Thema des Tages

Grenzwertiger Positionskampf

Mit einer synoptischen Analyse sollen kurz die Randbedingungen 
erläutert werden, die uns letztendlich das derzeitige Winterwetter 
beschert haben. Dazu lohnt ein Rückblick auf Ende letzter Woche.

Im Verlauf der letzten Woche wurde ja nicht nur unter Meteorologen 
recht viel über die Wetterlage diskutiert, die da am Wochenende auf 
Mitteleuropa zurollte. Dabei war lange Zeit nicht klar, wie und vor 
allem wie weit nach Süden die arktische Kaltluft im Verlauf gelangen 
würde. 

Die Vorhersageunsicherheiten resultierten in diesem Fall auch von der
recht ungewöhnlichen Konstellation der verschiedenen Druckgebilde 
gerade in der mittleren Troposphäre (hier in etwa 5 bis 6 km Höhe). 
Gemäß beigefügter Grafik sieht man im europäisch-atlantischen Raum 
sehr schön zumindest vier synoptische Player in etwa 5,5 km Höhe 
(Temperatur und Geopotenzial auf dem Druckniveau 500 hPa, siehe 
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html). Die 
Druckverhältnisse vor allem in mittleren und höheren Schichten der 
Troposphäre werden in der Meteorologie durch das Geopotenzial 
ausgedrückt. 

Über dem Nordmeer sieht man auf der Grafik hohen Luftdruck in der 
Höhe, dagegen über Nordosteuropa tiefen Luftdruck. Auf der Südseite 
stehen diesen Druckgebilden einerseits eine langgestreckte 
Tiefdruckzone von den Britischen Inseln bis ins westliche Nordafrika 
sowie andererseits ein breiter Höhenrücken, der von Nordafrika bis 
ins zentrale Mittelmeer reicht, gegenüber. Das bildet den in der 
Meteorologie verwendeten Begriff des so genannten Viererdruckfeldes 
ab, Erläuterungen dazu siehe Thema des Tages vom 09.05.2020: 
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/5/9.html.

Diese Konstellation führt oft zu Deformationen zwischen den 
Druckgebilden und die normalerweise strömungsparallelen Winde in der 
Höhe sind nicht immer gewährleistet. Damit sind dann auch Bewegungen 
der Druckgebilde möglich, die von den Vorhersagemodellen nicht exakt 
prognostiziert werden. Diesen Umstand konnte man bei den 
Modellprognosen in der letzten Woche gut verfolgen, da u.a. auch 
verschiedene Modelllösungen mit leichten Verschiebungen der 
synoptischen Lage angeboten wurden. 

In der Grafik sieht man zudem (auch an der farblichen Darstellung der
Temperatur), welche Luftmassen dort aufeinandertrafen: subtropische 
Luft aus Nordafrika begegnete arktischer Polarluft über Mitteleuropa.
Ein frappierendes Ergebnis konnte man im Süden teils bis in die Mitte
Deutschlands spüren. Saharastaub wurde aus dem Regen gewaschen bzw. 
hat den Himmel milchig verfärbt.

Warum hat sich nun trotz tagelanger Grenzwetterlage die kalte Luft 
trotz anderer Optionen letztendlich durchgesetzt?  

In Nordeuropa herrschte eine massive nördliche Strömung zwischen den 
beiden Druckgebilden über dem Nordmeer und Nordosteuropa in der Höhe 
(gemäß Grafik). Im Verlauf etablierte sich dann auch eine Zone hohen 
Luftdrucks am Boden, die sich vom Nordmeer bis nach Skandinavien 
ausdehnte. Damit wird einerseits klar, dass der Kaltluftkörper über 
Nordeuropa forciert und andererseits sich über Mitteleuropa eine 
östliche bis nordöstliche Bodenströmung eingestellt hat, mit der die 
arktischen Luftmassen so allmählich weiter nach Süden einsickerten. 
Ungewöhnlich, allerdings aufgrund des beschriebenen Kräftemessens 
auch plausibel, ist der lange Zeitraum dieser Grenzwetterlage, 
gespickt mit allen meteorologischen Facetten rund um die teils 
stationäre Luftmassengrenze. 

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 09.02.2021

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