Thema des Tages

Gute Voraussetzungen für eine überdurchschnittliche Hurrikansaison


Im Zeitraum von August bis Oktober erreicht die atlantische 
Hurrikansaison üblicherweise ihren Höhepunkt. Die derzeitigen 
atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen sprechen weiterhin für 
eine sehr aktive Wirbelsturmaktivität.

Im Mai haben wir an dieser Stelle (siehe Thema des Tages vom 
20.05.2022: https://t1p.de/ulycl) auf die ersten saisonalen 
Vorhersagen zur diesjährigen Hurrikansaison geschaut. Die Saison ist 
dabei vom National Hurricane Center (NHC) der NOAA (National Oceanic 
and Atmospheric Administration) auf den Zeitraum vom 01. Juni bis 30.
November festgelegt worden. Im Juni und Juli haben sich insgesamt 
bisher drei benannte tropische Stürme gebildet (Alex, Bonnie und 
Colin). Für diesen Zeitpunkt in der Saison liegt diese Anzahl etwa im
Durchschnitt. Die erste Augusthälfte blieb bisher noch ohne benannten
Sturm. Aber wir steuern ohnehin erst auf den jahreszeitlichen 
Höhepunkt der Hurrikansaison zu. Im Allgemeinen wird die 
Spitzenaktivität erst in den Monaten von August bis Oktober, teils 
bis in den November erreicht. 

In den vorsaisonalen Prognosen wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von
65 Prozent mit einer überdurchschnittlichen Aktivität der tropischen 
Wirbelstürme im Atlantik und in der Karibik gerechnet. Sollte dies so
eintreffen, wäre 2022 das siebte Jahr in Folge mit einer 
überdurchschnittlichen Sturmaktivität. Der aktualisierte NOAA 
Prognoseausblick von Anfang August festigt die Wahrscheinlichkeit für
eine überdurchschnittliche Wirbelsturmbildung, wenngleich sie mit 
nunmehr 60 Prozent leicht zurückgeschraubt wurde, gefolgt von einer 
leicht gestiegenen 30 prozentigen Chance auf eine nahezu normale und 
einer nur 10 prozentigen Chance auf eine unterdurchschnittliche 
Saison. Dementsprechend wird in dieser Saison von 14 bis 20 benannten
Stürmen, einschließlich der drei bereits registrierten im Juni und 
Juli, ausgegangen. Von jenen sollen sich etwa 6-10 zu Hurrikanen und 
davon wiederum 3 bis 5 mit einer größeren Intensität (Kategorie 3 
oder höher) entwickeln. Die genaue Vorhersage der Anzahl, des 
Zeitpunktes sowie der Zugbahn und Stärke von Tropenstürmen und 
Hurrikanen hängt letztlich von den täglichen Wettermustern, den Orten
der Sturmentstehung und den Steuerungsmustern ab. Diese Muster sind 
Wochen oder gar Monate im Voraus nicht vorhersehbar. Es handelt sich 
daher zunächst um eine Potentialabschätzung. In einer saisonalen 
Prognose ist es daher nicht möglich zuverlässig vorherzusagen, ob ein
bestimmter Ort in dieser Saison von einem Wirbelsturm betroffen sein 
wird.

Die nur leichten Verschiebungen in den Wahrscheinlichkeitsaussagen 
zur Hurrikanaktivität zeigen, dass insgesamt die Grundzutaten für 
eine regere Aktivität im Vergleich zur Maiprognose erhalten geblieben
sind. Die gegenwärtigen atmosphärischen Bedingungen in der 
Hauptentwicklungsregion im Atlantik sind im Allgemeinen günstig für 
die Entwicklung von Hurrikanen und einige dieser Bedingungen werden 
voraussichtlich in den Monaten August bis Oktober anhalten. Die 
Hauptentwicklungsregion erstreckt sich über den tropischen Atlantik 
und das Karibische Meer. Für eine aktive Hurrikansaison spricht 
außerdem die in diesem Jahr außerordentlich überdurchschnittliche 
Aktivität des westafrikanischen Monsuns. Die dort entstehenden 
tropischen Wellen laufen in der Regel in den Ostatlantik aus. Diese 
Wellen begünstigen dann die Entwicklung von tropischen Stürmen und 
Hurrikanen.  

Auch auf den tropischen Pazifik gilt es zu schauen, um die Prognose 
der Hurrikanaktivität zu präzisieren. Die bereits vor der Saison 
aktive La Nina Phase (periodische Abkühlung des tropischen Ost- und 
Zentralpazifiks) hält mit über 60 Prozent Wahrscheinlichkeit auch in 
den nächsten drei Monaten an. Für ein Umkippen in die El Nino Phase 
besteht praktisch keine Chance. La Nina ist nicht nur förderlich für 
eine regere Sturmsaison im Atlantik, sondern erhöht auch die Chance 
für intensivere, größere Hurrikane der Kategorie 3 oder höher. So 
wird durch die La Nina Konfiguration im Atlantik in aller Regel eine 
verringerte vertikale Windscherung (Richtungs- und 
Geschwindigkeitsänderung mit der Höhe) und eine höhere Instabilität 
der Atmosphäre gefördert. Beide Bedingungen sind förderlich damit 
sich Gewitterwolken stärker zusammenballen und zu einem Wirbelsturm 
formieren können.

Ein Faktor der gegebenenfalls eher für eine normale Hurrikansaison 
sprechen könnte, ist die derzeitige Meeresoberflächentemperatur. Ab 
einer mehr als 27 Grad warmen Meeresoberfläche wird durch Verdunstung
besonders effektiv Energie und tropische Feuchtigkeit für die 
Entwicklung von tropischen Systemen bereitgestellt. Die aktuelle 
Meeresoberflächentemperatur im tropischen Atlantik und der Karibik 
liegt derzeit über 27 Grad (siehe Abbildung: https://t1p.de/k32l0). 
Damit bewegen sie sich nur leicht über dem langjährigen Durchschnitt.
In den letzten zwei Monaten waren sie phasenweise sogar leicht 
unterdurchschnittlich.  Die aktuellen Prognosen der 
Meeresoberflächentemperatur gehen für den Rest der Saison auch eher 
von Werten nahe dem Durchschnitt aus. In der Maiprognose wurde noch 
eine deutlich überdurchschnittliche Meeresoberflächentemperatur 
erwartet.

Nichtsdestotrotz ist in der Zusammenschau der beschriebenen Faktoren 
noch genügend Potential für eine aktive Hurrikansaison in den 
nächsten rund drei Monaten vorhanden. Sobald die Saison Fahrt 
aufnimmt, werden Sie sicher an dieser Stelle über besonders 
ausgeprägte oder schadensträchtige Wirbelsturmexemplare lesen können.



M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 14.08.2022

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