Thema des Tages


Wissenschaft kompakt
Was sagt uns die aktuelle saisonale Vorhersage über den Winter?

Anfang September sind die aktualisierten Jahreszeitenvorhersagen 
gängiger globaler Klimamodelle erschienen, darunter vom 
Vorhersagemodell des DWD. Inwieweit daraus mögliche Trends für den 
kommenden Winter abgeleitet werden können, soll kurz erläutert 
werden.

Der astronomische Herbstanfang klopft buchstäblich an die Tür und 
auch das Wetter präsentiert sich in dieser Woche dementsprechend. 
Rechtzeitig dazu liegt nun neben Prognosen einschlägiger globaler 
Klimamodelle auch die aktualisierte saisonale Vorhersage des 
Klimamodells des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für die kommenden 
Monate vor. 
Jahreszeitenvorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit welcher 
Wahrscheinlichkeit die kommenden drei Monate zum Beispiel trockener 
oder feuchter, wärmer oder kälter als im langzeitlichen Mittel 
werden.
Das German Climate Forecast System (CFS) ist ein Gemeinschaftsprojekt
der Universität Hamburg (UHH), des Max-Planck-Instituts für 
Meteorologie (MPI-M) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD), (siehe https://www.dwd.de/DE/leistungen/jahreszeitenvorhersage/jahreszeitenv
orhersage_start.html).
Dafür errechneten die Wissenschaftler mit einem speziell angepassten 
Klimarechenmodell zunächst Vorhersagen für möglichst viele vergangene
Jahre. Diese langfristige Klimatologie liefert zuverlässige 
Durchschnittswerte und dient damit als Basis für den Vergleich mit 
den aktuellen Prognosen. Zusätzlich werden die errechneten Prognosen 
mit Klimatologien verglichen, die aus Beobachtungsdaten gewonnen 
werden. Auf dieser breiten Basis können Aussagen über Trends 
getroffen werden, die sich allerdings maßgeblich von der 
herkömmlichen Wettervorhersage unterscheiden.
Bei einem Blick auf den prognostizierten Trend für die Abweichung der
2m-Temperatur ist für die Wintermonate Dezember, Januar und Februar 
für Mitteleuropa eine eher moderate Abweichung in Richtung 0,5 bis 1 
Grad zu warm zu erkennen. 
Das mag aus derzeitiger Sicht einerseits nicht viel bedeuten, 
andererseits würde eine derartige Abweichung auch eine zeitweilige 
negative Abweichung der Lufttemperatur einschließen (vorübergehende 
Kaltlufteinbrüche).
Kommen wir nun zu einigen aus klimatologischer Sicht interessanten 
sowie ergänzenden Informationen. Bis einschließlich Januar besteht 
eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für die Fortdauer des derzeitigen 
La Niña-Ereignisses (zu El Niño und La Niña, siehe Erläuterungen hier
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=100652&lv3=100732 ). 
Derartige ozeanisch-atmosphärische Phänomene mit relativ langer 
Andauer (low frequency base state) und damit auch längerer und 
relativ guter Vorhersagegüte fließen in saisonale Vorhersagemodelle 
sowohl über statistische Korrelationen als auch über direkte 
Relationen zu bestimmten synoptischen Mustern ein. Ein klassisches 
synoptisches Muster bei La Niña ist der so genannte 
Aleuten-Höhenrücken, also häufig hoher Luftdruck über Teilen des 
Nordpazifiks. Normalerweise nimmt klimatologisch dort das 
Aleuten-Tief diesen Platz ein (siehe https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=100072&lv3=100254). 
Letzteres sorgt im Winterhalbjahr üblicherweise für verstärkte 
meridionale und vertikale Wärmeflüsse (allgemein Wellenflüsse), die 
sich mitunter im erweiterten Arktikumfeld bis in die Stratosphäre 
ausbreiten können, um dort unter Wärmefreisetzung zu dissipieren 
(sich auflösen). Daher würde im Falle eines intakten Aleuten-Tiefs 
neben anderen Bedingungen auch die Wahrscheinlichkeit einer 
plötzlichen Stratosphärenerwärmung (SSW) erhöht, was wiederum 
weitreichende Konsequenzen z.B. für die atlantische Zirkulation (NAO)
haben könnte, siehe auch 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/1/10.html. 
Die Vorhersage für den Zustand des Stratosphärischen Polarwirbels 
(SPV), ausgedrückt über den zonal gemittelten zonalen Wind in 10 hPa 
(in über 30 km Höhe) und auf 60 Grad Nord gemittelt des CFS vom DWD 
sieht nun über die Wintermonate hinweg einen weitgehend normal 
ausgeprägten SPV mit westlichen Winden in diesem Bereich. 
Die entsprechenden Bilder finden Sie auch unter 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/9/21.html).
Nur wenige Ensemble-Member sehen im Winterverlauf eine komplette 
Windumkehr auf östliche Winde (Definition für ein so genanntes 
Major-SSW). Im Gegenteil, nach einem im Vergleich zum 
klimatologischen Mittel schwächeren Verlauf im November soll der SPV 
im Januar und Februar 2023 überdurchschnittlich stark ausgeprägt 
sein. Diese Trendvorhersage würde zu den obigen Aussagen im 
Allgemeinen recht gut passen. Ein normal ausgeprägter SPV führte über
Mitteleuropa eher zu atlantisch geprägten Westwetterlagen, das heißt 
teils zu relativ nassem und überwiegend mildem, zeitweise auch 
windigem Wettercharakter.
Allerdings kann eine ausgewachsene La Niña im Winterhalbjahr unter 
der Voraussetzung eines ausgeprägten Jet-Streams (bei normal bis 
überdurchschnittlich starkem stratosphärischen Polarwirbel) indirekt 
vom Pazifik her die Amplifizierung planetarer Wellen bis in den 
Atlantik hin beeinflussen. Ein stärkeres Mäandrieren der Strömung auf
dem Nordatlantik ließe über West- und Mitteleuropa zumindest 
vorübergehend auch Wetterlagen wie Atlantischer Rücken (AtR) oder 
auch Trog Skandinavien in der Ausprägung NAO (Nordatlantische 
Oszillation negativ zu, siehe https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=101812&lv3=101858), was zumindest vorübergehend zu 
Kaltluftausbrüchen führen könnte.
Abschließend sei aber festzuhalten, dass dieser kurze Abriss 
lediglich eine Zusammenschau übergeordneter Faktoren und einen 
Abgleich mit der aktuellen saisonalen Vorhersage darstellt. Viele 
andere Faktoren beeinflussen synoptische Muster in der Troposphäre 
und sind selbst in der erweiterten Mittelfrist (10 bis 15 Tage 
Vorhersagefrist) nicht oder nur schwer vorhersagbar.                 
    
Zudem ist insbesondere bei der Nutzung der Abbildungen zu den 
Jahreszeitenvorhersagen zu beachten, dass diese Prognosen Gegenstand 
intensiver Forschung und permanenter Weiterentwicklung sind.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz 
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 21.09.2022

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