Thema des Tages

Kalte Schale, warmer Kern: Im Auge des Sturms APOLLO 

Im Mittelmeer sorgt Tief APOLLO für heftige Regenfälle, Sturm und 
hohen Wellengang, vor allem Sizilien wird stark getroffen. Aufgrund 
der tropensturm-ähnlichen Eigenschaften des Sturms wird er auch als 
"Medistorm" oder "Medicane" bezeichnet.

Bereits Anfang dieser Woche waren in den Medien zahlreiche Fotos und 
Videos von heftigen Überschwemmungen auf Sizilien zu sehen. Straßen 
in der Hafenstadt Catania verwandelten sich in reißende Flüsse, 
nachdem dort in nur 48 Stunden die durchschnittliche jährliche 
Niederschlagsmenge (knapp 600 l/qm) gefallen war. 

Während sich die Situation in den letzten Tagen etwas entspannte, war
diese Beruhigung - man könnte sagen - trügerischer Natur oder "nur 
die Ruhe vor dem (nächsten) Sturm". Denn bereits am gestrigen 
Donnerstag sorgten neue Unwetter auf Sizilien für abermalige heftige 
Regenfälle mit 100-200 l/qm in 24 Stunden, die noch bis Samstagabend 
andauern werden. 

Der Verursacher ist auf dem Satellitenbild schnell zu erkennen: 
Südöstlich von Sizilien wirbelt das Tiefdruckgebiet APOLLO, das sich 
in den kommenden Stunden weiter verstärkt und vor allem von den 
Medien auch gerne als "Medicane" bezeichnet wird. Doch wie kam es zu 
der Sturmbildung und welche Eigenschaften hat dieses 
tropensturm-ähnliche Tief?

Es war Donnerstagmorgen, als sich ein Höhentief von der 
"Westwindautobahn" der mittleren Breiten löste und begann, über dem 
Mittelmeer östlich von Malta seine Kreise zu ziehen. Da sich mit dem 
Höhentief Kaltluft über das sehr warme Meereswasser schob, stellte 
sich ein starker vertikaler Temperaturgradient ein. Diese rasche 
Temperaturabnahme mit der Höhe ermöglichte vertikale Umlagerungen in 
Form von Schauern und Gewittern.

Durch die Gewittertätigkeit unter dem sich kaum verlagernden 
Höhentief wurde und wird die Luft zum einen immer feuchter. Zum 
anderen wird in dem Gewittersystem Luft von unten nach oben befördert
und nach außen weg transportiert, sodass der Luftdruck über der 
Meeresoberfläche sinkt. 

Diese beiden Vorgänge verstärken bereits das Tief - doch es kommt 
noch ein weiterer Effekt hinzu: Eine geringe vertikale Windscherung. 
Das bedeutet, dass die Unterschiede zwischen den 
Windgeschwindigkeiten und -richtungen in verschiedenen Luftschichten 
nur gering sind. Eine solche geringe vertikale Windscherung hilft, 
eine gebündelte zirkulare Struktur zu erhalten. Wäre die Windscherung
zu stark, würde es den Sturm "zerreißen" und ihn angreifbar machen 
für trockenere Luftmassen aus der Umgebung. 

So aber können sich die Schauer und Gewitter spiralförmig um das Tief
herum anordnen und es nochmals deutlich verstärken. Die immer 
schneller um den Tiefkern rotierende "Gewitterspirale" erinnert dabei
schon rein optisch an einen tropischen Wirbelsturm. Doch auch 
thermodynamisch hat das System Ähnlichkeit mit einem tropischen Sturm
wie einem Hurrikan: Zum einen lässt sich ein warmer Kern bis in die 
höheren Troposphärenschichten finden (bedeutet: die Temperatur im 
Zentrum ist in allen Höhenschichten wärmer als in ihrer Umgebung. 
Dadurch findet dort Wolkenauflösung statt und es ergibt sich ein 
wolkenarmes "Auge"). Zum anderen gibt es keine Warm- und Kaltfronten 
- wie es bei ?normalen Tiefs? der mittleren Breiten der Fall ist. 

Bei solchen Tiefdrucksystemen über dem Mittelmeer, die anfangs vor 
allem außertropische, später zunehmend tropische Eigenschaften 
aufweisen, wird auch von einem "Medistorm" (mediterranean tropical 
storm) gesprochen - oder, vor allem in den Medien, auch von einem 
"Medicane" - einer Wortzusammensetzung aus "mediterranean" und 
"Hurricane".

Und wie geht es weiter? APOLLO zieht am morgigen Samstag gen Süden ab
und trifft am Sonntagabend bei Bengasi auf die Küste Libyens. Dort 
sind ebenfalls Sturmböen, Starkregen und hoher Wellengang bis 3 m 
möglich, nach jetzigem Stand schwächt sich der Sturm jedoch insgesamt
ab.

Auch wenn Hochdruckwetter für uns Meteorologen und Wetterberaterinnen
normalerweise eher in die Kategorie "langweilig" fällt, so ist man in
Anbetracht der derzeitigen Bilder aus Sizilien doch ziemlich froh um 
des ruhigen, warnarmen Wetters hierzulande...



Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 29.10.2021

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