Thema des Tages

Überdurchschnittlich warmes Mittelmeer

Urlaub, Strand und Meer gehören für viele untrennbar zusammen. Dabei
interessiert nicht nur die Temperatur der Luft, sondern auch jene des
Wassers. Diesbezüglich wird heute das Mittelmeer genauer unter die
Lupe genommen.

Jede Menge Urlauberinnen und Urlauber werden sich auch diesen Sommer
wieder an den Stränden des Mittelmeers tummeln. Je nach persönlichen
Vorlieben gehören dabei Ausflüge an das oder ins Meer zum fixen
Tagesprogramm dazu. Dabei fällt wohl oft der Satz „zum Abkühlen gehe
ich mal kurz ins Wasser“. Betrachtet man nun die aktuellen Meldungen
der Wassertemperaturen, zeigt sich, dass dabei die Abkühlung durch
das Meerwasser nur relativ gering ausfallen wird. Im westlichen
Mittelmeerraum werden derzeit beispielsweise Werte zwischen 23 und 26
Grad gemeldet, nur im Bereich der Straße von Gibraltar ist das
Meerwasser durch Zuflusseffekte aus dem Atlantik etwas weniger warm.
Blickt man in den zentralen Bereich des Mittelmeeres, muss man Werte
von weniger als 25 Grad bereits mit der Lupe suchen, von der Adria
werden stellenweise bis 28 Grad gemeldet, im Umfeld der Ferieninsel
Djerba gar um 29 Grad. In den Gewässern von Griechenland und der
Türkei sind es ebenfalls meist mehr als 25 Grad.

Vergleicht man diese Wassertemperaturen nun mit den Maximalwerten der
Lufttemperatur von gestern (Donnerstag, 07.07.2022), zeigt sich, dass
die Unterschiede zwischen Wasser und Luft regional gar nicht mehr so
groß sind. Die Tageshöchstwerte bewegen sich beispielsweise zwischen
27 und 35 Grad entlang der Küsten des westlichen Mittelmeers, teils
über 35 Grad im italienischen und adriatischen Bereich sowie bis 34
Grad in den östlichen Regionen. Der abkühlende Effekt erfolgt demnach
nicht unbedingt mit dem Betreten des Wassers, sondern vielmehr erst
beim Verlassen des Meeres. Dabei wird nämlich durch das Verdunsten
des Wassers auf der Haut dieser Wärme entzogen.

Auch wenn hohe Wassertemperaturen von vielen erwünscht sind, muss man
diese mit einem kritischen Auge betrachten. Zur wissenschaftlichen
Analyse eignen sich aber weniger die Punktmessungen aus den
Küstengebieten, sondern viel mehr die in der Fläche ermittelbaren
Meeresoberflächentemperaturen (engl.: sea surface temperature, SST).
Deren Messung erfolgt einerseits durch vor-Ort-Messungen mittels
Bojen oder Schiffen, andererseits und zunehmend mittels Fernerkundung
durch Wettersatelliten. Je nach Messmethode werden dabei Bereiche
zwischen wenigen Millimetern und mehreren Metern unter der
Meeresoberfläche in die Messung einbezogen. Diese Daten gehen
natürlich auch in die Wettermodelle ein, denn die Interaktion der
Meeresoberfläche mit der darüber liegenden Atmosphäre ist ein
entscheidender Austauschprozess. Das bekannteste Beispiel für den
Einfluss der Meeresoberflächentemperatur ist beispielsweise die
Entstehung von tropischen Stürmen (mindestens 26,5 Grad).

Die aktuell ermittelten bzw. simulierten Werte für das Mittelmeer
zeigen besonders in den mittleren Seegebieten fast flächendeckend
mehr als 27 Grad, teils mit Maxima um 30 Grad. Solche Temperaturen
werden auch im östlichsten Bereich erreicht, sonst sind es ein paar
Grad weniger. Viel interessanter als die Absolutwerte sind aber die
Anomalien zu den im Mittel erwarteten Wassertemperaturen. Dabei
zeigen sich nach Analysen des ECMWF (Europäisches Zentrum für
mittelfristige Wettervorhersage) Abweichungen von mehr als 3,5 bis
4,5 Grad in den Regionen zwischen der oberen Adria, dem Golf von
Genua und der Großen Syrte. In den östlicheren und westlichen
Mittelmeergebieten sind die Abweichungen etwas geringer, mit Ausnahme
der Ägäis aber immer noch positiv. Dabei gilt es aber zu beachten,
dass die SST ein durchaus schwankender Wert ist. Je nach Einfluss der
Atmosphäre durch Wind, Temperatur und Niederschlag können sich diese
Werte auch relativ schnell ändern. Treten diese Anomalien über einen
längeren Zeitraum auf, sind Auswirkungen auf die Ökologie des Meeres
aber wahrscheinlich.

Beim Betrachten der Temperaturanomalien fällt aber noch eine weitere
europäische Region mit starken Abweichungen auf: die Ostsee. Dort
gibt es aktuell Anomalien von 6 bis 8 Grad ? extrem hohe Werte. Diese
gehen maßgeblich auf die heißen Tage in dieser Region zum
Monatswechsel zurück, teils wurden in Finnland neue Tagesrekorde
erreicht. Diese hohe Anomalie baut sich zwar im Laufe der kommenden
Wochen voraussichtlich wieder etwas ab, bleibt aber über längere Zeit
positiv. Kommt es allerdings zu einer erneuten Hitzewelle in diesen
Regionen, kann dies durchaus Auswirkungen bis weit in den Herbst
hinein haben.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.07.2022

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der „Themen des Tages“
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon