Thema des Tages

Niederschlagswahrscheinlichkeit - Was steckt dahinter?

Für Planungen im Freien wird gern die Niederschlagswahrscheinlichkeit
von Wetterapps betrachtet, ohne zu wissen, was es mit dieser 
Prozentangabe genau auf sich hat - Fehlinterpretationen können die 
Folge sein. Das heutige Thema soll etwas Klarheit schaffen.

Auch wenn sich der Frühling im diesjährigen April bisher häufig von 
seiner kühlen Seite zeigt, zieht es die Leute bei Sonnenschein immer 
öfter nach draußen. Doch gerade im Sommerhalbjahr lassen nach einem 
sonnigen Tagesbeginn Schauer und Gewitter oft nicht lange auf sich 
warten, was wir auch in den letzten Wochen allzu oft erfahren 
mussten. Planen Sie eine längere Wanderung in der blühenden Natur, 
dann fragen Sie sich vorher mit Sicherheit, ob Sie einen Regenschirm 
in den Rucksack packen sollten oder nicht. Oder Sie stellen sich als 
Familienvater die Frage, welcher Abend sich am besten eignet, um mit 
Ihren Grillkünsten Frau und Kinder zu verwöhnen. Bestimmt haben Sie 
für Ihre Entscheidungsfindung auch schon einmal die Niederschlags- 
oder Regenwahrscheinlichkeit am gewünschten Ort im Internet oder in 
einer Wetterapp zu Rate gezogen, ohne genau zu wissen, was es damit 
auf sich hat. Auf den ersten Blick erscheint diese 
Wahrscheinlichkeitsaussage einfach und logisch, auf den zweiten Blick
birgt sie aber einige Tücken. Sie kann leicht missverstanden werden 
und möglicherweise zieht man dadurch sogar die falschen Schlüsse für 
die Freizeitplanung. Glauben Sie nicht? Dann beantworten Sie sich 
folgende Frage:

"Wetterstadt (*), Dienstag, 27.04.: Regenwahrscheinlichkeit 30%" - 
was bedeutet das genau? Regnet es an 30% des Tages, also etwa 7 
Stunden am Tag? Oder ist in 30% des Stadtgebiets von Wetterstadt mit 
Regen zu rechnen? Oder öffnet der Himmel zu 30% irgendwo in 
Wetterstadt seine Schleusen, während es zu 70% überall in der Stadt 
trocken bleibt? Sie sind sich nicht ganz sicher? Keine Sorge - bei 
einer Umfrage in einer Fußgängerzone kamen hierzu die 
unterschiedlichsten Meinungen heraus.

Doch was ist nun richtig? Im Prinzip bedeutet eine 
Niederschlagswahrscheinlichkeit von 30% für Wetterstadt, dass es dort
im angegebenen Zeitraum zu 30% regnet (oder schneit) und zu 70% 
trocken bleibt. Anders ausgedrückt, gab es an diesem Ort bei 
vergleichbaren Wetterlagen nur in 3 von 10 Fällen Niederschlag in 
Form von Regen oder Schnee. Bei großflächigen Niederschlagsgebieten, 
beispielsweise entlang von Frontensystemen, ist diese Aussage nun 
leicht zu verstehen. Zu 30% erreicht das Niederschlagsgebiet 
Wetterstadt und zu 70% zieht es an Wetterstadt vorbei.

Schwieriger gestaltet es sich bei Schauer- und Gewitterlagen. 
Kleinräumige Schauer erfassen meist nicht das gesamte Stadtgebiet. 
Darf man nun bei einer Regenwahrscheinlichkeit von 30% damit rechnen,
dass zu 30% irgendwo in Wetterstadt ein Regentropfen fällt oder dass 
Sie selbst zu 30% von einem Schauer in Ihrem Stadtteil getroffen 
werden? Da die genaue Zugbahn von Schauern und Gewittern nicht exakt 
vorhergesagt werden kann, muss man hier etwas "über den Tellerrand 
blicken". Eine Regenwahrscheinlichkeit von 30% kann man so 
interpretieren, dass sich in der näheren Umgebung von Wetterstadt bei
vergleichbaren Wettersituationen statistisch gesehen in 3 von 10 
Fällen Schauer entwickelt haben.

Soviel zur Theorie...aber wie verwendet man nun diese Prozentangabe 
für Planungen im Freien? Bei einer Regenwahrscheinlichkeit von 90% 
ist es fast sicher, dass Sie nass werden, wenn Sie sich für längere 
Zeit draußen aufhalten. Eine solch hohe Wahrscheinlichkeit findet man
meist nur bei großflächigen Niederschlagsgebieten, die den gesuchten 
Ort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erreichen. Auch bei 70% sollten
Sie den Regenschirm lieber nicht zuhause vergessen. Bei 50% besteht 
zumindest eine "50:50-Chance", dass es während des Grillabends 
trocken bleibt und etwaige Schauer an Ihnen vorbeiziehen. 
Risikofreudige können also vorsorglich Grillgut besorgen. Bei 30% 
bedarf es schon etwas Pech, dass an Ihrem Aufenthaltsort Regen fällt 
oder ein Schauer vorüberzieht. Auch wenn die Chancen gut stehen, dass
es trocken bleibt, sollte man dennoch im Hinterkopf behalten, dass 
ein gewisses Schauer- oder Gewitterrisiko besteht. Sollte tatsächlich
ein Gewitter aufziehen, kann es durchaus heftig zur Sache gehen. Die 
Regenwahrscheinlichkeit sagt nämlich nichts über die Dauer und 
Intensität der Niederschläge aus! Sinkt die Regenwahrscheinlich unter
10%, steht (zumindest bezüglich des Wetters) einem Aufenthalt im 
Freien (fast) nichts mehr im Wege.

Zusätzlich sollte man noch berücksichtigen, auf welchen Zeitraum sich
die Niederschlagswahrscheinlichkeit bezieht. Ist sie für den gesamten
Tag angegeben, lohnt sich ein Blick auf zusätzliche 
Wetterinformationen. Zieht am Vormittag mit hoher Wahrscheinlichkeit 
ein Regenband durch, bedeutet eine Regenwahrscheinlichkeit von 90% 
nicht zwangsläufig, dass Sie auf das nachmittägliche Sonnenbad 
verzichten müssen.

Und nun nichts wie raus ins Freie! Heute zeigt die 
Niederschlagswahrscheinlichkeit Ihrer Wetterapp sicherlich sehr 
geringe Werte an - Sie werden kaum einen Regentropfen zu Gesicht 
bekommen. Nur im äußersten Nordosten ist die 
Niederschlagswahrscheinlichkeit wegen einzelner leichter Schauer 
etwas erhöht, von langer Dauer sind diese aber auch nicht.

(*) fiktiver Stadtname


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 26.04.2021

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