Thema des Tages

Kaltlufteinbrüche im Frühjahr - Teil 4: Wetterlagen

Nachdem sich in den vorherigen Teilen unserer Reihe vieles um 
Statistik und Rekorde gedreht hat, beleuchten wir heute mal typische 
Wetterlagen für Spätfröste und späte Schneefälle. 

Nun sind wir schon fast im August angekommen, womit es aus 
meteorologischer Sicht nicht mehr lange hin ist, bis sich die 
Hochsommerzeit dem Ende nähert. In den vergangenen Wochen mussten wir
dabei notgedrungen schon die ein oder andere (glücklicherweise meist 
kurze) Hitzewelle über uns ergehen lassen, und auch bezüglich der 
vielerorts andauernden Trockenheit wurde an dieser Stelle ja bereits 
ausreichend berichtet. Dennoch ließen die Temperaturen am gestrigen 
Donnerstagmorgen in Teilen Deutschlands doch den ein oder anderen 
sicher etwas "frösteln", der sein Fenster aus Gewohnheit in den 
Nachtstunden weit offen ließ. So wurden beispielsweise 3,5 Grad in 
Dippoldiswalde (Sachsen), 3,6 Grad in Wittingen-Vorhop 
(Niedersachsen), 4,8 Grad in Quickborn bei Hamburg 
(Schleswig-Holstein), 5,2 Grad in Kyritz (Brandenburg) und 7,0 Grad 
in Tirschenreuth-Lodermühl (Bayern) als Tiefstwerte gemessen, um nur 
einige zu nennen. Grob gesagt gab es in der gesamten Nordhälfte 
Deutschlands verbreitet Tempertaturen im einstelligen Bereich. 
Bodennah - sprich in 5 Zentimetern Höhe - gab es an exponierten 
Standorten sogar Werte bis nahe 0 Grad oder auch darunter wie an der 
Station Deutschneudorf-Brüderwiese mit -2,5 Grad. Zugegeben, eine 
wirklich exponierte Station im Erzgebirge unweit der tschechischen 
Grenze, aber dennoch bemerkenswert und eine ideale Steilvorlage für 
einen weiteren Teil unserer Serie zu Kaltlufteinbrüchen im Frühjahr. 


Dieses Mal wollen wir uns genauer anschauen, welche 
charakteristischen Wetterlagen es dafür klassischerweise braucht und 
wie besonders effektiv das vorhandene Potential für kalte 
Temperaturen und im Idealfall auch für damit einhergehende 
Niederschläge sprich Schneefälle, herausgekitzelt wird. Letztlich 
zeigt das aktuelle Beispiel, dass sich diese Wetterlagen problemlos 
auch auf die Folgejahreszeit Sommer ausdehnen lässt. 

Zunächst einmal konzentrieren wir uns auf die Temperaturen, und dabei
vor allem auf die Spätfröste. Beim Blick auf eine klassische 
Luftmassenverteilung im Frühjahr wird schnell klar, wo die kälteste 
Luft in Europa zu finden ist. Das sind je nach Schnee- und 
Eisbedeckung die Gebiete von Grönland über die Norwegische See, 
Barentssee und Nordskandinavien bis ins nördliche Sibirien, wobei 
sich gerade die Landflächen mit zunehmendem Sonnenstand schneller 
erwärmen als die vergleichsweise trägen und gut durchmischten Ozeane 
(Stichwort: Wärmekapazität). Wir brauchen also eine möglichst 
nördliche Anströmung. Da sich die Luftströme bei Tiefdruckgebieten 
auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeiger und bei 
Hochdruckgebieten entsprechend umgekehrt mit dem Uhrzeigersinn 
bewegen, führt ein Tief über Skandinavien und ein Hoch über den 
Britischen Inseln exakt zu diesem Muster. Dabei wird im Idealfall 
Kaltluft arktischen Ursprungs von der Eiskante über der Framstraße 
(Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen) angezapft und über die 
Norwegische See und Nordsee bis nach Deutschland geführt. Im Laufe 
der 2000, manchmal sogar mehr als 3000 km Strecke, die die Luftmasse 
dann nach Süden zurücklegt, kann sie sich je nach Geschwindigkeit 
mehr oder weniger zögerlich erwärmen. Dies ist in der schematisch 
dargestellten Wetterlage in der angehängten Abbildung mit der 
abnehmenden Blaufärbung der Pfeile gekennzeichnet. 

Dieses Setup an sich ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend, um 
sich des mathematischen Sprachgebrauchs zu bedienen. Gerade im 
Randbereich des Tiefs ist doch neben dem Einfließen der Kaltluft 
gerne einiges an Wind und Wolken mit im Spiel. Beides Faktoren, die 
die nächtliche Ausstrahlung hemmen und in der Regel keine Nachtfröste
zulassen. Zieht das Tief allerdings ostwärts ab, und orientiert sich 
das Hoch über den Britischen Inseln in der Folge nach Mitteleuropa, 
lösen sich die Wolken auf und der Wind lässt nach. Unter diesen 
Bedingungen kann die Luftmasse unter Abtrocknung mit tiefen 
Taupunkten in klaren windstillen Nächten ihr volles Potential 
entfalten. 

Bezüglich der Fragestellung, welche Wetterlagen sich nun für 
Schneefälle im Frühjahr verantwortlich zeichnen, ist die Beantwortung
deutlich komplexer. Die im Anhang gezeigte Lage ist für mittlere und 
höhere Mittelgebirgslagen durchaus brauchbar, da sie staubedingt an 
den Nordrändern häufig für ausreichende Niederschläge mit Entzug von 
Schmelzwärme aus der Luft sorgen, was die Schneefallgrenze nach unten
drückt (siehe dazu zum Beispiel auch Thema des Tages vom 29.11.2015).
Für viele Flachlandregionen ist aber eine südliche Westlage, wo ein 
Tief quer über Deutschland hinwegzieht und an dessen Nordflanke es 
bei geeigneter Luftmasse zu kräftigen Schneefällen kommt, 
vielversprechender. Für Ostdeutschland können gerade auch die 
seltenen Vb-Wetterlagen bis in den April hinein noch wahre 
Schneebringer sein. In Erinnerung ist vielen vielleicht noch das 
Osterfest 2018 in Mecklenburg-Vorpommern geblieben, wo Anfang April 
teilweise mehr als 30 cm Schnee lagen. 

Nach diesem kurzerhand eingeschobenen Teil über die Wetterlagen 
klären wir im fünften und letzten Teil unserer Serie aber endgültig, 
ob sich wirklich gehäuft Veränderungen oder Auffälligkeiten bei 
Kaltlufteinbrüchen im Frühjahr in den vergangenen Jahren zeigen.


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 29.07.2022

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