Thema des Tages

Das große Schmelzen beginnt

Das arktische Meereis hat im März seine maximale Ausdehnung erreicht.
Doch nun beginnt die Schmelzsaison und nach den neuesten 
Langfristprognosen könnte diese erneut besonders stark ausfallen.


Für gewöhnlich erreicht das arktische Meereis im März seine größte 
Ausdehnung und Mächtigkeit. Das diesjährige Maximum der Eisausdehnung
vom 21. März beträgt 14.77 Millionen Quadratkilometer (km2). 
Tatsächlich ist die Ausdehnung des arktischen Meereises in diesem 
Jahr etwas größer als in einigen zurückliegenden Jahren (besonders 
2015-2018), fällt aber weiterhin deutlich geringer aus als das 
30-jährige Mittel (1981-2010). 

Die Schmelzsaison beginnt normalerweise im März, nachdem die maximale
Eisausdehnung erreicht wurde, und dauert bis in den September. Die 
beigefügte Abbildung 1 (https://t1p.de/63rr) zeigt den 
jahreszeitlichen Verlauf der Meereisausdehnung der Jahre 2016-2021 
und des Jahres 2012 (weiterführende interaktive Grafik der Jahre 
1929-2021 unter: https://nsidc.org/arcticseaicenews/charctic-interactive-sea-ice-graph
/). Die maximale Eisfläche in der Arktis fiel im März 2021 
vergleichsweise ähnlich aus wie im Jahr 2019 und liegt dabei noch 
über den Negativjahren 2016-2018. Im Vergleich zum März 2020 zeigt 
sich jedoch ein kleines Defizit, was im Hinblick auf die 
bevorstehende Schmelzperiode zumindest erste Sorgenfalten auftreten 
lässt. Denn es ist zu konstatieren, dass zum Ende der Schmelzperiode 
2020 immerhin die zweitniedrigste Eisfläche verzeichnet wurde, trotz 
der vergleichsweise größeren Meereisausdehnung. Nur 2012 hält immer 
noch den Rekord für die niedrigste Eisausdehnung seit Beginn der 
satellitengestützten Beobachtungen im Jahr 1979.

Der Blick auf die aktuelle Eisausdehnung und Konzentration (Abbildung
2: https://t1p.de/63rr) zeigt im Vergleich zum langjährigen Mittel 
(orangene Linie) vor allem größere Defizite in den Randbereichen: 
Sankt-Lorenz Golf (östliches Kanada), Barentssee, Karasee und 
Beringmeer. Gibt die gemessene Fläche nicht schon genug Grund zur 
Besorgnis, dann bringt die Meereiskonzentration und die Eisdicke in 
Kombination mit dem Volumen eher weitere Ernüchterung. Die 
Meereiskonzentration (siehe ebenfalls Abbildung 2) zeigt den 
prozentualen Anteil Eis im arktischen Ozean und seinen Randmeeren an.
Vor allem im Bereich der Randmeere liegt die aktuell gemessene 
Konzentration bereits bei Werten um 50 % oder niedriger. Die Eisdicke
fällt unter anderen durch die Meeresströmungen sehr variabel aus und 
zeigt, wo das Eis dicker und wo es dünner und somit anfälliger für 
das Schmelzen ist. Aber auch hier zeigt sich das Offensichtliche 
(siehe Darstellung des Dänischen Wetterdienstes: http://polarportal.dk/en/sea-ice-and-icebergs/sea-ice-thickness-and-v
olume/): Das dünnere Eis befindet sich an den Außenkanten, die 
bereits zu schmelzen beginnen. Verglichen mit dem Vorjahr fällt das 
maximale Eisvolumen diesen März immerhin geringfügig höher aus und 
landet bei etwa 22.000 km3. Im Vergleich zum langjährigen Mittel ist 
das Eisvolumen dennoch um etwa 15 % niedriger.

Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Winter in 
den arktischen Regionen im globalen Vergleich gesehen die positivste 
Temperaturanomalie verzeichnet. Große Bereiche der Arktis und dem 
nordöstlichen Kanada wiesen eine positive Temperaturabweichung von 
2-4, teilweise bis 6 Kelvin auf. Nur im westlichen Sibirien konnte 
eine stark negative Temperaturabweichung zum Klimamittel registriert 
werden. Eine leicht negative Anomalie ließ sich auch in den 
nordwestlichen (sowie in den südlichen) Regionen Nordamerikas 
feststellen. Der Grund dafür lässt sich in den vorherrschenden 
Luftdruckmustern finden. Der Winter 2020/2021 war vor allem von 
kräftigen Hochdrucksystemen über dem Arktischen Ozean, Grönland und 
dem Nordosten Kanadas geprägt. Der hohe Druck über den arktischen 
Regionen hat die kältere Luft nach Sibirien und nach Nordamerika 
gedrängt. Der Hauptgrund für dieses Ereignis ist in der Erwärmung der
Stratosphäre Anfang Januar 2021 zu finden (detailliertere 
Erläuterungen zur Stratosphärenerwärmung in den Themen des Tages vom 
10.01.2021 (https://t1p.de/mpmv) und 14.01.2021 
(https://t1p.de/1t70)).

Nun bleibt abzuwarten, wie niedrig die Ausdehnung der 
Meereisbedeckung am Ende der arktischen Schmelzperiode im September 
ausfallen wird. In den aktuellen Jahreszeitenvorhersagen 
verschiedener Modelle (DWD: https://www.dwd.de/DE/leistungen/jahreszeitenvorhersage/karten.html?n
n=612472 ; NCEP: https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/CFSv2/imagesInd3/glbT2mSeaInd2
.gif ) jedenfalls liegt die Temperaturanomalie für die Monate Mai bis
Juli für die meisten arktischen Regionen weit über dem Normalwert. 
Solche Temperaturverteilungen können die Schmelzsaison des arktischen
Meereises stark ankurbeln. Berechnungen gehen von einer 
Meereisausdehnung von unter vier Millionen Quadratkilometern aus. 
Inwiefern ein neuer Negativrekord erreicht und das absolute Minimum 
von 2012 mit 3.4 Millionen Quadratkilometern unterschritten wird, 
wird man im September sehen.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 01.04.2021

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon