Thema des Tages
Was ist eine Fallböe?
Bei einem Gewitter am vergangenen Freitag wurde in Bad Wurzach in
Oberschwaben das Dach einer Halle abgedeckt und ein Schaden in
Millionenhöhe verursacht. Schnell war von einem Tornado die Rede.
Nähere Untersuchungen deuten auf eine Fallböe hin. Doch was ist eine
Fallböe?
Auch wenn Unwetter diesen Sommer vergleichsweise selten sind, so
traten am Freitag im Vorfeld von einer Kaltfront besonders im Süden
dennoch einige schwere Gewitter auf. Eines davon traf am Freitagabend
Bad Wurzach in Oberschwaben. Dabei wurde ein Hallendach abgedeckt und
ein Schaden in Millionenhöhe verursacht. Schnell machte der Verdacht
eines Tornados die Runde. Nähre Untersuchungen konnten dies jedoch
nicht bestätigen. Doch ein weiteres Phänomen, das in Zusammenhang mit
schweren Gewittern steht und häufiger vorkommt als Tornados, scheint
in diesem Fall wahrscheinlicher. Die Rede ist von sogenannten
"Fallböen" (engl. Downburst).
Obwohl Fallböen ebenso starke Schäden verursachen können wie
Tornados, sind sie dennoch vielen Leuten unbekannt. Fallböen sind wie
auch Tornados meist mit schweren Gewittern verbunden, wobei auch bei
den Fallböen die stärksten Ereignisse häufig im Zusammenhang mit
rotierenden Gewitterzellen, den sogenannten "Superzellen", auftreten.
Dennoch unterscheiden sich Fallböen physikalisch wesentlich von
Tornados. Tornados sind stark rotierende Luftwirbel mit vertikaler
Drehachse, die sich aus einer Schauer- oder Gewitterwolke entwickeln
und Verbindung mit dem Boden aufnehmen. Oft sieht man dabei ausgehend
von der Gewitterwolke einen bis zum Boden reichenden auskondensierten
rotierenden Wolkentrichter oder Schlauch. Downbursts oder Fallböen
hingegen entstehen, wenn kalte Luft in einem Gewitter nach unten
fällt, auf den Boden trifft und sich dort in linearer Richtung
ausbreitet. Dabei können Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h
erreicht werden.
Doch wie genau kommt es zu dieser fallenden kalten Luft? Innerhalb
starker Gewitter bilden sich in den höheren Wolkenschichten oft
größere Hagelkörner. Haben diese eine gewisse Größe erreicht, kann
sie der Aufwind in der Gewitterwolke nicht mehr in der Wolke halten
und sie beginnen herab zu fallen. Beim Fallen gelangen die
Hagelkörner in tiefere und wärmere Luft. Sie beginnen zu schmelzen,
sobald die Lufttemperatur über den Gefrierpunkt steigt. Zum Teil
entstehen dabei Regentropfen. Fallen diese in trocknere Schichten,
setzt schnell Verdunstung ein. Dies geht umso schneller, je trockener
die Luft ist. Sowohl beim Schmelzen des Hagels, als auch bei der
Verdunstung der Regentropfen wird der Luft Energie in Form von Wärme
entzogen, wodurch sie sich abkühlt. Da nun die kalte Luft schwerer
ist, als die umgebende Warmluft, wird sie nach unten beschleunigt und
trifft dann irgendwann auf den Boden. Von weitem sieht es oft so aus,
als ob ein "Sack" aus dem Gewitter herausfällt (siehe Abbildung).
Trifft die Luft auf den Boden auf, so breitet sie sich dort
horizontal aus. In diesem Downburst hat man häufig die stärksten
Niederschläge sowie auch Hagel. In unmittelbarer Nähe sieht ein
Downburst wie eine "weiße Wand" aus, die sich rasend schnell bewegt.
Das Schadenspotenzial von Downbursts ist häufig sogar größer als das
von Tornados, da meist eine größere Fläche betroffen ist und nicht
eine schmale Schneise der Verwüstung, wie sie meist ein Tornado
hinterlässt.
Solche Sturmschäden wie in Bad Wurzach werden, genauso wie auch
Tornados und andere Unwetterbegleiterscheinungen (großer Hagel,
Blitzschäden, Schneestürme, Lawinen usw.), werden nach ihrer
Untersuchung in einer europäischen Unwetterdatenbank, der European
Severe Weather Database (ESWD (www.eswd.eu)), erfasst und der
Öffentlichkeit sowie der Forschung zur Verfügung gestellt.
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.08.2022
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