Thema des Tages

Einer geht noch?

Am heutigen Sonntag steuern wir auf einen neuen Höhepunkt der
laufenden Sturmlage zu. Das nächste Orkantief ist über dem
Nordatlantik im Anmarsch und sorgt für einen weiteren stürmischen
Abschnitt. Besonders turbulent wird es an einer markanten Kaltfront
in der Nacht zum Montag.

Nach dem Sturm ist bekanntlich vor dem nächsten Sturm oder ein Sturm-
bzw. Orkantief jagt das nächste. So oder so ähnlich kann man wohl die
zweite Hälfte der heute zu Ende gehenden Woche zusammenfassen. Den
Auftakt machte Orkantief YLENIA, das am Donnerstag aufhorchen ließ.
Verbreitet wurden insbesondere entlang einer Kaltfront und einem
nachschwenkenden Bodentrog schwere Sturm- bis Orkanböen gemessen (wir
berichteten im Thema des Tages am 17.02.2022: https://t1p.de/3ciq ).
Als wäre das nicht genug gewesen, schlug schon am Freitag Orkantief
ZEYNEP vom Atlantik kommend auf den Britischen Inseln auf und zog bis
zum Samstagmorgen rasch ins Baltikum. Dessen Sturmfeld erfasste
erneut Deutschland und brachte vor allem in der Nordhälfte vielfach
Orkanböen um oder über 120 km/h. Hierzulande wurden wohl historische
Rekorde nach einer ersten Sichtung kaum übertroffen (siehe Thema des
Tages vom gestrigen 19.02.2022: https://t1p.de/29ar).
Nichtsdestotrotz sorgten beide Ereignisse für einige Behinderungen
durch umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände oder beschädigte
Gebäude. ZEYNEP forderte zudem in Deutschland leider auch drei
Menschenleben.

War’s das nun endlich mit Sturm bei uns? – Wer bereits einen Blick
auf unsere Warnkarte geworfen hat, wird feststellen: Mitnichten! Auch
am heutigen Sonntag und morgigen Montag wird es erneut stürmisch.
Doch der Reihe nach.

Alles auf Anfang – zumindest was die alphabetische Benennung des neu
folgenden Orkantiefs betrifft. Ein Tief namens ANTONIA zieht bis
heute Abend vom Nordatlantik ins Seegebiet nördlich von Schottland.
Die korrespondierende Warmfront breitet sich in diesen Stunden schon
von West nach Ost unser Land aus und beschert einen ziemlich
verregneten Sonntag. Vor allem in den West- und Nordweststaulagen der
nördlichen bis zentralen Mittelgebirge schüttet es bis Montag sogar
ergiebiger, sodass bis in den Montag hinein bereits Warnungen vor
Dauerregen laufen. Nur ganz im Süden bleibt es wohl tagsüber noch
trocken, sonst ist das ganze wohl eher Marke „Couchwetter“ statt
„Sonntagsspaziergang“. Mit der übergreifenden Warmfront kommt auch
kräftige Warmluftadvektion über Südskandinavien und Mitteleuropa auf.
Im Zusammenspiel mit positiver Vorticityadvektion (für Erklärungen
sie auch Thema des Tages vom 11.09.2020: https://t1p.de/fjd4) wird
über dem Skagerrak östlich des eigentlich Kernbereichs von ANTONIA
kräftiger Druckfall induziert, sodass sich dort rasch ein Teiltief
bildet.

Was heißt das nun konkret für den Wind? Die Drängung der Isobaren
(der Linien gleichen Luftdrucks) über Deutschland nimmt wieder zu und
dementsprechend frischt auch der Wind wieder auf. Tagsüber werden –
mit Ausnahme des Nordostens – starke bis zeitweise stürmische Böen
(55 bis 70 km/h), im Bergland bei stabiler Schichtung (geringe
Temperaturabnahme mit der Höhe) verbreitet Sturmböen oder schwere
Sturmböen (80 bis 100 km/h), in den exponierten Gipfellagen zunehmend
wieder orkanartige Böen oder Orkanböen (zwischen 100 und 130 km/h)
erreicht.

Die Teiltiefbildung über dem Skagerrak hat auch noch einen anderen
Effekt. Sie beschleunigt die Kaltfront ANTONIAs, die am späten Abend
auf den Nordwesten Deutschlands übergreift und bis zum Montagmorgen
den Südosten des Landes erreicht. Mit Passage der Kaltfront legt der
Wind in deren Umfeld vorübergehend noch einmal einen Zahn zu. Sturm-
und schwere Sturmböen zwischen 80 bis 100 km/h sind im Bereich der
von Nordwest nach Südost ziehenden Kaltfront zu erwarten. Zudem kann
es entlang der Kaltfront zu schauerartigen Verstärkungen und
einzelnen Gewittern kommen. Dann besteht vereinzelt auch
Unwettergefahr durch orkanartige Böen bis 115 km/h. Diese Entwicklung
wird auch von der aktuellen Böenvorhersage des hochaufgelösten
ICON-D2 Modells unterstützt (siehe beigefügte Abbildungen für die
Zeitpunkte 01 und 07 Uhr für Montagnacht). Es ist somit wieder
Vorsicht geboten! Herabfallende Äste, umherfliegende Gegenstände oder
umstürzende Bäume (welche durch die vorangegangenen Sturmereignisse
bereits geschwächt sind) können zur Gefahr werden und örtlich zu
neuerlichen Einschränkungen im morgendlichen Berufsverkehr führen.

Der Montag selbst – nun ja – er bleibt stürmisch. Nachdem sich die
Kaltfront am Morgen nach Österreich verabschiedet und das
obengenannte Teiltief als eigenständiges kräftiges Tief ins Baltikum
zieht, nimmt der Wind nur vorübergehend etwas ab. Denn nachfolgend
quert das ursprüngliche Tief ANTONIA von der Nordsee kommend nun in
Form eines Bodentrogs die Nordhälfte des Landes. In den mittleren und
südlichen Landesteilen muss man sich dann wieder vermehrt auf
Sturmböen, in exponierten Lagen auch auf schwere Sturmböen
einrichten.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.02.2022

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