Thema des Tages

Drohende Naturkatastrophe am Arabischen Meer

Der ungewöhnlicher starke Zyklon TAUKTAE bedroht in den kommenden 
Tagen Teile Indiens und Pakistans.

Schon seit einigen Tagen blicken Atmosphärenforscher und 
Tropenwetter-Experten mit Sorge zum westlichen Indischen Ozean und 
speziell zum Arabischen Meer. In diesen Tagen stellen sich dort 
nämlich extrem förderliche Bedingungen für die Entwicklung starker 
tropischer Wirbelstürme ein. Das betrifft gleichermaßen großräumige 
wie regionale atmosphärische Strömungsbedingungen und nicht zuletzt 
auch die Meeresoberflächentemperaturen. 

Im Hinblick auf die großräumigen, globalen Strömungsbedingungen in 
den Tropen ist die Madden-Julien-Oszillation (MJO) von herausragender
Bedeutung. Die MJO ist ein Zirkulationsphänomen, das innerhalb von 30
bis 60 Tagen in den Tropen, etwa zwischen 20 Grad Nord und 20 Grad 
Süd, ostwärts einmal um den Globus wandert. Dabei wird zwischen einer
feuchten Phase mit verstärkten (schauerartigen und gewittrigen) 
Regenfällen und einer trockenen Phase, in der die 
Niederschlagsneigung unterdrückt wird, unterschieden. Die feuchte 
Phase der MJO ist bereits Anfang Mai zum westlichen Indischen Ozean 
gelangt und verstärkt sich dort unter zunächst nur langsamer weiterer
Verschiebung nach Osten. Damit sind die Grundvoraussetzungen für 
Konvektion, also Schauer und Gewitter, gegeben. 

Schaut man nun auf die regionalen Strömungsbedingungen, fällt auf, 
dass gerade über Teilen des Arabischen Meeres sehr schwache Winde 
herrschen und damit auch geringe Windscherung (Änderung des Windes 
mit der Höhe). Zudem liegen die Temperaturen des 
Meeresoberflächenwassers verbreitet mehr oder weniger deutlich über 
den Mittelwerten. Warmes Meereswasser als Treibstoff und kaum 
hemmende Windscherung: Es scheint alles angerichtet für besonders 
kräftige Schauer- und Gewittersysteme, die zu starken tropischen 
Wirbelstürmen heranreifen könnten.

Und tatsächlich: Betrachtet man am heutigen Samstagmorgen die 
Satellitenbilder, erkennt man massive Bewölkung über dem Westindik, 
die die aufflammende Schauer- und Gewittertätigkeit eindrücklich 
aufzeigt. Besonders auffällig ist ein "Wolkenbatzen" vor der 
Südwestküste Indiens, der sich bereits in deutliche Rotation um ein 
Drehzentrum etwa 200 km vor der Küste des indischen Bundesstaates 
Karnataka versetzt hat. Die starke, hochreichende Konvektion und 
deren Drehbewegung um ein gemeinsames Zentrum veranlassten die 
zuständigen Behörden dazu, das System als tropischen Sturm zu 
klassifizieren. Der auf den Namen TAUKTAE getaufte Sturm ist der 
erste dieses Jahres über dem nördlichen Indischen Ozean.

Die extrem förderlichen Bedingungen lassen eine weitere, sehr 
schnelle Verstärkung vermuten. Schon heute dürfte TAUKTAE zu einem 
waschechten Zyklon heranreifen. Nach Angaben des Joint Typhoon 
Warning Center (JTWC) soll TAUKTAE bis kommenden Dienstag mit 
mittleren Windgeschwindigkeiten über 200 km/h sogar die zweithöchste 
Kategorie eines "extrem gefährlichen Zyklons" erreichen. Das 
entspricht der dritthöchsten Kategorie der für Hurrikane angewendeten
Saffir-Simpson-Skala.

Allerdings ist die Vorhersage im Hinblick auf die Intensität relativ 
unsicher, was insbesondere mit Problemen der Verlagerungsprognose 
zusammenhängt. Am Rande eines Subtropenhochs weiter östlich wird 
TAUKTAE zwar tendenziell nach Norden verfrachtet, allerdings ist 
völlig unklar, in welcher Entfernung zur indischen Küste. Das 
europäische Wettermodell IFS lässt den Zyklon sehr nahe entlang der 
Küste nach Nordnordwest ziehen, sodass sich neben der Reibung an den 
Landflächen auch trockene Luft hemmend auf die Verstärkung auswirken 
kann. Im amerikanische Wettermodell GFS dagegen hält TAUKTAE 
ausreichend Abstand zu störenden Land- und Luftmassen.

Doch selbst wenn TAUKTAE einen "Sicherheitsabstand" zur Küste hält, 
treiben kräftige westliche Winde Schauer- und Gewitterwolken gegen 
die Kardamon- und Nilgiri-Berge sowie die West-Ghats im Südwesten des
Landes, wo sie sich stauen und abregnen. Dadurch sind mehrere Hundert
Liter Regen pro Quadratmeter möglich, die zu Überschwemmungen und 
Erdrutschen führen können. 

Die Vorhersageunsicherheit lässt uns auch im Dunklen darüber, wo 
TAUKTAE auf Land treffen wird. Wahrscheinlich passiert dies in der 
zweiten Wochenhälfte (ab Mittwoch) irgendwo zwischen der 
westpakistanischen Küste und der Küste des indischen Bundestaates 
Gujarat. Dort drohen dann die heftigsten Auswirkungen durch 
sintflutartige Regenfälle und Orkanböen - nicht zuletzt auch durch 
die teilweise dichte Besiedlung.

Unabhängig davon, wie stark TAUKTAE nun wirklich wird, handelt es 
sich um ein außergewöhnliches Wetterereignis, das im Kontext des 
Klimawandels zu sehen ist. Denn starke Zyklone sind vor Beginn des 
Monsuns eigentlich sehr selten, häuften sich allerdings in den 
letzten Jahren deutlich. Das erste Mal seit Beginn 
satellitengebundener Fernerkundung traten Zyklone über dem Arabischen
Meer in vier aufeinanderfolgenden Jahren (2018, 19, 20 und 21) auf.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 15.05.2021

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