Thema des Tages

ESTOFEX - Das Europäische Unwetter-Vorhersageexperiment

Eine Reihe von Meteorologen und Meteorologiestudenten haben sich vor 
fast 20 Jahren zusammengeschlossen und eine Plattform für die 
tägliche Vorhersage und das bessere Verständnis für die Entwicklung 
von schweren Gewitterlagen entwickelt. Entstanden ist daraus ESTOFEX 
- das "European Storm Forecast Experiment".

Gewitter und in diesem Zusammenhang auftretende Unwetter richten vor 
allem in der Sommersaison Jahr für Jahr signifikante Schäden in 
Europa an. 
Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von Überflutungen 
durch Starkregen über Beschädigungen und Zerstörungen durch großen 
Hagel bis hin zu großen Schäden durch Wind und Tornados. 
Noch immer stellt die qualitativ hochwertige und genaue Vorhersage 
von Gewittern die Meteorologen vor größere Herausforderungen.
In der Regel treten diese in Regionen von wenigen 10 bis 100 km² auf 
und fallen damit in vielen Vorhersagemodellen durch das Raster. 
Mit dem Ziel, die Vorhersagen stetig zu verbessern und die Entstehung
von schweren Gewittern und die dazu nötigen atmosphärischen Parameter
immer besser zu verstehen, wurde schließlich im Jahr 2002 das 
"European Storm Forecast Experiment" gegründet. 
Es ist ein Zusammenschluss von Meteorologen und 
Meteorologiestudenten, die auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis
für viele Tage im Jahr eine Vorhersage für Schwergewitter in Europa 
erstellen.

ESTOFEX stellt auf seiner Homepage (https://www.estofex.org) eine 
grafische Übersicht sowie eine Text-Vorhersage in Form eines 
Bulletins in englischer Sprache bereit.
In der Regel wird dabei der Zeitraum für die nächsten 24 Stunden 
betrachtet, in Ausnahmefällen auch noch darüber hinaus ("Extended 
Forecast").
Räumlich erstreckt sich der Vorhersageraum über große Teile Europas. 

Die Vorhersage konzentriert sich dabei auf das Auftreten schwerer 
Gewitter, die ein Gefahrenpotential durch unwetterartige 
Begleiterscheinungen bergen. 
Dabei wird unterschieden zwischen heftigem Starkregen, Sturm- 
beziehungsweise Orkanböen, großem Hagel und Tornados. 

ESTOFEX unterscheidet zwischen schwerem Unwetter ("severe weather") 
und extrem heftigem Unwetter ("extreme severe weather"). 
Klassifiziert wird anhand der Intensität der auftretenden 
Begleiterscheinungen von schweren Gewittern. 

Als schweres Unwetter gilt ein Gewitter bei:
- Hagel mit mindestens 2 cm Durchmesser
- Tornado bis Stärke F1
- Windböen über 92 km/h (Stärke 10)
- Starkregen mit über 60 mm in 1 bis 3 Stunden oder noch höhere 
Summen in bis zu 12 Stunden oder schadensträchtige Überflutungen.

Ein extrem schweres Unwetter tritt bei 
- Hagel mit mindestens 5 cm Durchmesser
- Windböen über 119 km/h (Stärke 12)
- Tornado ab Stärke F2
auf.

Vorhergesagt werden sogenannte "threat levels", das heißt eine Art 
Gefahrenpotential. 
Dabei wird in verschiedene Stufen (Level 1-3) unterschieden:
- Level 1 bezeichnet Regionen, in denen die Wahrscheinlichkeit 
zwischen 5 und 15 Prozent beträgt, dass im Umkreis von 40 km ein 
schweres Gewitter auftritt. 
- Level 2 bezeichnet Regionen, in denen die Wahrscheinlichkeit für 
ein schweres Gewitter im Umkreis von 40 km bei über 15 Prozent liegt.

- Level 3 bezeichnet Regionen, in denen die Wahrscheinlichkeit für 
ein extrem schweres Gewitter im Umkreis von 40 km bei über 15 Prozent
liegt.

Insbesondere Level 3 wird nur selten benutzt und ist für zu 
erwartende große und heftige Unwetterlagen wie z.B. das 
Pfingstunwetter 2014 in Nordrhein-Westfalen gedacht.
Jüngstes Beispiel ist der Tornado im tschechischen Hru?ky vom 
24.06.2021.

Ein zusätzliches Produkt von ESTOFEX sind sogenannte "Mesoscale 
Discussions", die den Kürzestfristzeitraum betrachten und die 
folgenden 2 bis 6 Stunden umfassen. 
Dabei handelt es sich um kurze Texte, die anlassbezogen erstellt 
werden, und die zu erwartende Gewitterentwicklung unter Hinzunahme 
der aktuellen synoptischen Situation in den folgenden Stunden 
betrachtet.
Das gilt insbesondere, wenn die sich abzeichnende Entwicklung von der
grundlegenden Vorhersage abzuweichen droht. 

ESTOFEX verifiziert im Nachgang die eigenen Vorhersagen, unter 
anderem unter Zuhilfenahme der "European Severe Weather Database" 
(ESWD, Thema des Tages vom 31.07.2021).
Für den Vorhersagemeteorologen sind die ESTOFEX-Produkte nützlich, um
sich einen schnellen Überblick über die zu erwartende Gewitterlage zu
machen und ein Bild zu bekommen, worauf man sein Augenmerk richten 
sollte. 
Zusätzlich hilft es immer, eine weitere Einschätzung für eine 
Wetterlage zu bekommen. 
ESTOFEX-Produkte sind grundsätzlich in englischer Sprache verfügbar 
und für jedermann abrufbar. 
Die Texte erfordern ein gewisses synoptisches Grundverständnis. 
Mit Hilfe der auf der Homepage verlinkten Lehr- und 
Fortbildungsmaterialien sind sie aber auch geeignet, die eigenen 
Kenntnisse der Konvektionsvorhersage zu vertiefen.

Mit Marcus Beyer und Helge Tuschy sind auch zwei Mitarbeiter der 
Vorhersagezentrale des Deutschen Wetterdienstes für ESTOFEX tätig.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 05.08.2021

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