Thema des Tages

Bei mir passiert wieder nichts

In den vergangenen Wochen gab es in Deutschland unter vorherrschendem
Tiefdruckeinfluss häufig Schauer und Gewitter, wobei diese lokal zu 
Unwetter mutierten. In vielen Regionen gingen die Gewitter jedoch 
glimpflich aus, weshalb nicht wenige der Meinung sind, bei Ihnen 
würde ja nie was passieren.

Im Juni 2021 fielen im deutschlandweiten Mittel rund 95 Liter Regen 
pro Quadratmeter (l/qm), womit das Niederschlagssoll von 85 l/qm der 
Referenzperiode 1961-1990 mehr als erfüllt wurde. Verglichen mit der 
Periode 1991-2020 gab es sogar knapp 20 l/qm mehr als üblich. Dabei 
traten häufig Schauer und Gewitter auf, die lokal große Wassermassen 
und daher Unwetter brachten. Auch im Juli geht dieses Spiel bisher 
munter weiter.

Ein Merkmal von Schauern und Gewittern ist, dass sie meist nur eine 
geringe Lebenszeit haben. So existieren Einzelzellen beispielsweise 
nur für rund 30 bis 60 Minuten. Wenn mehrere Zellen zusammenschmelzen
("verclustern"), kann der resultierende Komplex aber auch mehrere 
Stunden überleben. Dabei bringen sie lokal zum Teil hohe Regenmengen,
während nur ein paar Kilometer weiter fast gar nichts passiert. Sehr 
anschaulich konnte man das in der Zentrale des Deutschen 
Wetterdienstes am vergangenen Sonntag (4. Juli 2021) erleben (siehe 
die Grafik mit den 2-stündigen Niederschlagsmengen im 
Rhein-Main-Gebiet am Sonntag unter 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/7/8_Bild.jpg). 
Während an der von der Zentrale rund 4 Kilometer entfernt gelegenen 
Wetterstation Offenbach-Wetterpark in 2 Stunden etwa 60 l/qm vom 
Himmel kamen, fiel an der Zentrale selber nicht einmal die Hälfte 
davon und noch ein paar Kilometer weiter gab es gerade einmal 5 bis 
10 l/qm.

Der Übergangsbereich vom harmlosen Gewitter ohne Starkregen (gelbe 
Warnung beim Deutschen Wetterdienst, unter 15 l/qm in einer Stunde 
oder unter 20 l/qm in sechs Stunden) bis zum Gewitter mit extrem 
heftigem Starkregen (violette Warnung, mehr als 40 l/qm in einer 
Stunde oder mehr als 60 l/qm in sechs Stunden) ist also sehr schmal 
und im Warnmanagement nicht einfach zu handhaben. So kann es durchaus
an einem Ort eine Unwetterwarnung geben, am eigenen Standort passiert
aber tatsächlich nicht viel. Selbst bei Warnungen auf Gemeindeebene, 
wie sie der Deutsche Wetterdienst herausgibt, kann dies bereits 
passieren, wie der Fall für Offenbach-Stadt zeigt!

Nicht wenige glauben daher, bei ihnen würde nie etwas passieren. 
Tatsächlich ist eine tägliche Regenmenge von 60 bis 80, im Süden von 
80 bis 100 l/qm in den meisten Regionen Deutschlands sogar schon ein 
Jahrhundertereignis, oder mit anderen Worten: Nur einmal innerhalb 
von 100 Jahren gibt es eine solch hohe Regenmenge! Dass es dann am 
eigenen Standort wirklich so heftig regnet, ist trotz (meist 
gerechtfertigter) Unwetterwarnung nicht besonders wahrscheinlich.

Ein weiterer Punkt für den Glauben, dass am eigenen Standort nichts 
passiert, sind die Vorabinformationen des Deutschen Wetterdienstes, 
mit denen Gebiete mit Potenzial für Unwetter gekennzeichnet werden. 
Wenn es eine Vorabinformation gibt, dann muss es aber doch auch 
Unwetter bei mir geben? Aus obigen Betrachtungen wird jedoch erneut 
klar, dass es eben nur wenige Standorte trifft, die dafür allerdings 
zum Teil heftig. Daher wird in den Vorabinformationen bei solchen 
Gewitterlagen auch immer wieder betont, dass das Auftreten von 
Unwettern nur lokal sein wird.

Wenn Sie also das nächste Mal eine Vorabinformation oder eine 
Unwetterwarnung vor schweren Gewittern bekommen, seien Sie bitte 
nicht enttäuscht, sondern froh, wenn bei Ihnen doch wieder nichts 
passiert.

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 08.07.2021

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