerufen, sobald der Wirbelsturm Windgeschwindigkeiten von mehr als
179 km/h im 1-minütigen Mittel aufweist. 

"Vorläufig" deshalb, weil während der nun anstehenden Wintermonate 
intensive Nachanalysen stattfinden, wo nicht selten noch einzelne 
Systeme herauf- oder herabgestuft werden bzw. erkannt und ggf. 
benannt werden. Selbst in der heutigen Zeit der intensiven 
Überwachung mit Satelliten können kurzlebige und kleine Systeme durch
die Maschen fallen bzw. sind manche Datensätze erst deutlich später 
nach Auftreten des Sturms erhältlich, um dessen Intensität endgültig 
zu bestimmen.

Insgesamt war der Schritt hin zu einer etwas entschärften Prognose im
August der Richtige gewesen, denn die Erwartungen wurden (aus Sicht 
der betroffenen Bewohner glücklicherweise) nur teilweise erfüllt. 
Nach dem aktuellen ACE-Wert liegt die Saison 2022 im Bereich "nahezu 
normal bis normal" mit einem Wert von rund 95 kt2 (79% zum 
klimatologischen Mittel von 1991 bis 2020 und nahezu 100% zum Mittel 
von 1951 bis 2020).

Doch leider bewahrheitete sich der unter Meteorologen bekannte Satz 
auch in diesem Jahr wieder aufs Neue: Es wird nur ein Sturm benötigt.
Ein Tropensturm kann an Hand enormer wirtschaftlicher Schäden 
und/oder hoher Opferzahlen entscheiden, ob die Saison als eine 
schlimme in Erinnerung behalten wird. Dieses Jahr gab es gleich zwei 
solcher Systeme, die für umfangreiche Verwüstungen verantwortlich 
gemacht werden.

Hurrikan FIONA tobte zwischen dem 14. und 28. September zeitweise mit
1- min gemittelten Windgeschwindigkeiten von 215 km/h und somit der 
4. Kategorie auf der fünfteiligen Saffir-Simpson Skala, wobei der 
Sturm seine intensivste Phase Gott sei Dank über dem offenen Wasser 
des Nordatlantiks hatte. Besonders auf Guadeloupe und Puerto Rico 
brachte FIONA die teils heftigsten Niederschläge seit 2017 mit 
Gesamtmengen von 500 bis 800 l/qm, die leider mindestens 25 Menschen 
das Leben kosteten. Der nächste Landgang fand am 24. September in 
Neuschottland mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 165 km/h statt, 
was der Kategorie 2 entsprechen würde. Allerdings wurde FIONA direkt 
vor Landgang zu einem intensiven außertropischen Tief umbenannt, 
sodass nicht mehr direkt von einem Landgang eines tropischen Sturms 
gesprochen werden konnte. Mit einem inoffiziell gemessenen Wert des 
Luftdrucks von 932.7 hPa und mehreren Werten von unter 940 hPa wies 
EX-FIONA jedoch den bisher niedrigsten Kerndruck eines 
Tiefdruckgebietes über Kanada auf. Es traten auch zahlreiche 
Böenspitzen von deutlich mehr als 120 km/h (Bft 12) auf.

Nur wenig später, vom 23. September bis zum 2. Oktober, entwickelte 
sich der bis dato tödlichste Wirbelsturm der Hurrikansaison 2022, der
den Namen IAN erhielt. Der Hurrikan entstand über der Karibik und zog
in der Folge über den Westen Kubas direkt an die Westküste Floridas, 
bevor er kurz über den Atlantik zog und an der Küste von South 
Carolina zum letzten Mal an Land ging.
Seine höchsten Windgeschwindigkeiten erreichte IAN direkt vor 
Landgang an der Westküste Floridas mit vorläufigen 1 min Mittelwinden
von 250 km/h (Kategorie 4). Die höchste Kategorie 5 beginnt übrigens 
ab 252 km/h und von daher heißt es noch die Nachanalyse abzuwarten, 
ob es zu einer Heraufstufung kommt. Den intensiven Winden und der IAN
begleitenden massiven Sturmflut fielen bisher mehr als 145 Menschen 
in Florida und insgesamt während der gesamten Lebenszeit von IAN rund
157 Menschen zum Opfer.

Etwas Kurioses gab es natürlich auch in dieser Hurrikansaison.

Im Jahr 2004 und 2022 gingen jeweils 2 Hurrikane an nahezu denselben 
Orten in Florida mit einem zeitlichen Zwischenraum von 43 Tagen an 
Land. Wenigstens bei der Intensität gab es Unterschiede .

Doch welche Gründe gibt es, dass die bisherige Saison trotz der hohen
Erwartungen recht moderat ausfiel? Der Umfang dieses Thema des Tages 
reicht sicherlich nicht aus, um die einzelnen Komponenten im Detail 
anzuschauen. Beschränkt man sich auf einige der Wichtigsten, dann 
wurden die optimistischen Prognosen u.a. erstellt wegen der zu 
erwartenden hohen Meeresoberflächentemperatur, schwacher Windscherung
(Windgeschwindigkeitsänderung mit der Höhe) und anhaltender kalter 
ENSO Bedingungen (La Nina). 

In der Gegenüberstellung der Anomaliewerte von Wassertemperatur und 
Windscherung von Juni bis Anfang November erkennt man überwiegend 
neutrale bis leicht zu kühle Werte der Wasseroberflächentemperatur 
vor Afrika sowie eine nicht unwesentliche Windscherung. Je höher die 
Windscherung ist, umso schwerer haben es tropische Systeme sich zu 
bilden und zu entwickeln. Ein Grund für die höhere Windscherung waren
teils agile Passatwinde sowie weit nach Süden ausgreifende Tröge aus 
den Außertropen, in deren Umfeld die Windscherung meist kräftig 
ausfällt. 

Zur Hauptaktivitätsphase dieser Saison im September erkennt man in 
Bild 3, dass in dem rot umrandeten Bereich (Zugbahn der beiden 
Kategorie 4 Stürme FIONA und IAN) die Bedingungen für die Entwicklung
tropischer Stürme an Hand dieser beiden Parameter sehr günstig waren.
Das Meer war überdurchschnittlich warm und die Windscherung sehr 
schwach ausgeprägt.  

Aber auch die Außertropen wirkten sich auf die Tropen aus, denn der 
Sommer war geprägt von einem stark mäandrierenden Wellenmuster. Das 
bedeutet, dass z.B. Tröge sehr weit nach Süden vordringen konnten und
u.a. die Windscherung erhöhten. In Bild 4 erkennt man, dass über die 
gesamte Hurrikansaison gemittelt eine blockierende Antizyklone mit 
hohem Luftdruck und Geopotential über dem nördlichen Nordatlantik 
dominierte, was auch ein nahezu durchweg negatives Monatsmittel der 
NAO (Nordatlantischen Oszillation) hervorhebt. Tröge über den USA und
vor den Toren Europas sorgten wiederholt für weit nach Süden 
ausgreifende Fronten und Windfelder, die stark vereinfacht gesagt die
Entwicklungsbedingungen in den Tropen regional degradierten. Weitere 
negative Auswirkungen waren auch teils deutliche negative 
Feuchteabweichungen. Natürlich sind dies nur rudimentäre Darlegungen 
und weit mehr Interaktionen sind für eine abschließende Bewertung zu 
berücksichtigen.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass sich die Vorhersagen des Nationalen 
Hurrikanzentrums auch in diesem Jahr weiter verbessert haben und 
voraussichtlich neue Rekorde erreichen mit Blick auf die Genauigkeit 
der Zugbahn- und Intensitätsvorhersagen. Dazu muss aber noch die 
endgültige statistische Auswertung abgewartet werden.

Nun heißt es also erstmal durchatmen und die entstandenen Schäden zu 
beseitigen, was in vielen Inselstaaten sicherlich eine mühevolle und 
jahrelange Arbeit darstellt, bevor es im kommenden Frühjahr wieder 
heißt: Der neue Ausblick auf die Hurrikansaison 2023 steht bereit.




Dipl.-Met. Helge Tuschy 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 28.11.2022

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