Thema des Tages

Kaltlufteinbrüche im Frühjahr – Teil 1: Später Schnee

Wir widmen uns in einer neuen Serie dem Thema Kaltlufteinbrüche im
Frühjahr zu und beleuchten zum Auftakt einige Hintergründe rund um
das Auftreten des spätesten Schnees.

In den vergangenen Tagen wurde in dieser Rubrik ja bereits (mehrfach)
auf den bevorstehenden späten Wintereinbruch hingewiesen. Nun neigt
sich das „Wintermezzo“ langsam dem Ende entgegen. Letzte Schneefälle
klingen im Tagesverlauf an den Alpen langsam ab und die Schneetiefs
Jana und Lotte südlich der Alpen lösen sich endgültig auf. Die
Schneehöhen heute Morgen konnten sich aber nochmals sehen lassen mit
beispielsweise 27 cm in Niederstetten (auf rund 450m,
Baden-Württemberg) oder auch knapp 10 cm in Augsburg und München.
Dabei galt wie zuvor schon in der Mitte und im Norden des Landes,
dass auf Wegen und Straßen teilweise so gut wie gar nix liegen
geblieben ist.

Dieses Phänomen ist bereits in den ersten Februarwochen vermehrt
sichtbar und verstärkt sich im Laufe des Frühjahrs mit höherem
Sonnenstand entsprechend weiter. Trotz vielerorts kompakter
Bewölkung, reicht die durchdringende diffuse Einstrahlung aus, um
dunkle Asphalt- und Betonflächen rasch zu erwärmen. Zudem war die
eingeflossene Kaltluft insbesondere nach Abzug der Niederschläge sehr
trocken, so dass der vorhandene Schnee förmlich unter den Schlitten
der herumtollenden Kinder „verschwand“ – also nicht nur schmolz
(Änderung des Aggregatzustandes von fest zu flüssig), sondern gar
sublimierte (fest zu gasförmig). Dementsprechend war der Spuk ganz im
Sinne der Sommerliebhaber und fluchenden Autofahrer schnell wieder
vorbei. Gerade wo sich aber nach einige Schneereste halten konnten
(schattige Wiesen und Wälder, Tallagen, Nordhänge), wurde es in der
vergangenen Nacht bitterkalt mit teils strengem Frost. So meldete
beispielsweise Wernigerode eine Tiefsttemperatur von -10,5 Grad.
Ähnliche Größenordnungen sind in der kommenden Nacht zum Montag auch
im Süden des Landes zu erwarten.

Im privaten Kreis, aber auch bei den Medien kommt in diesem
Zusammenhang schnell die Frage auf: Ist das noch normal? Sind das
vielleicht sogar Rekorde? Aus dem Nähkästchen geplaudert kann ich
Ihnen sagen, dass darüber natürlich auch in der Kollegenschaft
umgehend debattiert wird. Die Meinungen sind allerdings vielfach
durch einprägsame – um nicht zu sagen – einschneidende Erlebnisse in
Kindheitstagen mitunter subjektiv verzerrt. Es herrscht jedoch
genereller (subjektiver) Konsens, dass die Neigung zu späten
Kaltlufteinbrüchen im Frühjahr (egal ob mit oder ohne Schnee) in den
vergangenen Jahren zugenommen haben. Oder täuscht dieser Eindruck
etwa, weil die Winter generell milder geworden sind? Spielt uns unser
Bewusstsein einen Streich, wenn bereits früh im Jahr T-Shirt
taugliche Temperaturen (wie jüngst erst vor rund einer Woche in
weiten Landesteilen) erreicht werden, die einen „Rückfall“ umso
empfindlicher erscheinen lassen? Dieser Frage wollen wir in einem
Mehrteiler in den kommenden Wochen einmal genauer auf den Grund
gehen, der sich rund um Kaltlufteinbrüche im Frühjahr drehen wird.

Den Auftakt bildet das Thema „später Schnee“. Untersuchen wir im
ersten Schritt doch erst einmal, wann deutschlandweit die Rekorde für
den am spätesten gefallenen und auch liegengeblieben Schnee
beobachtet wurden. Dabei spielt die Schneehöhe an sich zunächst noch
keine Rolle. Erfasst wird lediglich, wenn es sich um eine Schneehöhe
echt größer 0 cm handelt. Zudem darf nicht unerwähnt bleiben, dass
der Datenbasis vor allem die Erfassung der Schneehöhe um 06 UTC am
Morgen zu Grunde liegt. Ist Schnee mal kurzzeitig zwischen 07 und 08
UTC vorhanden gewesen, flutscht dieser in der Statistik durch. Aus
genannten Gründen im oberen Absatz (Stichwort: Globalstrahlung) sind
Schneeakkumulationen tagsüber aber im späten Frühjahr zunehmend
unwahrscheinlich und in der Mehrzahl auf die Nachtstunden beschränkt.

Die Daten sind in der beiliegenden Grafik auf der Deutschlandkarte
eingetragen. Schnell wird klar: Eine Schneedecke Anfang April ist bei
Weitem nicht ungewöhnlich (Die Schneehöhen waren es aber sehr wohl,
mehr dazu in den weiteren Teilen dieser Reihe). Teilweise wurde im
vergangenen Jahrhundert, aber selbst auch in jüngerer Vergangenheit
noch Wochen später einen nennenswerte Schneehöhe gemessen. Im Mittel
sprechen wir dabei von einem Zeitraum von der letzten Aprildekade bis
zur ersten Maidekade. Je nach Höhenlage verschiebt sich dieser
Zeitraum entsprechend nach hinten. Auf dem Hohenpeißenberg (auf knapp
1000 m, Bayern) beispielsweise liegt der absolute Rekord für die
späteste Schneedecke erst am 03. Juni, gemessen im Jahr 1962.
Grundsätzlich ist die zeitliche und räumliche Variabilität aber sehr
hoch und ein Einzelereignis kann sämtliche Rekorde ins Wanken
bringen. So war exemplarisch Ende April 1985 so ein „Event“, woraus
die Rekorde in Essen, Stuttgart und Freiburg resultieren. Nebenbei
bemerkt war die Wetterlage damals recht ähnlich zum aktuellen
„Schneebringer“.

Unbestritten ist der Zusammenhang, der die Statistik zugleich auch
„verwässert“: Je länger die Zeitreihe ist, sprich je weiter sie auch
in die Vergangenheit zurückreicht, desto später sind entsprechend die
Rekorddaten gelagert. Ein Schneefallereignis am 11.05.1897 auf Husum
wirkt heutzutage tatsächlich „wie aus einer anderen Zeit“.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.04.2022

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