Thema des Tages
Bilanz der sommerlichen Meereisbedeckung in der Arktis
Der Klimawandel macht vor allem den Polregionen zu schaffen und lässt
das "Ewige Eis" schmelzen. Besonders die Arktis erwärmt sich
schneller als der Rest der Welt. Nach dem Ende der sommerlichen
Schmelzsaison im September richten sich daher die Blicke auf die
minimale Meereisbedeckung in der Arktis. Wie fällt die diesjährige
Bilanz aus?
Die Arktis erwärmt sich laut dem Arctic Monitoring and Assessment
Programme (AMAP) schneller als die übrigen Regionen auf unserem
Planeten. So stieg die Durchschnittstemperatur in der Arktis von 1971
bis 2019 um 3,1 Grad Celcius. Somit fiel die Erwärmung in der
nördlichen Polregion dreimal so hoch aus wie der Anstieg des globalen
Durchschnitts im gleichen Zeitraum. Die steigenden Temperaturen in
der Arktis bleiben nicht ohne Folgen, denn das Eis rund um den
Nordpol schmilzt rasant. Neben der beschleunigten Schmelze des
grönländischen Eispanzers, ist auch die Meereisbedeckung im
Arktischen Ozean in den vergangenen Jahrzehnten deutlich
zurückgegangen.
Der saisonale Zyklus der Meereisschmelze wird durch die
jahreszeitlichen Temperaturänderungen angetrieben. Der Schmelzprozess
beginnt in der Regel Ende März an den äußeren Rändern des
Eisschildes, wenn die Tage länger werden und der Einfluss der Sonne
über den nördlichen Regionen stark genug ist und somit auch die
Temperaturen steigen. Im Sommer scheint in der Arktis 24 Stunden am
Tag die Sonne, was bedeutet, dass das Meereis nahezu konstant
schmilzt. Mitte September wird meist das Minimum der Eisausdehnung
verzeichnet. Anschließend nimmt die Meereisbedeckung mit Eintritt der
Polarnacht wieder über das Winterhalbjahr zu.
Mithilfe von Satellitendaten wurde die minimale Ausdehnung in diesem
Jahr am 16. September registriert (siehe Abbildung 1 und hellblaue
Linie in Abbildung 2). Die Meereisausdehnung ließ sich auf 4,92
Millionen Quadratkilometer beziffern, was etwa 1,5 Millionen
Quadratkilometer unter dem langfristigen Durchschnitt von 1981 bis
2010 liegt. Sie fiel immerhin fast eine Million Quadratkilometer
größer aus als 2020, als der zweitniedrigste Wert seit Beginn der
Satellitenaufzeichnungen im Jahr 1979 konstatiert wurde. Verglichen
mit den letzten sieben Jahren fällt das Minimum zwar in diesem Jahr
größer aus, reiht sich dennoch als zwölfniedrigstes auf den vorderen
Plätzen ein. Die aktuellen Auswertungen zeigen wenig überraschend,
dass sich das jährliche Eisminimum im September in den vergangenen
zehn Jahren um rund 13 Prozent gegenüber dem Mittel der Jahre 1981
bis 2010 verringerte.
Nachdem sich bis in den Juli hinein ein rasanter Rückgang mit Kurs
auf ein neues Allzeitminimum abzeichnete (siehe Abbildung 2:
Vergleich der hellblauen Linie zur gestrichelten Linie von 2012),
nahm das Schmelztempo im August deutlich ab. Die etwas größere
Meereisbedeckung in diesem Sommer lässt sich vor allem auf eine
vorherrschende Wetterlage in der Westarktis zurückzuführen. So
etablierte sich in der zweiten Hälfte des Augustes eine rege
Tiefdruckzone über der westlichen Hälfte der Arktis zwischen dem
nördlichen Kanada und Alaska, während über dem Nordatlantik eine Zone
hohen Luftdrucks herrschte. Die Kombination dieser beiden Akteure
transportierte Luft aus Nordkanada über die westliche Arktis. Die
Lufttemperatur in Nordkanada ist dabei in aller Regel niedriger, als
wenn die Luft etwa vom wärmeren Nordpazifik in die Arktis befördert
würde. Dies trug dazu bei, dass die westliche Arktis kühler blieb,
was die dortigen Schmelzraten reduzierte. Die größten Defizite mit
weitgehend eisfreien Bedingungen wurden in diesem Sommer hingegen in
den östlichen Randmeeren des Arktischen Ozeans von der Grönlandsee
bis zur Barentsee verzeichnet. Verwunderlich ist das nicht,
registrierte vor allem Sibirien einen ungewöhnlich warmen Sommer mit
länger anhaltenden Hitzewellen, die bis in die russischen
Arktisregionen reichten.
Neben der zurückgehenden Ausdehnung des Meereises, nimmt auch die
Qualität der Eisdecke ab. In den vergangenen zehn Jahren hat sie sich
von einer mehrjährigen, dickeren und insgesamt stärkeren in eine
dünnere, jüngere und instabilere Eismasse verwandelt. Das führt auch
dazu, dass sich die arktischen Gewässer stärker aufwärmen, da
Sonnenlicht nun vom dunkleren Ozean aufgenommen wird, statt an der
Eisoberfläche zu reflektieren. Obwohl die Gesamtausdehnung des Eises
im September im Vergleich zu den letzten Jahren höher ausfiel,
erreichte die Menge des mehrjährigen Eises einen rekordverdächtigen
Tiefstand und lag damit nur geringfügig über dem Wert vom Ende der
Rekordschmelzsaison 2012.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.10.2021
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