Thema des Tages

Von negativen Energien und Kochtopfdeckeln


Nicht selten ist viel Energie in der Atmosphäre vorhanden und 
trotzdem entstehen keine Gewitter oder nur punktuell über dem 
Bergland. Warum ist das so?


In diesen Tagen ist der Hochsommer in Deutschland angekommen. Bei 
Spitzenwerten bis 37 Grad herrscht vielerorts eine starke 
Wärmebelastung. Wenn es heiß ist, kommt vielen Menschen auch direkt 
die Frage nach möglichen Gewittern in den Sinn. Wie wir an die 
Gewittervorhersage im DWD mit Hilfe der sogenannten Zutatenmethode 
herangehen, wurde bereits im Thema des Tages vom 09.05.2021 erläutert
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/5/9.html). 
Heute soll es ganz konkret um die Frage der Gewitterauslöse gehen. 

Beginnen wir mit einer Sache, die sich jeder gut vorstellen kann: Ob 
bei Geburtstagen, Hochzeiten oder Geschäftseröffnungen. Mit Helium 
gefüllte Luftballons sind da ein gern genommenes Utensil. Lässt man 
die Ballons los, dann steigen sie nach oben, weil Helium eine 
geringere Dichte als Luft hat und somit leichter ist.

Die Dichte der Luft selbst ist nicht überall gleich. Die Luftdichte 
hängt von der Temperatur und vom Gehalt an Wasserdampf ab. So ist 
trockene Luft schwerer als feuchte Luft oder kalte schwerer als warme
Luft.

Kommen wir zurück zu unserem Ballon und füllen diesen mit Luft die 
eine Temperatur und Feuchte wie am Boden aufweist. Der Einfachheit 
halber nennen wir den Ballon "Luftpaket".
Dann muss man noch wissen, dass sich die Temperatur in der Atmosphäre
ändert. In aller Regel nimmt die Temperatur mal mehr, mal weniger 
stark mit der Höhe ab. Geben wir ihr den Namen "Umgebungsluft".

Wenn wir das Luftpaket nun starten lassen, dann ändern sich die 
Eigenschaften der Umgebungsluft. Für ein weiteres (fortwährendes) 
Aufsteigen des Pakets ist es erforderlich, dass es leichter ist, also
eine geringere Dichte aufweist. Das kann man vereinfacht mit der 
Temperatur betrachten. Ist das Luftpaket wärmer als die 
Umgebungsluft, kann es weiter aufsteigen. Beim Aufstieg nimmt seine 
Temperatur fortwährend mit einer bestimmten Abkühlungsrate ab. Diese 
Rate wird definiert über die Temperaturgradienten. Trockene Luft 
kühlt dabei schneller als feuchte Luft ab. Die Umgebungsluft ist 
hingegen nicht an eine bestimmte Abkühlungsrate gebunden. Sie 
definiert sich über die Bedingungen der vorhandenen Luftmasse.

Warum muss man das jetzt alles wissen? Damit sich (Gewitter-)Wolken 
und Niederschlag bilden ist es erforderlich, dass es diese 
aufsteigenden Luftpakete gibt. Ein Paket steigt auf und kühlt sich 
dabei ab. Solange es aber weiter wärmer als seine Umgebung ist, setzt
sich sein Aufstieg beschleunigend fort. Die resultierende Stärke 
dieses Aufwindes definieren wir mit einer Energie, dem CAPE 
(convective available potential energy). Je höher diese Energie ist, 
desto kräftiger können die Aufwinde und damit auch die Gewitter 
ausfallen.

Im Namen steckt aber auch schon das Wort "Potential". Das heißt es 
handelt sich um eine Energie, die "potentiell" verfügbar ist. Es kann
somit also auch sein, dass die Gewitter diese Energie gar nicht 
nutzen können. 
Zurück zu unserem Luftpaket. Es kann ja durchaus passieren, dass 
dieses gerade im unteren Atmosphärenbereich kälter als die 
Umgebungsluft ist. Dann ist es auch schwerer und kann folglich nicht 
bis zu dem Bereich aufsteigen, wo die "schöne" für die Gewitter 
relevante Energie liegt. Auch dafür lässt sich eine Energie 
definieren, das sogenannte CIN (convective inhibition). Dabei steht 
inhibition für "Hemmung". Es handelt sich also definitionsgemäß um 
eine negative Energie. Bildlich kann man sich dies als den Deckel auf
dem "Gewitterkochtopf" vorstellen, der erst einmal gebrochen bzw. 
entfernt werden muss, bevor sich die Gewitter entwickeln und das 
Potential nutzen können.

Aber wie kann der Deckel eigentlich gebrochen werden? Dafür brauchen 
wir die Zutat Hebung. Wie im vergangenen Thema des Tages beschrieben,
können das zum Beispiel Fronten oder Windkonvergenzen sein, oder wenn
nichts vorhanden ist, auch die Orografie. Wichtig ist dabei nur, dass
der Deckel nicht all zu festsitzt, denn sonst kann auch die Hebung 
nicht mehr helfen.

Auch heute stehen wir vor der Problematik, dass im Westen zwar viel 
CAPE da ist, aber eben auch etwas CIN. Gleichzeitig mangelt es aber 
an Hebung um den Deckel zu durchbrechen. Folglich kann die Energie 
kaum genutzt werden. Ganz vereinzelt ist es aber nicht 
ausgeschlossen, dass sich am späten Nachmittag und Abend mal ein 
Gewitter entwickelt, dass dann auch kräftig ausfallen kann.
Morgen kommt die gedeckelte, energiereiche Luftmasse weiter ostwärts 
voran. Dann sind Signale für Hebung auch besser vorhanden. Die 
Luftpakete können also häufiger den Deckel durchbrechen und es muss 
in einigen Regionen mit Schwergewittern gerechnet werden. Alle 
Details dazu können Sie über unsere sozialen Kanäle und den 
Internetauftritt sowie mit der WarnwetterApp verfolgen.



Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 17.06.2021

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