Thema des Tages
Spätherbst kontra Frühwinter mit der spannenden Frage der
Wettererscheinung
Zum meteorologischen Winterstart pendelt das Wetter zwischen
Spätherbst und Frühwinter und teilt Deutschland zunächst auf. Gerade
ab dem heutigen Abend wird es aus Wettersicht wieder spannend, wenn
von der Nordsee und Benelux Niederschläge übergreifen. Nicht überall
ist die Frage nach der Niederschlagsphase abschließend geklärt.
Derzeit thront das Azorenhoch weiter über dem Atlantik und kann
seinen Einflussbereich sogar in nördliche Richtungen erweitern, was
für das Wetter in Deutschland nicht ganz uninteressant ist. Auf der
anderen Seite jedoch schwächelt Hoch WILLY über dem östlichen
Mitteleuropa zunehmend und verabschiedet sich nach Südosteuropa.
Damit ist der Weg in der Sollbruchstelle zwischen den beiden Hochs
für tiefen Luftdruck frei.
Diese nutzt Tief UNDINE vor der Nordküste Norwegens, indem es einen
Ableger von Dänemark nach Benelux und Nordwestdeutschland schickt.
Als Verbindungsglied zwischen Muttertief UNDINE über Lappland und dem
Randtief fungiert ein zunehmend okkludierter Tiefausläufer, der sich
bis Dienstagmittag einmal von Nord nach Süd über Deutschland legt.
Somit wäre der Übergang von Hochdruckeinfluss mit ruhigem, teils zu
dichtem Nebel oder Hochnebel neigendem Wettercharakter hin zu
unbeständigem Tiefdruckwetter abgeschlossen. Da das Tief auf seiner
Westflanke zudem erwärmte Polarluft im Gepäck hat, und die bodennahen
Luftschichten während des Hochdruckwetters auskühlen konnten, kann
der Frühwinter erstmals Einzug halten. Doch wer genau ist davon
betroffen und welche Phase haben die fallenden Niederschläge?
Spannende Fragen, die von der Modellwelt unterschiedlich beantwortet
werden.
Relativ unstrittig ist, dass die Niederschläge im Nordwesten etwa bis
zum Rothaargebirge, Westerwald und Hunsrück bis in mittlere, teils
sogar bis in höhere Lagen rasch als Regen fallen. Durch den Zustrom
der erwärmten Nordseeluft kann sich die Milderung dort schnell
durchsetzen (vgl. Graphik 1). Allenfalls in den Kältelöchern des
Berglandes könnte es glatt werden, wenn der Niederschlag auf
gefrorenen Boden trifft.
Anders sieht es in Richtung Südosten aus. Vor allem in
Rheinland-Pfalz und dem Südwesten Hessens zeigen die Wettermodelle
verschiedene Niederschlagsphasen. Demnach sind Regen und Schnee
genauso möglich wie gefrierender Regen mit Glatteisbildung. Aber was
liegt diesem zu Grunde? Am Beispiel des Ballonaufstieges der Station
Idar-Oberstein kann man die Unsicherheiten bezüglich der Phase recht
gut erklären (vgl. Graphik 2).
Der Wetterballonaufstieg liefert dem Meteorologen Informationen über
die unteren 10 bis 15 km der Atmosphäre. Im Aufstieg vom heutigen
Montagnachmittag (schwarze Linien) kann man sehr gut erkennen, dass
die Luft über der Station noch hochreichend trocken ist. Dies lässt
sich an dem meist recht großen Abstand zwischen der schwarz
gestrichelten und schwarzen durchgezogenen Linie feststellen. Zudem
ist auffällig, dass der Temperaturverlauf (schwarze durchgezogene
Linie) etwa zwischen 500 und 200 Metern deutlich positiv ist, am
Boden aber einen sogenannten frostig kalten Fuß aufweist. Bei einem
solchen Aufstieg ist nicht mit Niederschlag zu rechnen. Würde
Niederschlag fallen, wäre der positiv temperierte Bereich groß genug,
den fallenden Schnee zu schmelzen. Der entstehende Regen kann dann am
frostigem Boden gefrieren und es bildet sich Glatteis.
Der grüne Ballonaufstieg zeigt die troposphärischen Verhältnisse nach
dem deutschen Wettermodell um 1 Uhr nachts. Man kann festhalten, dass
die trockenen Schichten verschwunden sind. Vor allem in den höheren
Luftschichten ist zunächst feuchte Luft vorangekommen. Entstehende
Niederschläge sind dann in die trockenen, tieferen Schichten gefallen
und haben diese angefeuchtet. Durch die Verdunstung ist der Luft
dabei bis zur Feuchtesättigung Energie entzogen worden, sodass die
Temperaturen zurückgegangen sind. Die sogenannte
Verdunstungsabkühlung führt schließlich bevorzugt in den unteren
Höhenschichten dazu, dass die warme Nase (positiver
Temperaturbereich) abgebaut, also kleiner wird. In höheren Schichten
sorgt zudem die Warmluftadvektion für das Aufsteigen der Luft, sowie
entsprechende Abkühlung. Genau diese beiden beschriebenen Prozesse
sind aber mit größeren Unsicherheiten behaftet. Ist die
Warmluftadvektion sehr stark, kann sie die Hebungsabkühlung
kompensieren und es wird rasch milder. Gleichermaßen stellt sich die
Frage, wie weit die sogenannte warme Nase in der Grenzschicht (untere
2000 m) abgebaut wird. Die blaue Fläche in unserem Modellaufstieg
zeigt, dass in diesem Fall der Warmlufteinschub nicht mehr ausreicht,
den Schnee zu schmelzen. Doch schon eine etwas größere Nase könnte
eine Teil- oder Vollabschmelzung bringen und bei frostigen
Bodentemperaturen vorübergehend gefrierenden Regen verursachen. Je
nachdem wie das Modell nun aufgebaut, programmiert und auch vertikal
aufgelöst ist, kann es unterschiedlich auf die Vorgänge reagieren.
Aufgrund der beschrieben Unsicherheiten bei den troposphärischen
Prozessen ist das Modell meiner Wahl am heutigen Mittag das
hochaufgelöste deutsche Modell (COSMO-D2). Dieses zeigt am
Dienstagmorgen südlich von Hunsrück und Westerwald in
Rheinland-Pfalz, dem Saarland sowie auch den Westen von
Baden-Württemberg und Hessen nur etwa oberhalb von 200 bis 400 m eine
Schneedecke von 1 bis 4 cm, weiter östlich wird es auch in tiefen
Lagen weiß. Im Bergland kann sich dagegen der Schnee akkumulieren.
Vor allem im Schwarzwald, dem Odenwald und dem Vogelsberg sind bis 10
cm, in den Hochlagen des Schwarzwaldes bis zum Abend auch bis 20 cm
Neuschnee möglich (vgl. Graphik 3).
Ab Mittwoch kann sich dann zwischen den steuernden Tiefdruckgebieten
im Bereich der Britischen Inseln und des Nordmeers sowie dem Tief
über dem zentralen Mittelmeerraum eine Tiefdruckrinne bilden, in der
sich schließlich auch Deutschland befindet. Während der Norden und
Westen nachfolgend mehr von den atlantischen Tiefs beeinflusst und
somit von milderer Luft geflutet werden, ist im Süden und Osten eher
eine kältere Luftmasse wetterwirksam, welche die Mittelmeertiefs von
Osten oder Südosten ins Land steuern. Dementsprechend zeigen die
Temperaturen tagsüber und in der Nacht ein kräftiges Gefälle vom
Nordwesten in den Südosten des Landes. Während im Südosten die
Höchstwerte bis Freitag um den Gefrierpunkt verharren und hier und da
etwas Schnee fällt, ist von Ostfriesland bis zum Niederrhein bei
teils windigen und milden 6 bis 8 Grad etwas Regen möglich.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.11.2020
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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