Thema des Tages

Vereisung in der Luftfahrt ? Teil 3: Raureif und Ice Crystal Icing


Der dritte Teil der Reihe zur Vereisung in der Luftfahrt widmet sich 
im heutigen Thema des Tages den meteorologischen Bedingungen und 
Auswirkungen der etwas spezielleren Vereisungsarten wie Raureif und 
von Ice Crystal Icing.

In den vorangegangenen Parts (Teil 1: https://bit.ly/35tljSr und Teil
2: https://bit.ly/35qyBir) haben wir gelernt, dass sich Eisansatz am 
Flugzeug vor allem dann bildet, wenn dieses durch eine Luftschicht 
mit flüssigem Wasserpartikeln fliegt, deren Temperatur unter dem 
Gefrierpunkt liegt. Heute blicken wir auf zwei Vereisungsprozesse, 
deren Bildung auf dem festen Aggregatzustand von Wasser fußt: 
Eiskristalle.

Raureif entsteht als weißer, kristalliner, federartiger Eisbelag 
durch Resublimation des Wasserdampfes (unmittelbarer Übergang vom 
gasförmigen in den festen Aggregatzustands) auf der Außenhaut von 
Luftfahrzeugen, wenn deren Temperatur unter dem Reifpunkt (siehe 
Glossareintrag zum Reifpunkt: https://bit.ly/2IYwawd) der Luft liegt.
Dieser kann sich an den Flugzeugen - überwiegend in der kalten 
Jahreszeit - durch Ausstrahlung bilden, wenn die Oberfläche gegenüber
der Lufttemperatur unterkühlt ist. Das ist häufig der Fall, wenn im 
Winter ein Flugzeug über Nacht außerhalb einer schützenden Halle, z. 
B. auf dem Vorfeld, abgestellt worden ist. Dann setzt sich der 
Wasserdampf der Luft an kalten Oberflächen in Form von Eiskristallen 
fest. Dieses Phänomen ist auch jedem Autofahrer im Winter geläufig, 
wenn man frühmorgens vor dem Weg zur Arbeit erst noch die Scheiben 
mühsam freikratzen muss. Aber auch Nebelfrostablagerungen, die sich 
aus unterkühlten Wassertröpfchen bei Nebel unter dem Gefrierpunkt 
bilden, können Raureif auf Oberflächen hervorrufen. Raureif kann auch
dann entstehen, wenn das Flugzeug aus größeren Höhen in eine warme, 
feuchte Luftschicht sinkt. Dabei können die Cockpitscheiben sehr 
schnell vereisen, sodass keine Sicht nach außen mehr besteht.

Raureif haftet schlecht am Flugzeug und wird nicht sehr dick. Vor dem
Flug ist trotzdem eine Enteisung erforderlich, da er insbesondere die
laminare Strömung über den Tragflächen erheblich beeinträchtigen 
kann. Gerade beim Start kann das fatale Folgen haben. Außerdem könnte
nicht entfernter Reif eine sehr gute Grundlage für spätere Vereisung 
in der Flugphase bilden.

Erst in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten wurde die 
Vereisungsgefahr durch Eiskristalle in Reiseflughöhe - also sehr 
großen Höhen - unter dem Thema "Ice Crystal Icing" etwas genauer 
unter die Lupe genommen. Grundsätzlich geht man davon aus, dass unter
einer Lufttemperatur von -40 Grad mit keinerlei Vereisung mehr zu 
rechnen ist. Die Luft ist einfach zu kalt, um überhaupt noch 
unterkühlte Wassertröpchen aufnehmen zu können. In Reiseflughöhe, die
etwa zwischen 9 und 12 Kilometer nahe der Tropopause liegt, ist die 
Temperatur nicht selten im Bereich um oder unter -55 Grad. Das stellt
zunächst keine Gefahr dar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass 
durch die Reibung der Luftteilchen am Flugzeug Wärme entsteht, die 
die Temperatur auf der Außenhaut des Flugzeuges erhöht. Diese 
Temperatur, die dem Piloten im Cockpit angezeigt wird, ist die 
sogenannte "Total Air Temperatur".

Bei Untersuchungen hat man festgestellt, dass vor allem Bereiche mit 
sehr kleinen Eiskristallen in hohen Konzentrationen innerhalb und in 
der Nähe von konvektiven Wettersystemen existieren. Dies tritt am 
häufigsten in tropischen Breiten auf, in denen diese Systeme am 
umfangreichsten sind. Die gebildeten Eiskristalle können sich in den 
großen Höhen einige Zeit halten nachdem die aktive Konvektion, die 
sie erzeugt hat, zu zerfallen begonnen hat. Sie sind mit etwa 40 
Mikrometer Durchmesser extrem klein und selbst bei hohen 
Konzentrationen tagsüber kaum visuell erkennbar. Das Hauptrisiko für 
hohe Eiskristallkonzentrationen besteht windabwärts von der 
sichtbaren Ambossform einer Gewitterwolke oder auch in der Nähe von 
Overshooting Tops (kuppelartige Ausbuchtungen an der Oberseite einer 
Gewitterwolke). 

Fliegt das Flugzeug nun durch solch eine Schicht, dann kann sich die 
Total Air Temperatur dem Gefrierpunkt annähern, wodurch die 
gefrorenen Eiskristalle durch Reibung wieder zu unterkühlten 
Wassertropfen werden. Diese können dann wieder an exponierten Stellen
des Flugzeuges ansetzen und Vereisung hervorrufen. Das passiert vor 
allem an relativ warmen Stellen wie dem beheizten Triebwerkseinlauf, 
den Schaufeln oder dem Spinner. Hier ist es noch relativ 
unproblematisch, da es durch die Rotation und die Bewegung des 
Triebwerkes abbricht und wieder schmilzt. Wenn sich das Eis jedoch in
tieferen Regionen des Kompressors absetzt, kann dies zu einem 
Leistungsverlust oder bis zum Abschalten des Triebwerks führen. In 
der beigefügten Grafik (https://bit.ly/3dQhgTP) ist eine schematische
Darstellung eines Triebwerkeinlaufes mit potentiellen Bereichen der 
Eisaggregation in den Kompressorbereichen dargestellt. Der Pilot kann
bei frühzeitigem Erkennen dagegen arbeiten, indem er Schub 
herausnimmt und damit die Temperatur im Triebwerk senkt oder die 
permanente Zündung einschaltet.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 23.10.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

Diesen Artikel und das Archiv der "Themen des Tages"
finden Sie unter www.dwd.de/tagesthema

Weitere interessante Themen zu Wetter und Klima finden
Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter: www.dwd.de/lexikon

====================================================
Sie können diesen Newsletter über die Webseite

   https://www.dwd.de/DE/service/newsletter/newsletter_thema_des_tages_node.html

zu jeder Zeit wieder abbestellen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Pressestelle des DWD

Telefon: 069 8062 4501
Fax: 069 8062 4509
E-Mail: pressestelle@dwd.de
====================================================