Thema des Tages

In der arktischen Stratosphäre beginnt bereits der Marsch in Richtung
Winter.

Während Teile Europas gerade unter Hitze und Trockenheit leiden, wird
bereits ein Blick auf die allmähliche Entwicklung des
Nordhemisphärischen Stratosphärischen Polarwirbels (SPV) in Richtung
winterliche Bedingungen gewagt.

Für den Fall, dass der Sommer nicht unbedingt Ihr Ding ist, sollte so
allmählich auf die Arktis geschaut werden. Dort hat in der mittleren
und oberen Stratosphäre bereits der langsame und beschwerliche Marsch
in den Winter begonnen, indem die sommerlichen Ostwinde langsam
schwächer werden.

Jedes Jahr kühlt es im nordhemisphärischen Winter über den Polen zur
Zeit der Polarnacht viel stärker aus als in den Tropen, was zu einem
starken meridionalen Temperaturgradienten führt, der in der
Stratosphäre am stärksten ausgeprägt ist. Auf diesen großen Skalen
befindet sich die Änderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe (oder
auch vertikale Windscherung genannt) in einem Gleichgewicht mit dem
Temperaturgradienten. So wird die kalte Stratosphärenluft über dem
Winterpol von einem Gürtel starker polumlaufender Westwinde (dem so
genannten Polar Night Jetstream) umschlossen. Dieser Jetstream und
die kalte Luft, die er umgibt, formieren zusammen den
Stratosphärischen Polarwirbel.

Die Stärke des Polarwirbels wird häufig anhand der zonal gemittelten
zonalen Winde (d. h. der durchschnittlichen zirkumpolaren
Windgeschwindigkeit auf einem definierten Breitengrad, hier 60°N) auf
10hPa (in ca. 30 km Höhe) diagnostiziert. Gemäß dieser Definition
bildet sich der arktische Wirbel im Durchschnitt in der letzten
Augustwoche heraus (allmählicher Wechsel auf Westwinde), erreicht
seine größte Stärke im Januar und löst sich meist im April, manchmal
aber auch erst Anfang Mai auf (Wechsel auf Ostwinde). In den
Sommermonaten weist die Stratosphäre dann östliche Winde auf. In der
beigefügten Grafik wird die Prognose des zonal gemittelten zonalen
Windes aufgezeigt (EZMWF, Stand 18.07.2022). Dort erkannt man die
oben angesprochene Windumkehr auf westliche Winde etwa Anfang
September.

Wenn der stratosphärische Wirbel im Winterhalbjahr stark ausgeprägt
ist, wird kalte Luft tendenziell über der Arktis eingeschlossen.
Gebiete wie die Britischen Inseln sind dann oft stürmisch und nass,
da der starke Jetstream die Entwicklung von kräftigen
Tiefdruckgebieten z.B. im Nordatlantik fördert. Wenn der Polarwirbel
hingegen schwach ist, wird der Jetstream in der Troposphäre
tendenziell schwächer, so dass kalte Luft aus der Arktis regional in
die mittleren Breiten ausfließen kann. Diese beiden unterschiedlichen
Muster sind als positive und negative Phasen der Arktischen
Oszillation (AO und der eng damit verbundenen Nordatlantischen
Oszillation, NAO) bekannt.

Eine extreme Schwächung des Stratosphärenwirbels wird als plötzliche
Erwärmung der Stratosphäre (SSW) bezeichnet, so genannt wegen des
raschen Temperaturanstiegs in der polaren Stratosphäre (ca. 50 Grad
Celsius in wenigen Tagen). Mit dem raschen Temperaturanstieg geht
eine deutliche Abschwächung des zonal gemittelten zonalen Windes
einher, bei einem Major-SSW erfolgt sogar eine komplette Windumkehr
auf östliche zonal gemittelte Winde bei 10hPa und 60°N). Major-SSWs
treten in der Arktis im langjährigen Mittel etwa in zwei von drei
Wintern auf.

Der stratosphärische Polarwirbel ist jedoch nur einer von mehreren
Faktoren, die die troposphärischen Wettermuster im Winter
beeinflussen können. Die kausalen Zusammenhänge, wann und warum die
Troposphäre stärker auf bestimmte stratosphärische Veränderungen
reagiert, ist ein aktuelles und spannendes Forschungsthema.

In diesem Sinne beginnt nun bald schon wieder das arktische Chasen
bezüglich Zustand und Entwicklung des Stratosphärischen Polarwirbels
und damit verbunden natürlich auch die Frage, was wir denn hier in
Mitteleuropa für einen Winter bekommen könnten.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.07.2022

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