Thema des Tages

Der Malojawind im Engadin: Ein verkehrter Wind 

Das Engadin in der Schweiz ist aus vielerlei Gründen einen Besuch 
wert. Einer davon: Der Malojawind. Dieser besondere Wind bläst genau 
in die entgegengesetzte Richtung wie ein "normaler" Talwind. Wie 
kommt das?

Maloja: Ein 300 Seelen-Dörfchen im Schweizer Kanton Graubünden, 
gelegen zwischen dem Oberengadin und dem Bergell. Naturliebhabern, 
Wanderern, Wasser- und Wintersportlern ist der kleine Ort vielleicht 
ein Begriff als Ausgangspunkt zahlreicher Outdooraktivitäten mit 
traumhaftem Panorama, Hydrografen könnten ihn wegen des dort 
entspringenden Flusses "Inn" kennen und wieder andere durch die 
gleichnamige Sportmarke aus Oberbayern. 
Vielen aber ist Maloja vermutlich nicht bekannt (worin auch die 
Idylle der Gegend begründet liegen könnte), obwohl dort ein 
außerordentlich interessantes meteorologisches Phänomen zu beobachten
ist: Der sogenannte "Malojawind".
In der Schule haben wir gelernt: "Der Talwind bläst tagsüber 
talaufwärts und der Bergwind nachts talabwärts". Beim Malojawind ist 
es genau umgekehrt, anstatt talaufwärts, weht er tagsüber talabwärts.
Was treibt den Wind, solche kuriosen Sachen zu machen? Der Grund 
liegt in der dortigen Topografie (siehe auch Grafik): Das Bergell 
steigt vom italienischen Ort Chiavenna bis Maloja von etwa 300 m auf 
1800 m über dem Meeresspiegel an - auf einer Länge von gerade einmal 
20 km. Die steilen Hänge des Bergells heizen sich am Morgen rasch 
auf, sodass über den Felsplatten des Malojapasses ein Wärmetief 
entsteht und ein ("normaler") Talwind einsetzt. Dieser ist oftmals so
stark, dass er über den Malojapass schießt und seinen Weg im 
Oberengadin (das Richtung Berggell einen sehr niedrigen Talabschluss 
hat) talabwärts als Malojawind fortsetzt. Bei den dort liegenden Seen
(Silsersee, Silvaplanersee, St. Moritzersee) treten mit dem 
Malojawind nicht selten Mittelwinde der Stärke 4-5 und Böen um 6 Bft 
auf; ein Mekka für Windsurfer, Kiter und Segler. Wanderern und 
Mountainbikern kann hingegen dank der "steifen Brise" je nach 
Fortbewegungsrichtung schneller als sonst die Puste ausgehen?.
Der Motor des thermischen Windes ist die Sonne. Deshalb sind die 
Bedingungen vor allem in den Sommermonaten bei Hochdrucklagen am 
besten. Eine westliche bis südwestliche Höhenströmung verstärkt den 
Malojawind; nördliche bis südöstliche Windrichtungen wirken 
abschwächend.
Der interessierte Leser kann sich an dieser Stelle vielleicht fragen:
"Gibt es denn gar keinen normalen Talwind im Oberengadin?". Die 
Antwort lautet: Doch! "Brüscha" wird dieser talaufwärts wehende 
Talwind genannt, doch hat er gegen seinen starken Maloja-Gegenwind 
keine Chance (Anmerkung: von Maloja nach Zernez sinkt das Oberengadin
auf einer Strecke von 50 km nur um rund 350 m).
Falls Sie auch mal vor Ort sind und sich wundern, warum die Zelte auf
der anderen Hangseite des Campingplatzes so stark im Wind flattern 
oder die Mountainbiker (zumindest die ohne E-Motor) so kräftig in die
Pedale treten müssen bei einem Wind, der aus der "falschen" Richtung 
kommt - wissen Sie nun warum und werden merken: Alles ist besonders, 
auf diesem schönen Fleckchen Erde.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 01.08.2020

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