Thema des Tages
Wetter aktuell
In der Mittelmeerregion nimmt üblicherweise in den Herbstmonaten die
Tiefdrucktätigkeit zu. Das Mittelmeer ist in diesem Jahr besonders
warm und somit besteht dort ein hohes Potential für heftige
Starkniederschläge in den kommenden Monaten.
In den Herbstmonaten zieht es viele Urlaubshungrige nochmal in die
Destinationen rund um das Mittelmeer. Doch dabei sollte die
Wetterprognose genauer im Auge behalten werden. Während in
Mitteleuropa die Hauptaktivität der Gewittertätigkeit in die
Sommermonate fällt, ist der Herbst im Mittelmeerraum die
gewitterreichste Saison des Jahres. Diese Verschiebung zeigt
beispielsweise die Analyse der Blitzdichte von 2008 bis 2012 im Juli
und Oktober (Abb. 1). Doch welche Ursachen sind für diese
Verschiebung verantwortlich?
In den Sommermonaten ziehen sich die Frontensysteme mit der
Verlagerung des Jetstreams (siehe DWD Lexikon: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv2=1013
04&lv3=101330) relativ weit nach Norden zurück, wodurch die
mediterranen Regionen häufig im Einflussbereich der subtropischen
Hochdruckgebiete liegen, welche sich von den Azoren und Nordafrika
ausbreiten. Dies sorgt für trockenes und heißes Sommerwetter, oft
auch einhergehend mit anhaltenderen Hitzewellen. Zusätzlich
stabilisierend wirkt dabei zunächst das Mittelmeer selber, da es erst
im Verlauf des Sommers zunehmend erwärmt wird und somit erst auf
"Betriebstemperatur" kommen muss. Aufgrund dessen fahren so viele
Menschen in den Sommerferien in den Süden auf Urlaub, da längere
Regenphasen - abgesehen von Gewittern - dort praktisch nicht
vorkommen.
Im Herbst verlagert sich der Jetstream langsam wieder südwärts,
wodurch die Ausläufer des subtropischen Hochdruckgürtels nach
Nordafrika abgedrängt werden. Die Tiefdrucktätigkeit nimmt zu und
damit greifen auch die Frontensysteme wieder weiter nach Süden aus
und erreichen auch den Mittelmeerraum. Gelangt nun mit einem
Kaltluftvorstoß kühle Luft polaren oder subpolaren Ursprungs aus dem
Norden über das warme Mittelmeer, führt dies zu einer "explosiven"
Mischung. Die kalte Luft über dem warmen Meer begünstigt die
Entstehung von Schauern und Gewittern. Auftriebsenergie wird durch
das warme Oberflächenwasser und die labile Schichtung der Atmosphäre
bereitgestellt. Die untersten Luftschichten, die durch das warme
Mittelmeer erwärmt werden, sind weniger dicht als die Kaltluft die
darüber einströmt und haben somit das Bestreben aufzusteigen.
Aufgrund der Verdunstung an der warmen Meeresfläche nehmen diese
Luftpakete sehr viel Feuchte auf. Beim Aufsteigen bilden sich
schließlich durch Kondensation mächtige Quellwolken mit Schauern und
Gewittern. Je wärmer nun das Mittelmeer ist, desto mehr Energie hat
es gespeichert und desto mehr Energie steht für die Bildung von
Regenschauern und Gewittern zur Verfügung.
Genau diese Konstellation ist dieses Jahr der Fall. Die
Oberflächentemperatur im Mittelmeer bewegt sich derzeit zwischen 25
bis 29 Grad, vor der Ostküste Tunesiens sind es gar um 30 Grad (Abb.
2). Interessanter ist jedoch noch der Blick auf die Anomalien, also
die Abweichungen der Oberflächentemperaturen zum langjährigen
klimatologischen Mittel. Insbesondere das westliche Mittelmeer ist
verbreitet um 3 bis 5 Grad zu warm (Abb. 3). Kommt es nun zu einem
Kaltluftvorstoß über das Rhonetal Richtung Löwengolf (französisches
Mittelmeerküste) und weiter bis in den Golf von Genua, können sich
dort entstehende Tiefdruckgebiete intensivieren und zu sehr starken
Niederschlägen führen. Gelangt die energiereiche Luft mit einer
Südwestströmung schließlich zu den Alpen, kann die auch hier zu sehr
starken Regen- oder im Frühwinter auch schon zu Starkschneefällen
führen.
Aufgrund der besonders hohen Meeresoberflächentemperatur im
Mittelmeerraum ist das Potential für Starkniederschläge in den
kommenden Monaten besonders groß. Die Frage ist nun aber noch, ob und
wann dieses Potential auch angezapft wird. Das werden aber erst die
Wetterentwicklungen der kommenden Wochen und Monate zeigen. Auf alle
Fälle steht schon am Freitag und dem kommenden Wochenende ein erster
Kaltluftvorstoß in das westliche Mittelmeer bevor. Insbesondere durch
seine geographische Form ist dabei Italien besonders prädestiniert
für Unwetter mit extremem Starkregen. Zum einen erhält Italien vom
umliegenden Mittelmeer oft mit viel Wasserdampf angereicherte Luft.
Des Weiteren ergeben sich durch Küstenlinie immer Gebiete mit
auflandigem Wind, wodurch sich an den Apenninen sowie an den Alpen
zusätzlich Staueffekte ergeben. Aber auch die Küstenregionen
Südostspaniens, Südfrankreichs sowie am Dinarischen Gebirge und
weiteren Gebirgsgruppen des Balkans bis hin nach Anatolien sind immer
wieder von Sturzfluten betroffen.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.09.2022
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