Thema des Tages

Ist das schon der Klimawandel? (Attributionsforschung - Teil 3)

Heute zeigen wir anhand von zwei Beispielen aus der jüngeren 
Vergangenheit, wie man mithilfe der "Attributionsforschung" 
analysieren kann, inwieweit sich Wetterextreme durch den Klimawandel 
verändern und verändert haben.

"Ist das schon der Klimawandel?" oder "Ist das eine Folge der 
Erderwärmung?" Diese Fragen haben Sie sich wahrscheinlich auch schon 
gestellt, sei es bei Wetterkatastrophen in Deutschland und der ganzen
Welt oder vielleicht sogar bei Unwettern vor Ihrer Haustür. Aber gibt
es einen Zusammenhang zwischen der globalen Erderwärmung und der 
Häufigkeit und Intensität von meteorologischen und klimatologischen 
Extremen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die sogenannte 
"Attributionsforschung", deren Vorgehensweise wir im Thema des Tages 
vom 4. August (siehe Link am Ende des Textes) erläutert haben. Kurz 
zusammengefasst lässt sich mit Attributionsstudien abschätzen, 
inwieweit der Klimawandel für das Auftreten individueller 
Wetterextreme verantwortlich ist. In diesem noch sehr jungen 
Forschungsfeld der Klimatologie vergleicht man die Ergebnisse zweier 
Klimamodell-Studien. Während bei der einen nur natürliche 
Klimaantriebe eingehen, werden bei der anderen zusätzlich vom 
Menschen verursachte Einflüsse berücksichtigt.

Heute stellen wir die wesentlichen Ergebnisse zweier 
Attributionsstudien* zu Wetterextremen der jüngeren Vergangenheit 
vor.

Als erstes Beispiel betrachten wir die extreme Hitzewelle Ende Juli 
2019 in Deutschland und Frankreich. Damals wurden in Deutschland an 
drei aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen über 40 Grad gemessen, 
am 25. Juli gegipfelt mit einem neuen Deutschlandrekord von 41,2°C 
(Tönisvorst und Duisburg-Baerl). Weitere 22 deutsche Wetterstationen 
erfassten 40°C oder mehr. Noch heißer war es in Frankreich mit 42,6°C
in Paris-Montsouris (vorheriger Rekord 40,4°C).

In der dazu durchgeführten Attributionsstudie wurde ein dreitägiger 
Tagesmittelwert betrachtet, da in diesem auch die nächtliche 
Abkühlung als wesentlicher Faktor für die gesundheitliche Belastung 
eingeht. Man fand heraus, dass unter heutigen Klimabedingungen im 
Zentrum der Hitzewelle (z.B. Frankreich) nur alle 50 bis 150 Jahre 
und in den Randlagen (z.B. Deutschland) alle 10 bis 30 Jahre mit 
einer vergleichbaren Hitze zu rechnen ist. Ohne Klimawandel wären die
erreichten Temperaturen ganze 1,5 bis 3 Grad niedriger ausgefallen! 
Zudem beschreibt die Studie, dass sich die 
Eintrittswahrscheinlichkeit für eine derartige Hitzewelle durch den 
Klimawandel etwa um den Faktor 10 erhöhte. In anderen Worten: Eine 
Hitzewelle, die in der vorindustriellen Zeit statistisch gesehen nur 
alle 100 Jahre vorkam (d.h. etwa einmal in einem Menschenleben), 
erleben wir heutzutage alle zehn Jahre und in einigen Jahrzehnten 
wohl alle drei Jahre. Mit weiter fortschreitender Erderwärmung werden
solche Hitzeperioden also höchstwahrscheinlich zur Normalität werden.
Zunehmende gesundheitliche Risken und mehr Hitzetote werden die Folge
sein.

Ähnliche Ergebnisse ergaben übrigens auch Studien zur Hitzewelle im 
Jahr 2003. Und auch bei der extremen Hitzewelle über Westeuropa vor 
wenigen Wochen zeigt eine Attributionsstudie der Universität Oxford 
am Beispiel England, dass die Erderwärmung diese (konservativ 
geschätzt!) um mindestens das Zehnfache wahrscheinlicher gemacht hat.
Am 19. Juli wurde mit 40,3°C erstmals in England die 40-Grad-Marke 
geknackt (vorheriger Landesrekord: 38,7°C). Ohne Klimawandel wären 
solche Temperaturen in England extrem unwahrscheinlich gewesen 
(bestenfalls alle 1000 bis 10000 Jahre). 

Als zweites widmen wir uns dem Starkregenereignis vom Juli 
vergangenen Jahres, das eine verheerende Flutkatastrophe an den 
Flüssen Ahr, Erft und Maas auslöste und in Deutschland und Belgien 
hunderte Todesopfer forderte. Am 13. und 14. Juli 2021 kam es in 
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Teilen von BeNeLux über 
einem recht großen Gebiet zu extremen Niederschlägen. An einigen 
Messstationen wurden die bisherigen 24-stündigen Rekordwerte deutlich
übertroffen, wobei ein Großteil des Regens sogar innerhalb von nur 
etwa 12 Stunden gefallen ist.

Man fand in einer Attributionsstudie zunächst heraus, dass unter den 
heutigen klimatischen Bedingungen in dieser und ähnlichen Regionen in
West- und Mitteleuropa durchschnittlich nur alle 400 Jahre ein 
vergleichbares Regenereignis zu erwarten ist. Verglichen mit einem 
1,2 Grad kühleren globalen Klima hat sich die Intensität eines 
Starkregenereignisses dieser Größenordnung (bezogen auf die maximale 
24-stündige Regenmenge) in der Sommersaison bereits um 3 bis 19% 
erhöht. Bei einer vergleichbaren Wetterlage in der vorindustriellen 
Zeit wäre also weniger Regen gefallen. Auch die Wahrscheinlichkeit 
für ein solches Regenereignis hat sich um den Faktor 1,2 bis 9 
erhöht. Das heißt, dass im schlimmsten Fall bereits heutzutage ein 
derartiger Starkregen durch den Klimawandel 9 Mal wahrscheinlicher 
geworden ist. Die große Spanne zeigt zwar, dass Attributionsstudien 
noch mit größeren Unsicherheiten behaftet sind, der Trend hin zu 
häufigerem Auftreten extremer Regenfälle wird daraus dennoch 
ersichtlich. Ein 2 Grad wärmeres Klima als das der vorindustriellen 
Zeit (0,8 Grad wärmer als heute) würde laut der Studie zu einer 
weiteren Verstärkung der Niederschlagsintensität um 0,8 bis 6% 
führen. Auch die Eintrittswahrscheinlichkeit nimmt nochmals um einen 
Faktor von 1,2 bis 1,4 zu. Erreicht die Erderwärmung in der Zukunft 2
Grad, werden demnach Starkregenfällen wie jene im vergangenen Jahr 
20% bis 40% wahrscheinlicher.

Und was heißt das für die Beantwortung unserer Ausgangsfragen? Nun - 
man kann von einem einzelnen Ereignis zwar nicht darauf schließen, 
dass "das der Klimawandel war". Allerdings zeigen die 
Attributionsstudien, dass sowohl die Intensität als auch die 
Häufigkeit solcher Starkregenfälle und Hitzewellen bereits heute 
zugenommen haben und wahrscheinlich weiter zunehmen werden. Es ist 
also in Zukunft öfter mit solchen und möglicherweise noch heftigeren 
Extremen zu rechnen.

* Für weitere Informationen zu Methoden und Ergebnissen der 
Attributionsstudien sind die Links zu den Publikationen am Ende des 
Textes angefügt.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 12.08.2022

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