Thema des Tages

Des einen Freud, des anderen Leid: Die Angst vor Wetter

„Es gibt nichts, was es nicht gibt“, „Kaum zu glauben, aber wahr“,
„Klingt komisch, is‘ aber so“,? Viele Sprichwörter fallen einem
unwillkürlich ein, wenn es um das heutige Thema geht.

Ein tosendes Gewitter, aufs Dachfenster prasselnde Regentropfen,
Wolken in unterschiedlichsten Formationen, vom Himmel rieselnde
Schneeflocken? – all das lässt so manch Meteorologenherz
höherschlagen und sorgt vermutlich auch bei vielen anderen
„Wetterfans“ für Begeisterung.

Doch nicht alle Menschen teilen diese Faszination und Leidenschaft
fürs Wetter, bei manchen kann es vielmehr ein negatives Gefühl
auslösen: Angst. Die Angst vor Gewittern (im Fachjargon Astraphobie
genannt) ist vielleicht diejenige, die man als nicht betroffene
Person noch am besten nachvollziehen kann. Tatsächlich gibt es aber
einige weitere Phobien, die zugegebenermaßen (vor allem für
Wetterfans) ziemlich skurril klingen: Neben der Angst vor Wind
(Anemophobie) gibt es die Angst vor Wolken (Nephophobie) oder Nebel
(Nebulaphobie). Bei anderen bezieht sich die Angst hinegegen auf
Regen (Ombrophobie) oder Schnee (Chionophobie).

All diese Phobien zählen zu den sogenannten spezifischen/isolierten
Phobien, die nach der internationalen Klassifikation zur
Verschlüsselung von Diagnosen ICD-10 (International Statistical
Classification of Diseases and Related Health Problems, die Codes die
meist auf einem Arztrezept stehen) folgendermaßen definiert sind:

„Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von
bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene
Räume, (?) Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder
Verletzungen beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng
begrenzt ist, kann sie Panikzustände (?) hervorrufen.“ (F40.2)

Es handelt sich also um objekt- oder situationsbezogene Ängste, von
denen es unzählige gibt. Allgemein geläufig sind zum Beispiel die
Angst vor Spinnen, mit dem Flugzeug zu fliegen, oder auch Höhenangst.
Und während die einen schwitzige Hände, Herzrasen oder Panickattacken
beim Anblick einer Spinne bekommen, haben andere diese Symptome beim
Erblicken von Wolken („Nephophobie“ kommt übrigens aus dem
griechischen: nepho = Wolke, wolkig und phobia = Furcht).

Die Ursache von spezifischen Phobien liegt der Chefärztin Dr. Peggy
Guler-Stützer zufolge vielfach in der Kindheit, sie könnten sich aber
auch im Erwachsenenalter bilden. Sehr häufig seien frühere
Erfahrungen und Erlebnisse Auslöser. Wenn zum Beispiel das
Lieblingsspielzeug eines Kleinkinds in den Schnee fällt und nicht
mehr zu sehen ist oder zufällig das Zahnen zeitgleich mit Schneefall
einhergeht, kann sich daraus eine Angst vor Schnee entwickeln. Aber
auch wenn jemand ein Lawinenunglück überlebt hat, ist eine
nachfolgende Angstreaktion auf Schnee, eine Chionophobie, möglich.

Während all das für die meisten vermutlich ziemlich seltsam klingt
und „Nephophobie“ gedanklich höchstens in der Schublade „unnützes
Wissen“ landet, sind die Betroffenen – vor allem in unseren
wettertechnisch abwechslungsreichen Breitengraden – alles andere als
zu beneiden. (Findet zumindest die Autorin, die sich beim Schreiben
des Textes an rasch quellenden Cumuluswölkchen erfreute?)

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.05.2022

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