Thema des Tages

Super Zellen

Es gibt schwache Gewitter ohne Auswirkungen und andere mit großem 
Hagel oder Orkan. Warum das so ist und wie man das vorhersagen kann, 
darum soll es heute gehen.


Am 09.05.2021 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/5/9.html) wurde im
Thema des Tages erklärt, wie wir Gewitter mit der Zutatenmethode 
vorhersagen. Am 17.06.2021 
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/6/17.html) ging es
dann darum, was darüber entscheidet, ob bei vorhandener Energie 
Gewitter ausgelöst werden oder nicht. Heute nun soll es nochmal ganz 
speziell darum gehen, woher wir wissen, ob nur ein paar Blitze zu 
erwarten sind, oder mit einer Schwergewitterlage zu rechnen ist.

Für ihre Entwicklung nutzen die Gewitter die in der Atmosphäre zur 
Verfügung stehende Energie. Das Maß dafür ist das im Thema des Tages 
vom 17.06. erläuterte CAPE. Es ist sicher verständlich, dass 
Gewitter, die mehr Energie zur Verfügung haben in aller Regel 
deutlich kräftiger ausfallen als Gewitter in Situationen mit wenig 
CAPE. Die Energie allein ist aber nicht alles. Einen entscheidenden 
Anteil an der Schwere und Langlebigkeit von Gewittern hat das 
"Gewürz" vertikale Windscherung.

Zunächst stellt sich die Frage, was die vertikale Windscherung 
eigentlich ist. Letztlich ist damit nichts Anderes gemeint, als die 
Veränderung von Windrichtung und -geschwindigkeit mit der Höhe. Jeder
hat beim Blick zum Himmel sicherlich schon einmal bemerkt, dass man 
dort manchmal verschiedene Wolkenarten sehen kann, die in 
unterschiedliche Richtungen und unterschiedlich schnell ziehen. Das 
passiert, weil in den verschiedenen Luftschichten der Wind aus 
verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlicher Stärke weht. Wir 
schauen zum Beispiel ganz speziell auf die (hochreichende) 
Windscherung zwischen Boden und 6 km Höhe, also darauf wie stark sich
der Wind zwischen diesen beiden Schichten verändert.

Die zweite Frage ist: Warum braucht das Gewitter eine möglichst gute 
Windscherung für eine stärkere Entwicklung? Dafür muss man sich 
Gedanken über den Lebenszyklus von Gewittern machen. Dabei hilft der 
Blick auf das Tagesthema vom 17.06. und die Vorstellung eines 
aufsteigenden Luftpakets. So werden durch die Zutat Hebung 
fortwährend feuchtwarme Luftpakete gehoben (Aufwind) und können die 
für Gewitter verfügbare Energie nutzen. Infolge der Hebung kühlt sich
die Temperatur des Pakets ab und seine relative Luftfeuchte steigt 
an. Irgendwann ist Sättigung erreicht und es bilden sich Wolken und 
nachfolgend der Niederschlag.

Nach einer gewissen Zeit werden die Niederschlagspartikel (Hagel, 
Regen) so groß und schwer, dass diese aus der Gewitterwolke ausfallen
(Abwind). Die Luft unterhalb der Gewitter kühlt sich in der Folge ab,
unter anderem durch Verdunstung. Das Blöde ist, dass der Abwind die 
Gewitter vom Aufwind und damit der Zufuhr der notwendigen 
feuchtwarmen Luftpakete abschneidet. Das heißt, als Resultat geht der
Aufwind kaputt und das Gewitter fällt wieder in sich zusammen. So ein
Gewitterlebenszyklus dauert in etwa 30 bis 60 min.

Und jetzt kommt die Windscherung ins Spiel: Durch zum Beispiel eine 
Zunahme des Windes mit der Höhe, werden die sich bildenden 
Niederschlagspartikel in eine andere Region transportiert, wo sie 
sich dann abregnen können. Die vertikale Windscherung bewirkt also 
eine Trennung von Aufwind und Abwind und die Zufuhr feuchtwarmer Luft
bleibt bestehen. Die Gewitter bekommen dadurch eine längere 
Lebensdauer und können sich kräftiger entwickeln.

Bei ausreichend vertikaler Windscherung können sich sogar sogenannte 
Superzellen entwickeln. Diese haben noch eine ganz besondere 
Eigenschaft: Sie zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass Auf- und 
Abwindbereich voneinander getrennt sind, die Gewitterzelle wird sogar
in Rotation versetzt. Man nennt einen solchen rotierenden 
Wolkenanteil "Mesozyklone". 

Solche Superzellen sind besonders gefährlich, da durch die rotierende
Mesozyklone ideale Bedingungen für alle möglichen heftigen 
Begleiterscheinungen herrschen. So geschehen am gestrigen Montag 
südlich der Donau. Neben heftigem Starkregen (bis 50 l/qm in 1h) und 
Böen bis in den Orkanbereich waren vor allem auch großer Hagel bis 6 
cm ein Thema.

Um langlebige und kräftige Gewitter zu bekommen, braucht es als eine 
gute Überlappung von hohen CAPE-Werten und kräftiger vertikaler 
Windscherung. Auch heute sind diese Bedingungen ausgehend von den 
Alpen (Allgäu bis Berchtesgadener Land) bis ins Alpenvorland gegeben.
Dementsprechend besteht ab dem Nachmittag wieder ein erhöhtes 
Superzellen- und Unwetterpotential.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 22.06.2021

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