Thema des Tages

MOSAIC - erstes Zwischenfazit

Das heutige Thema des Tages fasst die kürzlich vorgestellten 
Zwischenergebnisse der aufwendigsten Arktisexpedition aller Zeiten 
kurz zusammen. 

Nach der Hitze und den zahlreichen Gewittern der vergangenen Tage, 
die vor allem den Süden des Landes auch am heutigen Mittwoch und in 
den nächsten Tagen noch in Atem halten werden, suchen wir in unserer 
Tagesrubrik nach etwas Abwechslung und Abkühlung. Vor ziemlich genau 
einem Jahr kehrte der Autor mit einer zweieinhalb-monatigen 
Verspätung vom dritten Abschnitt der MOSAIC Expedition zurück, über 
die auch an dieser Stelle im Thema des Tages (beispielsweise am 17. 
und 29. Dezember 2019) ausführlich berichtet wurde. Passend dazu 
wurden am vergangenen Dienstag, dem 15. Juni 2021, auf einer 
Pressekonferenz vom Expeditionsleiter Markus Rex sowie der 
Meereisphysikerin Stefanie Arndt (beide vom Alfred-Wegener-Institut) 
zusammen mit der Bundesforschungsministerin Anja Karliczek erste 
Forschungsergebnisse vorgestellt und ein erstes Zwischenfazit 
gezogen. 

Eis
Das Meereis zieht sich dramatisch zurück. Es schmilzt früher und 
bildet sich später und bedeckt somit im Durchschnitt nur noch etwa 
die Hälfte der Fläche im Vergleich zum Zeitraum vor wenigen 
Jahrzehnten. Zudem ist das Eis nur noch halb so dick im Vergleich zur
Nordpolarexpedition (1893-1896) von Fridtjof Nansen. Auf unserem 
Transit mit der Kapitan Dranitsyn zur Polarstern lagen die Eisdicken 
selbst zur Hochzeit Ausgang des Winters / Beginn des Frühjahrs selbst
nördlich von 85 Grad Nord meist zwischen 1 und 2 Meter. Dabei 
handelte es sich mehrheitlich um ein- oder zweijähriges Eis. Diese 
Entwicklung fasst sehr eindrücklich das angehängte Bild zusammen, 
dass dem Hamburger Bildungsserver (Hamburg.de) entnommen ist. Es 
zeigt, wie sich die Ausbreitung des arktischen Meereises seit 1985 
verringert bei gleichzeitig abnehmendem Anteil mehrjährigen Eises. 
Eine eisfreie Arktis im Sommer stellt einen sogenannten Kipppunkt des
Klimawandels dar. Dazu Expeditionsleiter Markus Rex: "Das 
Verschwinden des Meereises im Sommer ist ein erster Schritt in diesem
Minenfeld", sagte Rex. "Wir wissen nicht, ob wir schon draufgetreten 
sind und gerade den Beginn der Explosion sehen." Ob zumindest das 
ganzjährige arktische Meereis noch zu retten sei, das werde laut Rex 
die Auswertung der nächsten Jahre zeigen.

Temperatur
Während MOSAIC lagen die Temperaturen im Winter fast durchweg rund 10
Grad höher im Vergleich zu Nansens Expedition vor über 100 Jahren. Im
Sommer unterscheiden sich die Temperaturen dagegen weniger. Sie 
liegen meist um oder etwas über dem Gefrierpunkt, da die Wärme an 
eisfreien Stellen vom Ozean gespeichert wird beziehungsweise für die 
Eisschmelze aufgewendet wird (Stichwort Schmelzwärme, die der Luft 
entzogen wird). Interessanterweise erklärte Rex auch, dass die 
Hitzewellen 2020 in Mitteleuropa durch die Veränderungen in der 
Arktis verstärkt worden sind.

Ozon
Ein altes Problem scheint zurückzukehren. Die Ozonkonzentration war 
ungewöhnlich gering. Die Ozonschicht in der Atmosphäre hat die 
nützliche Eigenschaft gefährliche UV-Strahlung zu filtern. Dabei 
schien mit Inkrafttreten des Montreal Protokolls 1989 mit dem 
weltweiten Verbot der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (kurz: FCKW) das 
Thema "ad acta" gelegt und man beobachtete, wie sich die 
Ozonschichten langsam wieder erholten. Nun muss man allerdings 
festhalten, dass die Verweildauer von FCKW's von bis zu 100 Jahren 
sehr lang ist und die Ozonkonzentration großen Schwankungen 
unterliegt - sowohl innerhalb eines Jahres als auch von Jahr zu Jahr.
Zudem kommt es in jedem Spätwinter und Frühjahr in der Arktis in der 
unteren Stratosphäre zu starken Ozonverlusten durch die chemische 
Reaktion mit Chlor- und Bromradikalen. Von daher werden erst 
nachfolgende Untersuchungen zeigen, ob es sich dabei wirklich um 
einen besorgniserregenden Trend handelt. 

Bis die mehrere 10000 umfassenden Proben aus Eis, Wasser und Luft in 
den mehr als 150 Terabyte umfassenden Datensätzen vollständig 
ausgewertet sind, werden allerdings noch Jahre vergehen. Wenn sie 
vollends verstanden und die komplexen Prozesse im Klimasystem in den 
Modellen weiter verbessert wurden, fördern diese möglicherweise 
zutage, dass es längst zu spät ist. So mutmaßt auch 
Expeditionsteilnehmerin Stefanie Arndt: "Wir werden womöglich die 
letzte Generation sein, die eine eisbedeckte Arktis im Sommer erlebt 
hat." Sicher keine Einzelmeinung. 

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 23.06.2021

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