Thema des Tages

Superzelle legt über 700 km zurück


Der Süden Bayerns wurde in der vergangenen Woche von heftigen 
Unwettern heimgesucht. Einige dieser kräftigen Gewitter waren 
Superzellen. Am Mittwoch zog eine dieser Superzellen von Oberbayern 
bis in die Hohe Tatra und richtete auf ihrem Weg größeren Schaden an.



Die Region nördlich des Alpenrands wurde in der letzten Woche von 
zahlreichen Unwettern geplagt. Die meisten dieser Unwetter gingen 
dabei auf einen speziellen Gewittertyp, die Superzelle zurück. Das 
besondere an Superzellen ist ihr beständig rotierender 
Aufwindbereich, der bei normalen Einzel- oder Multizellen so nicht zu
finden ist.  Darin liegt auch ihre besondere Heftigkeit und ihre 
Langlebigkeit begründet. Denn ein Gewitter benötigt einen warmen und 
möglichst feuchten Aufwind. Da wärmere Luft leichter ist (eine 
geringere Dichte hat) als kalte Luft, steigt in diesem Aufwindbereich
warme Luft nach dem Archimedisches Prinzip auf und erhält das 
Gewitter am "Leben". Irgendwann im Reifestadium des Gewitters 
produziert es Regen oder auch Hagel, der zunehmend zum Problem für 
das Gewitter wird. Der ausfallende Regen oder Hagel kühlt die Luft in
seiner Umgebung durch Verdunstung bzw. Schmelzen ab, sodass auf der 
Rückseite des Gewitters ein kalter Abwind entsteht. Die kalte Luft 
breitet sich dann am Boden aus und kappt den für das Gewitter 
notwendigen warmen Aufwind. Bei einer Superzelle bleiben durch die 
Rotation des Gewitters Auf- und Abwindbereich ständig getrennt, 
sodass der Zustrom von warmer Luft, der die Gewitterzelle mit Energie
versorgt, nahezu durchgängig aufrechterhalten wird. Dies erklärt die 
Langlebigkeit und die Heftigkeit von Superzellen. So sind Orkanböen 
durch kräftige Fallwinde und heftiger Starkregen keine Seltenheit. 
Nahezu alle großen Hagelereignisse stehen im Zusammenhang mit 
Superzellen. Des Weiteren bildet die Rotation die Grundlage für 
Tornados. Mehr zur Dynamik und Struktur von Superzellen finden Sie im
Thema des Tages vom 14.07.2019 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/7/14.html). 
Typische Zugbahnen von Gewitterzellen am Alpenrand sind im Thema des 
Tages vom 27.06.2021 beschrieben 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/6/27.html).
Am Mittwoch den 28.07. entstand erneut eine Superzelle im 
Alpenvorland, doch dieses Mal nördlich von Rosenheim. Sie zog rasch 
ostwärts und richtete teils schwere Schäden im Chiemgau an. Orkanböen
deckten Dächer ab, Bäume wurden entwurzelt, durch heftigen Starkregen
liefen Keller voll und örtlich gab es Ansammlungen von Hagelmassen.
Die Zelle zog weiter nach Oberösterreich, wo sie sich nochmals 
verstärkte, Dächer und Häuser beschädigte und große Agrarflächen 
zerstörte. Danach zog sie nach Wien und erreichte am Abend die 
Slowakei. Erst in der Nacht löste sie sich östlich der Hohen Tatra 
auf. In 13 Stunden legte sie dabei eine Strecke von über 700 km 
zurück und gehört somit zu den langlebigsten Sperrzellen der 
vergangenen Jahre. Die Abbildung zeigt die Blitzspur von Mittwoch 
09:00 bis Donnerstag 01:00 UTC.  Deutlich lässt sich die Zugbahn 
erkennen. Der Grund für die lange Lebensdauer waren die guten 
Bedingungen, die die Zelle vorgefunden hat. Neben schwülwarmer und 
energiereicher Mittelmeerluft, gab es in den betroffenen Regionen 
eine sehr große Windscherung.  Als Windscherung bezeichnet man die 
Änderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe. Diese ist maßgeblich 
für die Rotation in Superzellen verantwortlich. 
Dieses Jahr treten Superzellen vom Alpenrand über Nordösterreich bzw.
in Südtschechien ungewöhnlich häufig auf. Ursache dafür war eine 
besondere Wetterlage, bei der Tiefdruckgebiete immer wieder nach 
Westeuropa zogen. Mitteleuropa lag dabei am Rand dieser 
Tiefdruckgebiete auf der Vorderseite, wobei die betroffenen Regionen 
mit sehr warmer und besonders feuchter Mittelmeerluft versorgt 
wurden. Gleichzeitig stellten diese Tiefs die benötige Windscherung 
bereit. Der Alpenrand ist für die Entstehung von Superzellen 
besonders prädestiniert, da sich dort durch Überströmung der Alpen 
oft ein Leetief bildet. Dadurch dreht der Bodenwind, wie auch am 
Mittwoch geschehen, nochmals auf Ost, während in der Höhe Südwestwind
vorherrscht. Somit wird die Windscherung deutlich erhöht.
Wie geht es mit den Gewittern bei uns weiter? In der Nacht zum 
Samstag gibt es im Süden nochmal lokale Unwetter.  Dann ändert sich 
die Wetterlage. Der Tiefschwerpunkt verlagert sich nach Skandinavien,
wobei auch im Süden kühlere Luft einfließt. Was Schwergewitter 
angeht, stellt sich zunächst ein etwas ruhigerer Witterungsabschnitt 
ein.


Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 30.07.2021

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