Thema des Tages

Blizzard-ähnliche Zustände im Nordosten der USA

Brisante Wetterlage im Nordosten der USA: In den kommenden Tagen wird
dort einiges an Wind und Neuschnee erwartet.

Während sich das Wetter hierzulande im Einflussbereich des
umfangreichen Hochs CARLOS eher von seiner ruhigen Seite zeigt, geht
es in den kommenden Tagen im Nordosten der USA und Kanadas deutlich
„ruppiger“ zur Sache. Zwar schrammen am kommenden Samstag kräftige
Regen- und Schneefälle samt Orkanböen noch östlich an Quebec im Osten
Kanadas vorbei und betreffen eher die dünn besiedelten Regionen von
New Brunswick und Labrador, doch das wird sich zum Wochenwechsel
ändern.

So entwickelt sich in guter Modellübereinstimmung im Laufe des
Sonntags im Raum Louisiana ein kräftiges Tiefdruckgebiet, dessen
Kerndruck sich binnen 48 Stunden von rund 1015 hPa auf unter 990 hPa
vertieft. Das erfüllt zwar per definitionem noch nicht den Tatbestand
einer rapiden Zyklogenese (24 hPa Druckfall binnen 24 Stunden, siehe
zum Beispiel Thema des Tages vom 07.01.2018), ist aber dennoch
insofern bemerkenswert, als dass die „ultimativen“ Luftmassen noch
gar nicht aufeinandertreffen. Luftmassengegensätze sind der
wesentliche Antrieb für die Entstehung von Tiefdruckgebieten. Die
Atmosphäre ist bestrebt, die gegensätzlichen Temperaturen zwischen
Pol und Äquator ständig auszugleichen, wozu die Tiefdruckwirbel durch
den Transport warmer Luftmassen polwärts und kalter Luftmassen
Richtung Äquator einen wesentlichen Beitrag leisten. Wenn zudem noch
ein starkes Ausströmen in der Höhe überlagert ist, wodurch eine Art
Sog am Boden entsteht, setzt starker Druckfall ein – ein neues Tief
entsteht. In diesem Fall ist ein kleinräumiges Höhentief und sehr
warme Luft über dem Golf von Mexiko förderlich. Arktische Kaltluft
dringt aber zunächst nur über Umwege bis in den Mittleren Westen der
USA vor und hat sich bis dahin auch ordentlich erwärmt. Die
Luftmassengegensätze halten sich folglich zunächst noch in Grenzen.

Nachdem das Tief im Laufe des Sonntags über Alabama und Georgia
hinwegzieht und fortan allmählich einen nordöstlichen Kurs
einschlägt, kommt es dort schon zu ersten kräftigeren Schnee- und
Regenfällen, über Florida neben teils kräftigen Gewittern auch zu
Sturmböen. Ein entscheidender Schritt zur weiteren Vertiefung setzt
allerdings erst im Laufe des Sonntags ein, wenn das Tief entlang der
Ostküste der USA nordwärts zieht. Nun wird auf dessen Rückseite mit
nordwestlichen Winden Polarluft aus Kanada angezapft. Diese hatte
sich in abgeschwächter Form bereits vor wenigen Tagen bis in den
Nordosten der USA durchgesetzt. Beispielhaft dafür die Tiefstwerte
von New York (Kennedy Airport) der letzten Tage:
Mo, 10.01.: -2,8 Grad
Di, 11.01.: -8,9 Grad
Mi, 12.01.: -10,0 Grad
Do, 13.01.: -2,2 Grad

Dadurch wird nun nochmal einiges an Potential aus dem Tief, das
mittlerweile auf den Bundesstaat Virginia zusteuert, freigelegt. So
stehen der Region zwischen Virginia, Pennsylvania bis zum Erie- und
Ontariosee Blizzard-ähnliche Zustände bevor. Doch was bedeutet das
überhaupt? Als Blizzard bezeichnet man einen starken Schneesturm in
Nordamerika, der in vielen Fällen das öffentliche Leben als Folge von
Stromausfällen, Schäden an der Infrastruktur und teils meterhoher
Schneeverwehungen in den betroffenen Regionen vorübergehend lahmlegt.
Allerdings wird der Begriff mittlerweile nicht nur in Nordamerika,
sondern auch in anderen Teilen der Welt verwendet. Nach Definition
des US-Amerikanischen Wetterdienstes müssen folgende Bedingungen
mindestens 3 Stunden erfüllt sein:

  • Windgeschwindigkeiten von wenigstens 56,3 km/h (35 Meilen/Stunde,
    Bft 7)
  • heftiger Schneefall und/oder aufgewirbelter Schnee (Schneetreiben)
  • Sichtweiten unter 400 m (1/4 Meile)

Weitergehende Informationen finden Sie auch im DWD Wetterlexikon
unter:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=100310&lv3=100450

Verbreitet werden die Kriterien wahrscheinlich nicht erreicht, dafür
fehlt es in der Summe sowohl etwas an Wind (Böen meist zwischen 40
und 50 km/h) als auch an Schneefallintensität. Lokal – gerade
zwischen Washington und Buffalo – können die Schwellen für wenigstens
6 Stunden aber schon erfüllt sein, weshalb es der Begriff
„Blizzard-ähnliche Zustände“ wohl am besten beschreibt. In der
beigefügten Grafik (auch separat abrufbar unter:
https://bit.ly/3I5zOh2) sieht man, dass in dem genannten Gebiet laut
des ICON-Vorhersagemodells lokal durchaus 20-30 Zentimeter Neuschnee
bis Montagmittag zu erwarten sind. Dazu existieren bereits
Vorabinformationen des US-Amerikanischen Wetterdienstes. Die
Küstenstädte Washington, New York und Boston kommen voraussichtlich
glimpflich davon, da sie noch sehr lange vorderseitig des Tiefs in
einer milden südlichen Strömung verbleiben mit deutlich positiven
Temperaturen und kräftigen Regenfällen. Wenn die kanadische Kaltluft
im Laufe des Montags einsickert, klingen die Niederschläge auch schon
wieder ab.

Apropos Kanada, zur Erinnerung: Nach dem Hitzerekord mit knapp 50
Grad aus dem vergangenen Sommer 2021 und einer weiteren Höchstmarke
von 22,5 Grad im Westen Kanadas Anfang Dezember, kam erst kürzlich
vor dem Jahreswechsel die Region im Northwest Territory in die
Schlagzeilen, wo an der Station Rabbit Kettle Tiefstwerte unter -51
Grad gemessen wurden. Ein neuer Kälterekord in Kanada. Allesamt
Werte, von denen wir hierzulande weit entfernt sind. An den
Höchstwerten, die meist zwischen 2 und 8 Grad liegen, wird sich
vorerst kaum etwas ändern. In den Nächten gibt es vor allem in der
Südhälfte vielfach leichten Frost. Naja, zugegeben, es müssen ja
nicht gleich -50 Grad sein, aber ein bisschen mehr „Nachschlag“ darf
es nach Meinung vieler Winterfans hierzulande schon noch geben.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.01.2022

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon