Thema des Tages
Der Baumrüttler kommt!
Die Blattverfärbung der Bäume und Sträucher ist derzeit im vollen
Gange. Mit Sturm IGNATZ, der in der Nacht zum Donnerstag und am
Donnerstag über uns toben wird, werden einige Bäume einen Teil ihrer
Blätter verlieren.
Nach etwas mehr als der Hälfte des meteorologischen Herbstes
(bestehend aus den Monaten September, Oktober und November) lässt
sich bezogen auf die Referenzperiode 1961-1990 mit einer Abweichung
von etwa 0,8 Grad bisher ein leicht zu milder Verlauf konstatieren.
Mit nur 31% des Niederschlagsolls des Gesamtherbstes ist es außerdem
zu trocken und mit 79 % des Sonnenscheinsolls des Gesamtherbstes
deutlich sonniger als üblich. Da es darüber hinaus auch nur wenige
kalte Nächte hintereinander gab, ist es in der Natur zu einer
Verzögerung der Blattverfärbung gekommen.
Die Blattverfärbung wird in der Phänologie, die sich mit dem Einfluss
der Witterung auf die jahreszeitlichen Entwicklungsphasen der
Pflanzen befasst, mit dem sogenannten Spätherbst verbunden. Als
Leitphase dient dabei die Blattverfärbung der Stieleiche, die im
vieljährigen Mittel am 18. Oktober erreicht wird und damit am
gestrigen Montag hätte beginnen sollen (siehe auch
https://www.dwd.de/DE/leistungen/phaeno_uhr/phaenouhr.html). Durch
die Witterungsverzögerung lagen bis gestern aber noch nicht aus allen
Regionen Meldungen des Eintritts des Spätherbsts vor, sodass die
Leitphase noch nicht vollständig erreicht ist.
Dennoch zeigen sich viele Bäume und Sträucher in unseren herbstlichen
Wäldern nun mit einem roten, gelben oder braunen Blattgewand, weil
ihre Blattverfärbung früher als die der Stieleiche bereits begonnen
hat. Etwa 2 bis 3 Wochen nach der Blattverfärbung setzt der Blattfall
ein. Das passiert, wenn den Blättern alle Nährstoffe entzogen worden
sind und eine Trennschicht zwischen Blattstiel und Zweig wächst. Nun
reicht ein leichter Windstoß, um die Blätter vom Baum zu wehen.
Ein zünftiger Sturm könnte den Blattfall also stark befeuern und
tatsächlich kündigt sich in der Nacht zum Donnerstag und am
Donnerstag ein solcher an! So könnte sich Sturm IGNATZ
(wahrscheinlich mit den zwei Kernen IGNATZ I und II) als kräftiger
Baumrüttler erweisen, der den schon länger verfärbten Blättern an den
Kragen geht und einige von ihnen zu Boden fallen lassen wird.
Dabei wartet IGNATZ mit zum Teil schweren Sturmböen zwischen 90 und
100 km/h (entspricht Beaufort 10) bis ins Tiefland auf (siehe die
Windentwicklung unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/10/19_Bild.png). In
kräftigen Schauern oder Gewittern sind lokal ganz vereinzelt
orkanartige Böen um 105 km/h (Bft 11) nicht völlig ausgeschlossen. Im
höheren Bergland treten orkanartige Böen häufiger auf, auf
exponierten Berggipfeln wie dem Brocken und dem Feldberg/Schwarzwald
sind Orkanböen ab 118 km/h (Bft 12) wahrscheinlich. Bei solchen
Windgeschwindigkeiten ist nicht nur Blattfall zu erwarten, auch den
einen oder anderen Baum mit dem häufig noch vollen Laub wird es dabei
"erwischen".
Das Hauptwindfeld erreicht den Westen Deutschlands in der zweiten
Hälfte der Nacht zum Donnerstag und breitet sich bis zum
Donnerstagmorgen zügig bis in die Mitte und auf den Südwesten
Deutschlands aus. In den Vormittagsstunden des Donnerstags erfasst
der Sturm den Osten und Südosten des Landes, am Nachmittag ist auch
der Norden "dran". Zum Abend hin zieht das Hauptwindfeld bereits über
den Osten Deutschlands hinweg nach Osten ab. Der Wind weht also meist
nur wenige Stunden in der oben beschriebenen maximalen Stärke.
Sturm IGNATZ könnte außerdem der alten Bauernregel, die besagt:
?Hängt das Laub bis November hinein, wird der Winter lange sein? in
die Parade fahren. Allerdings steht diese Bauernregel
wissenschaftlich auf sehr wackeligen Füßen, weil sie sich kaum
belegen lässt. Wie der Winter wird, können uns die Bäume also leider
weder derzeit, noch nach dem Sturm verraten.
Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.10.2021
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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