Thema des Tages

Die kalte Spur eines tropischen Sturms

Immer wenn ein tropischer Sturm durch die warmen Meere zieht, 
hinterlässt er eine "kalte Spur", die beim Blick auf die 
Wasseroberflächentemperaturen deutlich zu erkennen ist. Der Prozess, 
der diese Spur erzeugt, wird im heutigen Thema des Tages näher 
vorgestellt.


Es ist die Jahreszeit, in der uns in unregelmäßigen Abständen aus den
tropischen und subtropischen Regionen der Nordhemisphäre Meldungen 
von heftigen Sturmereignissen erreichen, den sogenannten "tropischen 
Stürmen".

Doch was ist der tropische Sturm nochmal für ein Naturphänomen? Kurz 
gesagt ist es ein Prozess, bei dem durch Verdunstung über den warmen 
Meeresoberflächen Energie gewonnen wird. Dabei kann der Sturm unter 
günstigen atmosphärischen Bedingungen (wie z.B. einer feuchten 
Atmosphäre oder Winden, die ihre Geschwindigkeit mit der Höhe nur 
geringfügig ändern) stetig an Intensität zulegen. In diesen 
Sturmsystemen werden weltweit mit die höchsten Windgeschwindigkeiten 
gemessen. Dabei verbleiben sie mit ihrem enormen Schadenspotential 
durch heftigen Wind, sintflutartige Regenfälle und Sturmfluten 
entweder über dem offenen Meer und gehen als sogenannter "Fischsturm"
in die Geschichtsbücher ein, oder treffen mit Urgewalt auf die 
Küstenregionen.

Bei ihrer Entwicklung kann man diese Stürme in der heutigen, 
technisch fortgeschrittenen Zeit mit Wettersatelliten hervorragend 
verfolgen. Nicht nur die hochreichenden Gewitterwolken werden 
beobachtet, die sich zu einem Gewittercluster und in der Folge zu 
einem Sturmsystem variabler Intensität organisieren, sondern auch die
Niederschläge, die die Gewitter begleiten, werden kontinuierlich von 
Satelliten aus verfolgt. Diese Informationen fließen in das 
Frühwarnsystem vor tropischen Stürmen ein. Doch Satelliten liefern 
noch weitere interessante Daten, wie zum Beispiel die 
Wasseroberflächentemperaturen, die vor einem Ereignis für die 
Intensitätsvorhersage eines tropischen Sturms von Interesse sind, 
aber auch nach einem Ereignis hervorragend dessen Spur abbilden. Der 
letzte Effekt wird als sogenanntes "upwelling" bezeichnet und 
bedeutet im Deutschen "Aufsteigen von Tiefenwasser".

Der Prozess des "upwelling" ist recht schnell erklärt, wobei wir uns 
dabei hier nur auf das "upwelling" durch tropische Stürme 
konzentrieren. Mit Blick auf die Nordhalbkugel weht der Wind in einem
tropischen Sturm zyklonal (gegen den Uhrzeigersinn). Dabei wird das 
oberflächennahe Wasser ebenfalls zyklonal verfrachtet, bevor die 
Scheinkraft "Corioliskraft" dieses Wasser zunehmend nach rechts 
abdrängt, sodass sich das Wasser vom Zentrum des Sturms entfernt. 
Damit wird das warme oberflächennahe Wasser verdrängt und durch 
aufsteigendes kälteres Wasser aus tieferen Schichten ersetzt. Dieser 
Prozess ist ein langsamer und daher benötigt man einen stationären 
oder sehr langsam ziehenden tropischen Sturm, damit das kalte 
Tiefenwasser für eine Abschwächung des tropischen Sturms sorgen kann.
Das "upwelling" geht dabei Hand in Hand mit der durch den extremen 
Wellengang und die Windgeschwindigkeiten hervorgerufenen 
Durchmischung der oberflächennahen Wassermassen, die einige dutzende 
Meter mächtig sein kann und instantan einsetzt.

Interessant wird es nun, wenn ein tropischer Sturm in ein Gebiet 
zieht, wo das kalte Tiefenwasser des vorherigen Sturms anzutreffen 
ist. In so einem Fall können sich die Bedingungen für eine 
Intensivierung des Folgesturms nicht selten deutlich verschlechtern, 
was in der Vergangenheit innerhalb der Wettervorhersagemodelle nicht 
immer erkannt wurde. Daher wurden die Vorhersagen von tropischen 
Stürmen in der Vergangenheit manchmal von plötzlichen und 
unerwarteten Intensitätsschwankungen überrascht.
Mittlerweile wird dieser Prozess jedoch in den Wettermodellen recht 
gut berücksichtigt und fließt automatisch in die Vorhersagen 
zukünftiger tropischer Systeme ein, die sich dadurch in der 
Vorhersage trotz atmosphärisch günstiger Bedingungen abschwächen 
können.

Als kleine Randnotiz sei erwähnt, dass man in der Vergangenheit 
versuchte mit dem Effekt des "upwelling" die Küsten vor tropischen 
Systemen zu schützen. "Thermal Underwater Buoyancy Exchange, kurz 
TUBE" ist eine visionäre Apparatur mit mehreren Einzelgeräten, die 
pro Minute mehr als 11 Millionen Liter Tiefseewasser an die 
Oberfläche pumpen und somit die oberflächennahen Wassertemperaturen 
verringern soll. Folglich sollten sich in der Theorie auch die an 
Land ziehenden tropischen Stürme rasch abschwächen. Ob diese Idee 
vielleicht doch noch verwirklicht wird bleibt jedoch abzuwarten.

Eine positive Folge des "upwelling" ist, dass sehr nährstoffreiches 
Tiefenwasser in die oberen Wasserschichten geführt wird, was der 
Tierwelt zu Gute kommt. Dem gegenüber steht natürlich die mehr oder 
weniger ausgeprägte Zerstörung der marinen Unterwasserwelt, die durch
Strömungen und sich brechende riesige Wellen verursacht wird. 

Im Anhang werden einige Beispiele von kalten Spuren nach dem Durchzug
der Hurrikane KATRINA, HARVEY und IRMA (in der Abbildung von links 
nach rechts) in der Karibik und/oder dem Golf von Mexiko gezeigt. Die
Spuren sind je nach Zugbahngeschwindigkeit und Intensität mehr oder 
weniger stark ausgeprägt zu erkennen. Dabei zeigt die Abbildung die 
Anomalie (Abweichung vom Normalzustand) der 
Wasseroberflächentemperatur. Im letzten Bild (rechts oben) wird 
deutlich, dass auch beständige, durch außertropische Hoch- und 
Tiefdruckgebiete angetriebene Winde die Temperaturverteilung der 
Wasseroberfläche stark beeinflussen können, was im Juli 2019 durch 
eine regionale Abkühlung entlang der nördlichen Golfküste zu erkennen
ist und ebenfalls Einfluss nehmen kann auf die Intensität tropischer 
Stürme, die an Land gehen. Das Ergebnis ähnelt doch recht gut den 
angestrebten Zielen von TUBE. Aktuell (26. Juli 2022) ist davon 
nichts zu spüren - beinahe der gesamte Golf von Mexiko weist zu hohe 
Wasseroberflächentemperaturen auf. Kein gutes Zeichen für die aktuell
laufende und bis jetzt noch verhältnismäßig ruhige Hurrikansaison.

Es bleibt abzuwarten, wann die nächste kalte Spur in dieser Saison 
erscheint. Diese verläuft dann hoffentlich fernab von jeglichem 
Land..

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 28.07.2022

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