Thema des Tages

Radiosondenaufstieg für Fortgeschrittene, oder: Etwas mehr 
(Kondensations-) Niveau!


Nach dem Einführungsartikel "Radiosondenaufstieg für Einsteiger" 
Anfang des Monats, tauchen wir im heutigen Thema des Tages etwas 
tiefer in die Materie ein.


Bevor Sie vielleicht jetzt schon die Flinte ins Korn werfen möchten, 
da Sie sich eventuell nicht zum Kreise der Fortgeschrittenen zählen, 
keine Sorge! Wenn Sie das "Aufbau-Thema-des-Tages" vom 03.07.2020 
(siehe https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/7/3.html) 
gelesen und einigermaßen verstanden haben, sind Sie bestens 
gewappnet. Im damaligen Artikel wurden zwar schon einige wichtige 
Linien im sogenannten Skew-T Diagramm erklärt, ein paar ebenso 
wichtige Linien blieben aber noch offen. 

Dazu zählen z.B. die Trocken- und Feuchtadiabaten. Was sich höchst 
kompliziert anhört, ist eigentlich relativ simpel: Es handelt sich 
schlicht um Linien, auf denen die Temperatur um einen bestimmten Wert
mit der Höhe abnimmt. Bei den Trockenadiabaten (dunkelrote, 
durchgezogene, leicht gebogene Linien von rechts unten nach links 
oben) beträgt diese Abnahme 1 Grad pro 100 m, bei den Feuchtadiabaten
(grüne, durchgezogene, leicht gebogene Linien von unten nach oben 
links) 0,65 Grad pro 100 m. 

Allgemein kann man sagen, dass die Temperatur der Luft beim 
Aufsteigen um 1 Grad pro 100 m abkühlt und zwar so lange, bis sie den
in ihr befindlichen Wasserdampf nicht mehr "halten" kann. Die Luft 
ist dann gesättigt und in der Folge kommt es zur Wolkenbildung, wobei
Energie in Form von Wärme frei wird. Dadurch verlangsamt sich die 
Abkühlung der Luft bei ihrem weiteren Aufstieg und beträgt nur noch 
0,65 Grad pro 100 m. 

Übertragen wir das nun in unser Skew-T Diagramm. Beim Aufstieg der 
Luft vom Boden aus würde sich ihre Temperatur zunächst entlang der 
von dort (imaginär) startenden Trockenadiabate in die Höhe bewegen, 
ehe sie ab der einsetzenden Wolkenbildung auf die dort (imaginär) 
kreuzende Feuchtadiabate überspringt (entspricht den blauen 
Aufstiegskurven 1 und 2 in beigefügter Grafik unter 
https://bit.ly/2E8RPz6 ). An dem Wörtchen "imaginär" merken Sie 
schon, dass es sich bei den im Diagramm standardmäßig eingezeichneten
Trocken- und Feuchtadiabaten - wie auch bei allen anderen Linien - um
eine reine Orientierungshilfe handelt. Anhand derer fällt es etwas 
leichter, die entsprechende Trocken- und Feuchtadiabate für den 
betrachteten Fall einzuzeichnen. 

Zur letzten Liniengruppe, die wir jetzt noch benötigen, um dann 
beispielsweise die Höhe bestimmen zu können, ab der sich am 
Radiosondenstandort Wolken bilden können, gehören die Linien des 
gleichen Sättigungsmischungsverhältnisses. Dabei handelt es sich um 
die grünen, gestrichelten Linien, die von links unten nach rechts 
oben verlaufen. Das Sättigungsmischungsverhältnis gibt die maximale 
Menge an Wasserdampf in Gramm an, die ein Kilogramm trockene Luft 
aufnehmen könnte, bevor Sättigung, also Wolkenbildung eintritt (grüne
Zahlen am unteren Rand der Grafik). 

Bei einer Starttemperatur von 25 Grad, könnte sie max. 20 g 
Wasserdampf (immer bezogen auf ein Kilogramm trockene Luft) 
aufnehmen, ehe es zur Wolkenbildung kommt. Jetzt kommt es noch auf 
den Taupunkt der Luft beim Start an. Liegt dieser zum Beispiel bei 15
Grad, bedeutet das, dass die Luft bereits etwa 10 g Wasserdampf intus
hat und folglich nur noch 10 g Wasserdampf benötigt, um "satt" zu 
sein.

Die Wolkenuntergrenze bei zum Aufstieg "gezwungener" Luft (auch 
Hebungskondensationsniveau, kurz HKN genannt) erhält man nun durch 
den Schnittpunkt der Trockenadiabate ausgehend von der 
Start-Temperatur der Luft mit der Linie gleichen 
Sättigungsmischungsverhältnisses ausgehend vom Start-Taupunkt der 
Luft. An diesem Schnittpunkt ist die Luft nämlich soweit abgekühlt, 
dass sie maximal noch so viel Wasserdampf halten kann, wie sie zu 
Beginn bereits in sich trug.

Das HKN liefert eine wichtige Basis für weitere Analysen. Zum 
Beispiel lässt sich damit das sogenannte Niveau der freien Konvektion
(kurz: NFK) bestimmen. Ab dieser Höhe würde die zuvor nur unter Zwang
aufgestiegene Luft automatisch weiter in die Höhe schießen. Warum das
so ist und wie man damit auf den potentiellen Energiegehalt der 
Luftmasse schließen kann, lesen Sie in einem der nächsten Themen des 
Tages.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 24.07.2020

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