Thema des Tages

Verkehrte Welt - der faszinierende Mpemba-Effekt

Gefriert heißes Wasser schneller als kaltes Wasser?  - Unter 
bestimmten Bedingungen passiert dies tatsächlich. Bekannt ist das 
paradox klingende Phänomen als Mpemba-Effekt.

Schnee und Kälte hatten Deutschland bis zum vergangenen Wochenende 
über einige Tage fest im Griff. Tagelanger Dauerfrost und teilweise 
strenge Nachtfröste im zweistelligen Minusbereich standen fast in 
allen Regionen des Landes auf dem Programm. Neben Meteorologen trieb 
es wetterinteressierte "Forscher" und Fotografen in die Kälte um 
einen faszinierenden als auch wunderschön anzuschauenden Versuch 
durchzuführen: Unter freiem Himmel wird heißes Wasser aus einem Glas 
oder einer Thermoskanne in die Luft geworfen. Dabei gefriert es, noch
bevor es zu Boden fällt (siehe animierte Bildaufnahme unter: 
https://t1p.de/vl40). Führt man diesen Versuch hingegen mit kaltem 
Wasser durch, dann gelingt dieser Trick nicht annähernd so gut. Diese
paradox erscheinenden Tatsache, dass wärmeres Wasser unter gewissen 
Bedingungen schneller zu Eis wird als kälteres, wird als 
Mpemba-Effekt bezeichnet. 

Bereits die alten Griechen sind auf dieses Phänomen gestoßen und der 
Philosoph und Wissenschaftler Aristoteles erwähnte es bereits im 
vierten Jahrhundert vor Christus schriftlich in seinen 
Aufzeichnungen. Ihm nacheifernd versuchten vor allem seit der Neuzeit
immer wieder Wissenschaftler der Besonderheit auf den Grund zu gehen,
schafften es allerdings nicht, eine schlüssige Erklärung zu finden. 
Zwischenzeitlich ging die Thematik verloren, um 1963 schließlich 
wieder aktuell zu werden. Der junge Schüler Erasto B. Mpemba aus 
Tansania entdeckte beim Versuch Speiseeis herzustellen diesen 
schließlich nach ihm benannten Effekt wieder. Mpemba stellte die 
zuvor erhitzte Milch für das Speiseeis direkt in die Kühltruhe. Dort 
standen bereits identische Gefäße mit Milch, die bereits deutlich 
kälter waren. Dennoch stellte Mpemba fest, dass seine Milch - die 
zuvor heiße -  zuerst gefror.

Dieser Wettlauf zum Gefrierpunkt zwischen zwei Gefäßen, die mit 
unterschiedlich temperierten Flüssigkeiten (z.B. Wasser oder auch 
Milch) gefüllt sind, funktioniert allerdings nicht bedingungslos. So 
benötigt man die identische Menge an Flüssigkeit. Der 
Temperaturunterschied zwischen den beiden Mengen sollte möglichst 
groß sein, wobei die Temperatur der kälteren Flüssigkeit nicht zu nah
am Gefrierpunkt sein sollte, da diese sonst einen uneinholbaren 
Vorsprung hätte. Zugleich müssen auch Luftdruck sowie Temperatur der 
Umgebung identisch sein. Außerdem muss der Versuch in einem offenen 
thermodynamischen System stattfinden. Das heißt, die Flüssigkeiten 
müssen Energie und Materie mit der Umgebung austauschen können. Unter
diesen Bedingungen lässt sich beobachten, dass das zu Versuchsbeginn 
wärmere Wasser schneller gefriert als das ursprünglich kältere 
Wasser.

Soweit so gut. Schwieriger wird es bei der genauen Ursachenforschung 
des Mpemba-Effektes. In der Wissenschaft existiert eine Vielzahl an 
Hypothesen über dieses scheinbare Paradoxon. Die bekannteste 
Hypothese sieht die wesentliche Ursache in der Verdunstung. Da der 
Dampfdruck (siehe DWD Lexikon) exponentiell mit der Temperatur 
ansteigt, nimmt die Menge des wärmeren Wassers durch Verdunstung im 
Vergleich zur Menge des kühleren Wassers überproportional ab. Das 
bedeutet, mehr heißes als kaltes Wasser verdampft, sodass die Menge 
des wärmeren Wassers beim Erreichen des Gefrierpunkts kleiner ist als
die des kälteren Wassers. Da eine geringere Wassermenge weniger Wärme
speichern kann als eine größere, gefriert die ehemals heißere und nun
geringere Menge schneller als die vergleichsweise größere und 
ursprünglich kältere.

Neuere wissenschaftliche Ansätze deuten darauf hin, dass etwa im 
Wasser gelöste Gase ebenfalls eine Rolle spielen können. Diese 
könnten sich auf die Wärmemenge der Wasserprobe auswirken oder die 
Wärmeleitfähigkeit der Flüssigkeit verändern, da die Gase und das 
Wasser verschiedene thermodynamische Eigenschaften besitzen. Außerdem
ist die Wasserlöslichkeit von Gasen temperaturabhängig. So nimmt etwa
warmes Wasser weniger Gas auf als kaltes, was den Mpemba-Effekt 
tendenziell sogar verstärken würde. Insgesamt wird der Einfluss der 
Gase in der Wissenschaft jedoch als gering eingeschätzt.

Weitere Untersuchungen geben Hinweise, dass Konvektion eine Rolle 
spielen könnte. Eine natürliche Konvektion entsteht durch einen 
Wärmegradienten (Temperaturunterschiede) in einer Flüssigkeit. 
Betrachten wir erneut unser Gefäß mit heißem Wasser in einer kalten 
Umgebung: Dann kühlen zuerst die äußeren Bereiche an den Rändern und 
der Oberfläche ab. In der Mitte des Gefäßes behält das Wasser 
hingegen am längsten seine Temperatur. Mit diesem Temperaturgefälle 
entsteht ein Dichteunterschied. Heißes Wasser hat eine geringere 
Dichte als kälteres. Dieser Umstand sorgt für Umwälzungen innerhalb 
der Flüssigkeit. Das heißere Wasser in der Mitte bekommt Auftrieb und
drängt nach oben. So setzten sich insgesamt die Wassermoleküle in 
Bewegung und es entsteht Konvektion, die wiederum Wärme 
transportiert. Je größer der Temperaturunterschiede zwischen Wasser 
und Umgebung ist, desto stärker die Konvektion und desto schneller 
die Abgabe von Wärme, was wiederum zur Abkühlung führt. Diesen 
Umstand macht man sich beispielsweise beim Umrühren seiner heißen 
Tasse Kaffee oder Tee zu Nutze, indem man von außen mit dem Löffel 
Konvektion simuliert, um ihn schneller abkühlen zu lassen.

Trotz vieler Versuche gibt es bis heute keine universell akzeptierte 
wissenschaftliche Erklärung des Mpemba-Effekts. Auch einen sinnvollen
praktischen Nutzen sehen die Wissenschaftler abgesehen vom 
Showcharakter in dem Phänomen nicht. Nichtsdestotrotz befassen sich 
viele Menschen, sobald es kalt genug ist, mit der "Magie" des 
Effektes. Sollte der Winter auch hierzulande noch einmal ausreichend 
frostig werden, ist jedoch beim Selbstversuch Vorsicht geboten, dass 
man sich nicht am heißen Wasser verbrüht (was so mancher 
Videomitschnitt schon gezeigt hat).


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 19.02.2021

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon