Thema des Tages

Klimaangepasste Stadtplanung

Vor allem in Städten rückt die Anpassung an den Klimawandel zunehmend
in den Fokus. Dachbegrünung oder Entsiegelung von Flächen sind dabei
nur zwei Beispiele möglicher Maßnahmen. Doch welche
Klimaanpassungsmaßnahmen wirken sich wie stark aus? Dieser Frage
wurde in einem Projekt am Beispiel der Stadt Bonn nachgegangen,
dessen Ergebnisbericht jetzt veröffentlicht wurde.

Bei der Diskussion um den Klimawandel gewinnt in urbanen Gebieten –
neben dem Klimaschutz – das Thema der Anpassung an den Klimawandel
immer mehr an Bedeutung. Vor allem in Städten nimmt die
Wärmebelastung immer weiter zu, was zum Beispiel messbar ist durch
die Anzahl heißer Tage (Tageshöchsttemperatur ? 30°C) oder
sogenannter Tropennächte (Tiefsttemperatur ? 20°C). In den
Innenstädten macht sich der sogenannte städtische Wärmeinseleffekt
bemerkbar: Durch sehr dichte Bebauung, versiegelte Flächen (also zum
Beispiel asphaltierte Straßen und Plätze), weniger Begrünung und
zusätzlichen anthropogenen Wärmestrom (verursacht beispielsweise
durch Klimaanlagen und Heizungen) kann während Hitzewellen die
Lufttemperatur in größeren Städten um bis zu 10 Kelvin (entspricht 10
°C) höher liegen als im kühleren Umland. In Berlin wurden sogar schon
Temperaturunterschiede von 12 Kelvin gemessen.

In einem jüngst erschienenen Bericht des Deutschen Wetterdienstes
(siehe: https://t1p.de/1vjn) wird der Frage nachgegangen, wie sich
verschiedene Klimaanpassungsmaßnahmen (z.B. Dachbegrünung und
Entsiegelung zwischen Gebäuden) auf unterschiedliche städtische
Areale thermisch auswirken.

Dafür wurde mit dem mikroskaligen urbanen Klimamodell MUKLIMO_3 die
klimatische Situation in der Region Bonn simuliert und für
ausgewählte dicht bebaute Areale in der Innenstadt sowie etwas
lockerer bebaute Gebiete außerhalb des Zentrums verschiedene
Anpassungsmaßnahmen genauer untersucht.

Das Ergebnis: Wenn nahezu die kompletten Dachflächen in den einzelnen
Untersuchungsbereichen begrünt werden, kann im günstigsten Fall
örtlich eine Abkühlung von bis zu einem Kelvin erfolgen. Insgesamt
ist nur eine geringe thermische Verbesserung für das 2 m-Niveau
(Aufenthaltsbereich der Fußgänger) möglich, weil die Maßnahme im
Dachniveau (ab ca. 10 m Höhe) erfolgt. Allerdings ist zu
berücksichtigen, dass sich diese Maßnahme sehr günstig auf das Innere
der Häuser auswirkt und dort die Temperatur um einige Kelvin gesenkt
werden kann gegenüber Häusern ohne Gründach.

Im Fußgängerniveau wirken sich andere Klimaanpassungsmaßnahmen, wie
die Entsiegelung von Flächen, stärker aus. Vor allem im Laufe des
Nachmittags wird in fast allen untersuchten Bereichen eine über die
Fläche gemittelte Abkühlung von mindestens einem halben Kelvin
erzielt. Die Wirkung erfolgt allerdings nur in unmittelbarer Nähe zu
der Maßnahme und hat fast keinen Einfluss auf die weitere Umgebung.

Es zeigt sich, dass potentiell negative Auswirkungen von
Planungsvorhaben auf das lokale Klima (z.B. Temperaturerhöhungen
durch Nachverdichtung und Aufstockung) durch Kombinationen aus
Anpassungsmaßnahmen zum Teil kompensiert werden können. Ob dies im
Einzelfall gelingen kann, hängt vom Umfang der Planungsmaßnahme und
dem Potential der möglichen Anpassungsmaßnahmen ab: Stehen zum
Beispiel genügend Flächen für Entsiegelungen und genügend Dachflächen
für eine Begrünung zur Verfügung?

Um der Frage nachzugehen, ob die gewählten Anpassungsmaßnahmen auch
in anderen Stadtquartieren in Nordrhein-Westfalen gleiche oder
ähnliche Effekte auf die Lufttemperatur zeigen, wurden idealisierte
Stadtklimasimulationen durchgeführt. Der Ergebnisvergleich belegt,
dass die Wirksamkeit der getesteten Anpassungsmaßnahmen (Albedo der
Dachfläche, Dachbegrünung und Entsiegelung zwischen Gebäuden) von
idealisierten Stadtquartieren auf reale Stadtquartiere übertragen
werden kann.

Mit INKAS (Informationsportal Klimaanpassung in Städten) hatte der
Deutsche Wetterdienst bereits einen elektronischen
Experimentierkasten entwickelt, um auf einfache Weise verschiedene
Anpassungsmaßnahmen an die Klimaerwärmung in Städten miteinander
vergleichen zu können. Mit dem Projekt „Klimaangepasste Stadtplanung
in Bonn und Nordrhein-Westfalen“, das in Kooperation zwischen dem
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) und dem Landesamt für Natur,
Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), dem Deutschen Wetterdienst
(DWD) und der Stadt Bonn entstand, wurde INKAS nun um wesentliche
Aspekte für NRW erweitert.

Es sind und bleiben große Herausforderungen, die auf die Städte, bzw.
die Stadtplaner und Ingenieurbüros in den nächsten Jahren und
Jahrzehnten zukommen. Doch vielleicht helfen Projekte und
Untersuchungen wie diese, die urbanen Räume so umzugestalten, dass
sie auch in Zukunft sprichwörtlich „lebenswert“ bleiben.

Dipl.-Met. Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann (Fachlicher Inhalt:
Dipl.-Met. Ortrun Roll, Dipl.-Met. Guido Halbig, Dr. Saskia Buchholz)

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.11.2021

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