Thema des Tages
Wissenschaft kompakt
Klimakommunikation in Krisenzeiten
"Unser Klima. Unsere Zukunft. Klimakommunikation in Krisenzeiten"
lautete das Leitmotiv des K3 Kongresses. Einem Vortrag davon widmen
wir uns heute genauer: Warum alles im Kopf beginnt?
Wie kann Kommunikation über den Klimawandel wirksamer werden? Wie
kann Kommunikation die Entscheidungsfindung in politischen,
gesellschaftlichen oder unternehmerischen Prozessen unterstützen und
zu Handlungen motivieren, die das Klima schützen? Und welchen Beitrag
kann Kommunikation für ein Gelingen des gesellschaftlichen Wandels
hin zu einem klimaverträglichen Wirtschaftssystem leisten? Unter
anderem diese Fragen wurden am 14. und 15. September auf dem K3
Kongress zu Klimakommunikation in Zürich diskutiert.
Auch wenn der ausgebuchte Kongress hauptsächlich vor Ort stattfand,
so konnten ausgewählte Vorträge und Beiträge, unter anderem die
"Keynotes" (siehe https://k3-klimakongress.org/keynotes/) online live
verfolgt werden. Eine davon hielt Prof. Dr. Maren Urner,
Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpsychologie über
"Nachhaltigkeit beginnt im Kopf".
Schon der Einstieg des insgesamt sehr fesselnden Vortrags blieb
(sprichwörtlich) im Gedächtnis: Ein MRT-Bild eines Gehirns, ihres
eigenen Gehirns, füllte die große Leinwand im Saal (oder den
Bildschirm zu Hause) aus. Die Botschaft dazu: Wir alle haben
unterschiedliche Gehirne; deshalb sieht, riecht und schmeckt nicht
nur jeder von uns anders, sondern deswegen sieht jeder die ganze Welt
aus anderen Augen. Wenn man sich also manchmal denkt: "Das muss der
doch sehen/merken/genauso empfinden!" muss man sich immer vor Augen
führen: "Nein, muss er nicht!"? Die einzige Möglichkeit, diesem
"Dilemma" zu entkommen, ist laut Maren Urner klar: Kommunikation.
Dabei stehen wir allerdings vor großen Herausforderungen:
1. Unsere Vorliebe fürs Negative
Die vielen negativen Nachrichten über Kriege, Krisen und
Katastrophen, die täglich auf uns einprasseln, sind laut Maren Urner
nicht unbedingt böse Absicht der Journalisten (- auch wenn negative
Nachrichten mehr Klicks bringen und sich damit mehr Geld verdienen
lässt). Vor allem ist der sogenannte Negativitäts-Bias schuld - also
unsere Tendenz, negative Nachrichten als wichtiger zu empfinden.
Woher kommt dieser Hang zum Negativen? Die Ursprünge liegen in der
Steinzeit: Unser Gehirn ist darauf programmiert, zu überleben. Damals
waren Informationen über Gefahren überlebenswichtig, und obwohl wir
solchen Gefahren heute nicht mehr ausgesetzt sind, laufen wir immer
noch mit einem Steinzeitgehirn durch die Welt.
2. Angst und Unsicherheit sind schlechte Berater
Der einseitige Fokus aufs Negative, auf die Probleme und
Herausforderungen, sorgt zwar für kurzfristiges Überleben,
langfristig jedoch für Stress, ausgelöst durch Angst und
Unsicherheit. Unser Angsthirn hindert uns daran, langfristige und gut
überlegte Entscheidungen zu treffen.
3. Macht der Gewohnheit und erlernte Hilflosigkeit
Doch worauf basieren unsere Entscheidungen? Zum großen Teil auf
unseren Gewohnheiten! Bis zu 95 Prozent unserer täglichen Handlungen
sind Gewohnheitshandlungen. Bekommen wir andauernd gesagt und
gezeigt, dass wir gegen die Probleme dieser Welt nichts ausrichten
können, erreichen wir möglicherweise irgendwann den Zustand der
sogenannten "erlernten Hilflosigkeit" (an dieser Stelle wurde ein
Experiment mit Hunden aus dem Jahr 1967 erläutert, das hier nur kurz
angerissen werden kann: Eine Gruppe von Hunden, die infolge einer
früheren Erfahrung gelernt hatte, hilflos zu sein, ließ Stromschläge
lethargisch über sich ergehen, selbst als sie ihnen hätte entgehen
können).
Zugegeben: Negativitäts-Bias, Angsthirn, Gewohnheitstier - das klingt
alles wenig vielversprechend. Also ist alles aussichtlos? "Nein",
sagt Maren Urner und zitiert Steve de Shazer: "Das Reden über
Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen."
Konkret kann das gelingen, indem wir beispielsweise bessere Fragen
stellen, also "wofür" statt "wogegen". Im Hinblick auf die Klimakrise
sollten wir also nicht davon sprechen, welche Einschränkungen es gibt
oder was wir verlieren, sondern vielmehr überlegen, was wir durch
eine Kursänderung gewinnen oder worauf wir uns sogar freuen können.
Es gilt, quasi einen Schalter im Kopf umzulegen: Das ist zwar erstmal
anstrengend, da unser Gehirn gerne im Energiesparmodus arbeitet -
aber wenn wir unsere Neugier ankurbeln, wird das Belohnungssystem im
Hirn aktiv und sorgt anschließend für Glücksgefühle.
Und bei wem nun die Neugier geweckt ist, der kann in Kürze den ganzen
Vortrag von Maren Urner (und einige andere) unter
https://k3-klimakongress.org/stream/ sehen. Vielleicht bleibt neben
vielen anderen interessanten Aspekten ja auch ein Zitat von Paul
Harvey in Erinnerung, das es irgendwie schafft, bei all den vielen
täglichen negativen Nachrichten sprichwörtlich "zu erden":
"Despite all our accomplishments, we owe our existence to a six-inch
layer of topsoil and the fact it rains." (Auf Deutsch etwa "Trotz all
unserer Leistungen verdanken wir unsere Existenz einer sechs Zoll
dicken Humusschicht und der Tatsache, dass es regnet.")
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.09.2022
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