Thema des Tages

Die Bannerwolke in der Wissenschaft

Seit Hunderten von Jahren suchen Wissenschaftler nach einer Erklärung
für das Phänomen der sogenannten "Bannerwolke". Hier ein Überblick 
über die wissenschaftliche Geschichte der faszinierenden Wolke. 

Nach der Definition im ?Glossary of Meteorology? (deutsch: Glossar 
der Meteorologie) nach dem amerikanischen Meteorologen Todd S. 
Glickman handelt es sich bei einer Bannerwolke um eine fahnenartige 
Wolkenstruktur, welche sich häufig stromabwärts von isoliert 
stehenden, hochaufragenden Berggipfeln erstreckt. Selbst an generell 
wolkenfreien Tagen kann dieses beeindruckende Phänomen an Gebirgen 
wie dem Säntis und dem Matterhorn in der Schweiz, dem Mount Everest 
im Himalaja-Gebirge in Nepal und China oder auch an lang gezogenen 
Bergrücken wie dem Zugspitzgrat in Deutschland beobachtet werden. Die
wundervollen Schnappschüsse, die im Anhang an das Thema des Tages 
unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/9/23.html zu 
finden sind, zeigen eine Bannerwolke am Matterhorn und wurden von 
meiner Kollegin Magdalena Bertelmann bei einer Wanderung im Jahr 2014
aufgenommen. Dabei wird das Matterhorn im Bild von rechts angeströmt,
die Wolke liegt links im Lee auf der windabgewandten Seite. 


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts um das Jahr 1785 wurden Bannerwolken 
von einem französischem Physiker Marcellin du Carla noch als 
"Schmarotzerwolken" bezeichnet. Über ihre Entstehung konnte damals 
jedoch nur wild gerätselt werden. Eine anfängliche Hypothese stellte 
die Wolke gar als Dampf dar, der von einem unterirdischen Feuer 
genährt wird. 


Franz von Paula Schrank, einem Professor für Kameralwissenschaft mit 
den Schwerpunkten Landwirtschaft, Bergbau, Forstwirtschaft und 
Naturgeschichte an der ersten bayerischen Universität in Ingolstadt, 
zweifelte diese These einige Jahre später jedoch aus mehreren Gründen
an: Zum einen sei es schwer, zu erklären, wie ein unterirdisches 
Feuer über Jahrtausende fortbrennen könne, ohne durch die 
auflastenden Berge zu ersticken oder wegen aufgebrauchter 
Brennstoffquellen auszugehen. Darüber hinaus passe der "ewige Schnee"
nicht mit dieser Erklärung zusammen, denn dessen weiße Oberfläche 
reflektiere das Sonnenlicht und käme als Wasserlieferant somit nicht 
infrage. Vielmehr müsse der "Dunst", also die Wassertröpfchen der 
Wolke, aus den umliegenden Niederungen stammen und würde von den 
Bergen angezogen. Wenn der Wind den Dunst nun "beunruhige", würde 
sich dieser hinter den Berg legen. Die am Berg hängende Wolke 
enthalte darüber hinaus - wie übrigens jede Wolke - sogenannte 
?Feuerteilchen?, die an den kalten Berg abgegeben würden, wodurch 
sich dieser erwärme. Folglich rückten die ?Feuerteilchen? nahe am 
Berg enger zusammen und die Wolke erschiene dort dichter als in 
einiger Entfernung davon.


Etwa ein Jahrhundert später unternahm der häufig als Begründer der 
modernen Meteorologie bezeichnete Julius Ferdinand von Hann zusammen 
mit Kollegen im Jahr 1896 den Versuch einer weiteren 
wissenschaftlichen Beschreibung, welche neben der Skizze einer 
Bannerwolke am großen Wiesbachhorn in Österreich auch eine 
Entstehungshypothese beinhaltete. Diese basierte auf der Existenz 
eines sogenannten "Lee-Rotors", in dem die Luft langsam kreisend auf 
der windabgewandten Seite des Berges ansteigt. 


Trotz der Häufigkeit ihrer Erscheinung - der Universitätsprofessor 
und Leiter des Instituts für Physik der Atmosphäre Volkmar Wirth 
zählte zusammen mit Kollegen laut einer Veröffentlichung aus dem Jahr
2012 durchschnittlich 8 bis 12 Ereignisse pro Sommermonat an der 
Zugspitze - war das wissenschaftliche Interesse am 
Entstehungsmechanismus der Bannerwolke und den zugrunde liegenden 
dynamischen und thermodynamischen Prozessen in den folgenden 
einhundert Jahren sehr zurückhaltend und eher spekulativer Natur. 


Folglich sind weitere, auf Beobachtungen stammende Veröffentlichungen
rar und stammen unter anderem von den Meteorologen Wilhelm Peppler 
aus dem Jahr 1927 und Joachim Küttner aus 2000. Der Meteorologe und 
Professor an der Universität in Köln Jan Schween kombinierte zusammen
mit Kollegen im Jahr 2007 schließlich Messungen mit Filmen von 
Bannerwolken im Zeitraffer und erstellten eine umfangreiche 
Definition der Bannerwolke. Dieser Definition nach darf die 
Bannerwolke ausschließlich auf der windabgewandten Seite des Berges 
auftreten und muss Kontakt zu seiner Oberfläche haben. Ihre 
Konsistenz sollte sich aus kondensiertem Wasserdampf zusammensetzen, 
um die Wolke nicht mit einem Schneebanner zu verwechseln, bei welchem
Schnee- und Eiskristalle vom Gipfel verweht werden. Die Lebensdauer 
der Bannerwolke muss darüber hinaus die Zeit überdauern, welche ein 
Luftpaket benötigt, die Bannerwolke horizontal zu durchlaufen und 
befindet sich in der Größenordnung von einer Stunde. Des Weiteren 
darf die Bannerwolke primär keinen konvektiven Charakter besitzen. 
Das Aufsteigen der Luftmassen ist demnach nicht durch den Auftrieb 
bedingt, sondern durch dynamisch erzwungene Hebung im Lee des Berges.



Wie genau der Mechanismus nun letztlich aussieht, der für die 
Bannerwolkenbildung verantwortlich ist und was eine Arbeitsgruppe der
Mainzer Gutenberg-Universität damit zu tun hat, erfahren Sie in einem
der nächsten Themen des Tages an dieser Stelle. 


MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 23.09.2020

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