Thema des Tages

Saure Suppen

Gewitter bringen Suppen zum „umkippen“. Wahrheit oder Mythos?

Über die Feiertage lautet bei vielen das Motto aus kulinarischer
Sicht: Zum Feste nur das Beste! Aber auch Tradition spielt eine
wichtige Rolle. So landete laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage
am gestrigen Heiligabend im Schnitt bei mindestens jedem Fünften von
uns Kartoffelsalat mit Würstchen auf dem Speisetisch. In Teilen
Ostdeutschlands sind es teilweise sogar knapp 50%, also bei fast
jedem Zweiten. Darüber hinaus sind aber auch „Klassiker“ wie
Raclette, Fondue oder Fischgerichte beliebt (wahlweise auch
vertauscht mit dem Silvesterabend). Zum 01. und 02.
Weihnachtsfeiertag rücken eher die Festtagsbraten (immer häufiger
auch vegetarisch oder vegan) ganz nach oben auf die Speisekarte.

Und was passt in diesem Zusammenhang ideal? Richtig, eine Vorsuppe.
Die erfreut sich ebenfalls hoher Beliebtheit, egal ob Soljanka,
Kürbiscreme-, Ingwer-Möhren- oder Champignoncremesuppe. Gerne wird
darauf auch als Hauptgericht zum Mittag am 24. oder 31. Dezember
zurückgegriffen, um vor der großen Völlerei am Abend noch ausreichend
Platz zu lassen. Doch was, wenn nun ein Gewitter im Anmarsch ist und
die Suppe droht sauer zu werden? Stimmt das überhaupt oder ist das
ein Irrglaube?

Schon die Oma wusste es aus Erfahrung nur zu gut: „Lass bloß bei
Gewitter nicht die Suppe zu lange offenstehen. Sonst kippt sie um.“
Hat also das elektrische Feld des Blitzes etwas damit zu tun oder die
Schallwellen des Donnergrummelns? Nein. Es sind vielmehr die äußeren
Randbedingungen, die dafür sorgen, dass die Suppe dann schnell
schlecht wird. Den Stammlesern dieser Rubrik würde sofort der Begriff
„Zutatenmethode“ beim Schlagwort Gewitter in den Sinn kommen. In der
Tat sind eher Feuchtigkeit und hohe Temperaturen – also drückende
Schwüle – dafür verantwortlich, dass das frisch gekochte Gericht
schnell sauer wird. Die feucht-warme Luft hängt somit in der Küche
quasi wie eine Dunstglocke über Mexiko City und sorgt dafür, dass
sich das Essen nicht schnell genug abkühlt. Dadurch vermehren sich
Säurebakterien, wie sie in Milch oder Sahne enthalten sind, sehr
schnell. Milchzucker wird gespalten und Milchsäure produziert, im
Handumdrehen ist das Gericht ruiniert. Wenn dann noch der Topfdeckel
fest drauf war: Prost Mahlzeit! Aber auch in Suppe enthaltene Stärke
(z.B. Nudeln, Kartoffeln, etc.) beginnt bei Wärme zu gären,
allerdings deutlich langsamer als Milch erst nach ca. 1-2 Tagen.

Also Tipp: Ist die Suppe fertig, schnell abkühlen lassen. Dafür am
besten Topf vom Herd auf ein Gestell, dass die Luft darunter
zirkulieren kann oder den Topf gleich in ein kaltes (Eis-) Wasserbad
stellen und den Deckel abnehmen. Regelmäßig umrühren. Sobald sie
abgekühlt ist, fix in den Kühlschrank. Übrigens: Auch bei Brot,
Kuchen und Torten fühlen sich Bakterien bei schwülen Bedingungen
sauwohl, weshalb es sich auch bei diesen Lebensmitteln empfiehlt im
Zweifel den Kühlschrank als Aufbewahrungsort vorzuziehen.

Nun wissen wir aber, dass selbstverständlich auch im Winter Gewitter
auftreten können. Beispielsweise wenn es in höheren Luftschichten
sehr kalt ist (z.B. unter -40 Grad in 500 hPa) oder die Kaltfront
eines Orkantiefs durchzieht (Stichwort: starke Hebung durch isentrope
potentielle Vorticity/IPV). Das ist also letztlich unkritisch, da
schwül-warme Bedingungen ausschlaggebend sind und man muss nicht
panisch zum Herd rennen.

Letztlich liefert das aktuelle Wettergeschehen auch keinen Grund
nervös zu werden. Die Gewitterwahrscheinlichkeit liegt nahe 0.
Vielmehr haben nun etwas verspätet – aber immer noch pünktlich – auch
die mittleren Landesteile von Westfalen über Mittelhessen, Thüringen,
Sachsen und Oberfranken etwas Schnee abbekommen und die „Weiße
Weihnacht Statistik“ aufgehübscht. Im Süden und Südwesten ist es
zwar weiterhin mild, dafür liefert der Balkon oder die Terrasse bei
Außentemperaturen auf Kühlschrankniveau ideale Voraussetzungen, um
die Suppe, die nicht mehr in den übervollen Kühlschrank passt,
draußen zu lagern. Wer das auch im Norden und Osten plant, bekommt
bei Dauerfrost aber eher einen Suppennachtisch in Form eines Eises
serviert. Ist vielleicht dann doch nicht jedermanns Sache. In diesem
Sinne frohe Festtage und bleiben Sie gesund!

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.12.2021

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