Thema des Tages

Ufos und Rüssel

In den Vereinigten Staaten ist die Gewitter- und Tornadosaison
gestartet. Dementsprechend aktiv ist bereits die
Stormchaser-Community. Deren Fantasie kennt auch bei der Namensgebung
für ihre Fotomotive keine Grenzen.

Es gibt nur wenige Regionen auf der Erde, in denen sich ausgeprägte
Gewittersysteme in Gestalt von formvollendeten Superzellen mit allen
nur denkbaren Begleiterscheinungen so gut beobachten und studieren
lassen wie im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die flache und nur spärlich bewachsene Graslandschaft der dortigen
Prärielandschaft eignet sich besonders gut für einen störungsfreien
Blick über die weiten Ebenen hinweg auf die darüber hinwegziehenden
Gewitter.
In der Regel beginnt die Saison im Süden der USA Ende April, wenn
sich die Wassermassen im Golf von Mexiko soweit erwärmt haben, dass
sich die Luft entsprechend erwärmen und mit Feuchte anreichern kann,
um anschließend nordwärts ins Landesinnere zu ziehen.
Dort kann sich die Energie der Luftmasse in Form von schweren
Gewittern entsprechend „entladen“.
Im Mittleren Westen der USA ist dies besonders gut möglich, da dies
dort quasi störungsfrei über die Bühne geht.
Von Ost nach West verlaufende Gebirge, die das Wettergeschehen in
irgendeiner Art und Weise beeinflussen, wie es in Europa zum Beispiel
die Alpen tun, sind dort Fehlanzeige.

Diese Störungsfreiheit ist unter anderem dafür verantwortlich, dass
sich oft sehr gute Scherungsbedingungen einstellen.
Das heißt, dass die nötigen Winde für die Entstehung von Superzellen
aus unterschiedlichen Richtungen und Geschwindigkeiten wehen können,
ohne von Hindernissen aufgehalten oder beeinflusst zu werden.
Diese guten Scherungsbedingungen sind schließlich dafür
verantwortlich, dass dort solche ausgeprägten Mesozyklonen – also
rotierende Gewitterzellen – und schließlich auch Tornados entstehen
können.

Aus diesem Grund ist der Mittlere Westen im Spätfrühling bzw.
Frühsommer auch der Hauptanlaufpunkt für zahlreiche Stormchaser auf
der Jagd nach den besten Fotomotiven und Filmaufnahmen.
Dabei pflegt die Stormchaser-Community auch ihren eigenen Slang, um
die Phänomene einer Gewitterzelle oder einer Gewitterlage zu
beschreiben.
So wird zum Beispiel der freistehende Aufwindturm aufgrund seiner
runden Struktur als „Ufo“ bezeichnet.
Ein Tornado wird schnell mal zum Rüssel.
Auch gerne benutzt wird der Begriff „Tail End Charlie“ für die
südlichste oder letzte Zelle entlang einer Gewitterlinie.
Eine – zugegeben – vielleicht etwas martialische Metapher, entstammt
dieser Begriff doch aus der Zeit des zweiten Weltkriegs…

Man darf gespannt sein, was die diesjährige Gewittersaison zu bieten
hat.
Einige vielversprechende Ansätze gab es bereits in den letzten Tagen
und Wochen.
Leicht fündig wird man auf der Suche nach entsprechendem Bildmaterial
in den sozialen Medien.
Facebook, Twitter, Instagram und Co. liefern einen schönen
Rundumschlag über alles, was „über dem Teich“ geschieht.
Und es ist mitunter ziemlich beeindruckend, was so mancher
Stormchaser Jahr für Jahr auf die Beine stellt.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.04.2022

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der „Themen des Tages“
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon