Thema des Tages
Ein Modellchaos: Niederschläge und wo sie (vielleicht) zu finden sind
Waldbrände in der sächsischen Schweiz, ein Rheinpegel von unter einem
Meter in Emmerich (17.08.2022) und trockene Böden. Kaum etwas können
wir aktuell besser gebrauchen als Niederschläge. Aber wo und wann
sind sie zu erwarten?
In einer Hinsicht sind sich die Modelle einig: Es wird Regen geben.
Wo und wieviel ist da schon etwas komplizierter. Am selben Ort wird
von dem einen Modell Niederschlag vorhergesagt, einem anderen Modell
nach zu urteilen fällt kein Tropfen vom Himmel.
Um zu verstehen, wie es zu solchen Unterschieden kommt, muss man sich
damit vertraut machen, wie ein Wettermodell grob funktioniert. Neben
einigen komplizierten physikalischen Gleichungen fließen noch
Anfangs- und Randbedingungen in die Modelle ein. Zusätzlich werden
diverse Prozesse vereinfacht (parametrisiert), um die Rechendauer der
Modelle geringer zu halten. Je mehr Prozesse parametrisiert werden,
desto kürzer wird die Rechendauer, aber desto ungenauer wird das
Ergebnis. Verschiedene Modelle arbeiten dabei mit verschiedenen
Bedingungen und Parametrisierungen, sodass am Ende auch verschiedene
Ergebnisse rauskommen. Während sich die Vorhersagen bei den
großräumigen Strukturen des Luftdrucks sowie des Geopotentials auf
den ersten Blick oft noch sehr ähneln, werden die Unterschiede mit
kleiner werdendem Gebiet immer größer. Vor allem die Niederschläge
sind dabei häufig noch unzureichend prognostiziert.
Folgende vier Modelle werden betrachtet: ICON-D2 vom Deutschen
Wetterdienst, GFS vom National Weather Service (USA), AROME von Meteo
France und UK10 vom britischen Wetterdienst.
Abbildung 1 zeigt die erwarteten Niederschläge für den heutigen
Donnerstag, den 18.08.2022 zwischen 14 und 20 Uhr. Die dargestellten
Daten stammen bei den grob aufgelösten Modellen aus dem 8 Uhr Lauf
vom gestrigen Mittwoch (17.08.2022). Die Lösung des feinaufgelösten
ICON-D2 liefert der gestrige 11 Uhr Lauf. Auf den ersten Blick
erkennt man, dass die Modelle hinsichtlich der Position und
Intensität des Niederschlags verschiedenste Ergebnisse liefern. Das
hauseigene Modell ICON-D2 legt den Schwerpunkt auf Österreich bis in
den Süden Bayerns, einen weitern auf die Grenze zwischen
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz., sowie nördlich von Berlin.
AROME bildet im Süden Deutschlands kaum Regen ab, stattdessen liegt
der Schwerpunkt hier über der Dreiländergrenze zwischen Thüringen,
Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Das amerikanische Modell GFS zeigt
generell eine geringere Intensität und legt einen kleinen Schwerpunkt
auf Sachsen. Nach dem Modell UK10 gäbe es im Nordosten Deutschlands
kaum bis keine Niederschläge, stattdessen im Südwesten.
Kurz zusammengefasst: Jedes Modell legt die Schwerpunkte auf einen
anderen Bereich von Deutschland, dabei liegen die maximalen
Regenmengen zwischen 25mm und 79 l/qm/12h, was dann doch ein
deutlicher Unterschied ist.
Sieht man sich für den gleichen Vorhersagezeitraum die neuen
Modellrechnungen aus der vergangenen Nacht an (2 Uhr bzw. 5 Uhr
Läufe), sehen die Prognosen schon wieder anders aus (Abbildung 2).
Starten wir wieder mit ICON-D2: Diesmal liegen die Schwerpunkt über
Frankreich südlich vom Saarland, ein weiterer vor allem in
Oberösterreich und ein kleiner über Mitteldeutschland. Das
französische Modell AROME zeigt im Vergleich zum gestrigen Lauf
wesentlich geringere Niederschlagsmengen. Signifikante Mengen sind
auf Basis dieser Datenlage vor allem in Vorarlberg zu erwarten. Dort
wo im gestrigen Durchlauf noch der Schwerpunkt lag, ist nun kaum noch
etwas zu sehen. Das GFS-Modell zeigt zum Vortag die geringste
Veränderung. Der Schwerpunkt liegt weiterhin über Sachsen, wobei sich
dieser aber nach Nordbayern ausgedehnt hat. Zudem ist ein weiter
Schwerpunkt östlich von Berlin hinzugekommen. Die Regensummen werden
beim GFS weiterhin als eher gering eingeschätzt. Bei dem britischen
Modell UK10 fällt auf den ersten Blick auf, dass die
Niederschlagshinweise nun zwar räumlich größere Gebiete einnehmen,
die Mengen aber sehr viel geringer ausfallen.
Zusammengefasst: Die Niederschlagsvorhersage sieht sowohl innerhalb
einer Modellkette als auch zwischen unterschiedlichen Modellen im
Vergleich zum Vortag ganz verschieden aus.
Dies zeigt, dass nicht nur die Modelle untereinander, sondern auch
innerhalb Schwankungen besitzen. Jeder Lauf entspricht einer
Modellrechnung, mit angepassten Anfangswerten an den aktuellen
Zeitpunkt vor der Berechnung. Je nach Modell gibt es mehrere Läufe am
Tag, zum Beispiel alle zwölf oder alle drei Stunden. Durch das
Anpassen der Bedingungen kann es ebenfalls zu Änderungen in der
Vorhersage und somit zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Genauer
sieht man das an einem weiteren Beispiel, diesmal wird der
12-stündige Niederschlag des IFS-Modells des EZMW (Europäischen
Zentrum für Mittelfristvorhersage) betrachtet. Die Vorhersage bezieht
sich dabei auf Freitag, den 19.08.2022, 8 Uhr.
In Abbildung 3 sind von rechts nach links vier verschiedene
Durchläufe von IFS für die Mitte Deutschlands aufgeführt: 16.08., 2
Uhr, 16.08., 14 Uhr, 17.08., 2 Uhr und 17.08., 14 Uhr.
Beim ältesten der vier gezeigten Läufe (ganz rechts) werden die
stärksten Niederschläge im Osten von Nordrhein-Westfahlen gezeigt.
Dabei erstreckt sich das Gebiet bis nach Niedersachsen und in den
Norden von Rheinland-Pfalz. Im Osten Deutschlands wird kaum etwas
erwartet.
Die nächste Berechnung (zweites Bild von rechts) legt den
Niederschlagsschwerpunkt über Niedersachsen und Norddeutschland.
Während nun etwas stärkere Niederschläge in den ostdeutschen
Bundesländern simuliert werden, fallen diese dafür im Westen
schwächer aus.
Der Lauf von gestern Mittag (zweites von links) sagt fast keine
Niederschläge mehr über Nordrhein-Westfahlen voraus, stattdessen
liegt ein großer Schwerpunkt über der Grenze zwischen Niedersachsen
und Sachsen-Anhalt, wobei laut den Berechnungen ein Maximum von 81
l/qm in 12 Stunden zu erwarten wäre.
Im jüngsten der vier Läufe (ganz links) erkennt man, dass sich das
Niederschlagsgebiet, im Vergleich zum vorherigen Zeitpunkt, weiter
nach Osten verlagert hat. Insbesondere Westdeutschland ist nun
überhaupt nicht mehr von Niederschlägen betroffen.
Was macht man nun bei diesem Chaos? Klar ist, dass man nicht nur auf
ein Modell vertrauen sollte, sondern die Modelle miteinander zu
vergleichen. Auch ein Blick auf vorherige Durchläufe kann dabei
helfen eine allgemeine Entwicklung festzustellen. Prinzipiell ist es
so, dass hochaufgelöste Modelle die vom Niederschlag betroffenen
Regionen definierter und präziser angeben können, aber auch Modelle
mit geringer Auflösung können die großräumige Entwicklung gut
erfassen. Bei der Frage, welches Ereignis dann wirklich am
wahrscheinlichsten ist, kann oft nur die Erfahrung helfen.
Abschließend lässt sich sagen: "Die Moral von der Geschichte: Böse
Modelle gibt es nicht" (eine Hommage an eine Dozentin der Uni Köln).
Praktikantinnen Jana Schitthof und Carolin Probst mit Dipl.-Met.
Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2022
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