Thema des Tages
Erneuter Wetterumschwung voraus
In den kommenden beiden Tagen steht erneut ein Wetterumschwung ins
Haus, der mit einigen kräftigen Gewittern einhergehen wird. Besonders
aufgrund heftigen Starkregens können diese auch unwetterartig
ausfallen.
Am heutigen Samstag, dem 18.07.2020, ist von einem bevorstehenden
Wetterumschwung nur wenig zu spüren. Hoch "Zebedäus" sorgt in weiten
Teilen Deutschlands für ruhiges Wettergeschehen und hat einiges an
Sonnenschein im Gepäck. Nur im Südosten sorgt ein Höhentief noch für
dichtere Wolken und etwas Regen. Auch im Nordwesten ziehen im
heutigen Tagesverlauf immer mal wieder ein paar Wolkenfelder durch,
die sich dann ausgangs der kommenden Nacht zum Sonntag verdichten.
Hier kündigt sich bereits der Ausläufer von Tief "Zanarin" an, dessen
Kern aktuell im Europäischen Nordmeer zu finden ist und von dort
zunehmend in das Wettergeschehen in Deutschland eingreift.
Aber zunächst wird am morgigen Sonntag ein anderer Schauplatz
interessant: Im Osten des Landes, genauer gesagt von Vorpommern über
die Lausitz bis zum Erzgebirge sowie im Südosten, fließt mit einer
zunächst noch östlichen Strömung sehr feuchte und energiereiche Luft
ein. Ab dem Nachmittag können sich in dieser Luftmasse dann teils
kräftige Schauer und Gewitter bilden, die lokal eng begrenzt mit
einzelnen Sturmböen und kleinem Hagel einhergehen. Die Hauptgefahr
wird jedoch von unwetterartigem Starkregen ausgehen.
Dabei ist es jedoch gar nicht so einfach, Starkregenereignisse
vorherzusagen. Denn, genauso wie bei der Gewittervorhersage, ist eine
exakte räumliche und zeitliche Eingrenzung nicht oder nur begrenzt
möglich. Stattdessen schätzt man ein bestimmtes Gebiet ab, in dem ein
gewisses Potenzial für Starkregen besteht, wenngleich das Phänomen
dort dann nur lokal auftritt, jedoch eng begrenzt sehr heftig
ausfallen kann. Als Indikator für die Abschätzung des
Starkregenpotenzials dient dem Vorhersagemeteorologen das sogenannte
"niederschlagbare Wasser" der Atmosphäre (engl. "precipitable water",
kurz ppw). Darunter versteht man die Menge an Wasserdampf, die in
einer vertikalen Luftsäule vom Boden bis zum oberen Rand der
Troposphäre enthalten ist. Das niederschlagbare Wasser wird dabei
meist in Millimetern angegeben.
Niedrig sind die ppw-Werte beispielsweise bei trockenen arktischen
Luftmassen im Winter. Oft liegen sie dann nur bei 5 mm oder darunter.
Im Sommer, wenn feuchte Subtropenluft zu uns geführt wird, können die
Werte durchaus auch 40 mm überschreiten. Am morgigen Sonntagabend
simuliert das deutsche Wettermodell ICON6 ein erhöhtes
niederschlagbares Wasser in einem breiten Streifen von Vorpommern bis
zum Erzgebirge mit Werten von 31 bis 36 mm, lokal auch etwas darüber.
Somit befinden sich in der Luftsäule vor Ort etwa 35 Liter Wasser,
die dann, wenn sie vollständig ausregnen und nicht abfließen würden,
am Boden auf einer Grundfläche von einem Quadratmeter 35 mm bzw. 3,5
cm hoch stehen.
Allerdings sind noch weitere Faktoren bei der Starkregenvorhersage zu
beachten. Denn bei Gewittern können die Niederschlagsmengen auch
deutlich größer als die Werte des niederschlagbaren Wassers
ausfallen. Im Fall einer bodennahen Konvergenz strömt feuchte Luft
aus der Umgebung am Erdboden zusammen, wird zum Aufsteigen gezwungen
und führt dem Gewitter so zusätzliche Feuchte zu. Auch die
Zuggeschwindigkeit von Schauer- und Gewitterzellen muss
berücksichtigt werden. Denn am morgigen Sonntag geht die Gefahr
besonders von stehenden oder sich sehr langsam verlagernden Zellen
aus, die in einem kleinen Gebiet über längere Zeit für Starkregen
sorgen können. Dann sind lokal eng begrenzt auch durchaus bis zu 40
Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit möglich, bei wiederholten
Gewittern können sogar um 50 Liter pro Quadratmeter in wenigen
Stunden nicht ganz ausgeschlossen werden.
Eine weitere "Gewitter-Baustelle" am Sonntag wird eine Konvergenz im
Vorfeld des Tiefausläufers sein. Zwar sind die Voraussetzungen für
Gewitter vom Sauerland und Ostwestfalen bis zur Lübecker Bucht
deutlich schlechter, als sie es im Osten des Landes sind. Dennoch
können gerade im Bereich einer Konvergenz, die sich in diesen
Regionen ausbilden wird, ebenfalls einzelne Schauer und Gewitter
entstehen. Bei ppw-Werten zwischen 24 und 30 mm ist die Luft aber
etwas trockener. Zudem sollten sich die Gewitterzellen auch etwas
schneller bewegen, sodass dort die Unwettergefahr bezüglich
Starkregen geringer ausfällt.
In der Nacht zum Sonntag greift dann der Tiefausläufer schließlich
auf den Nordwesten Deutschlands über. Dabei helfen ihm Hebungsimpulse
aus höheren Luftschichten, die Nacht recht aktiv zu überstehen. So
muss im Nordwesten mit schauerartigem, teils gewittrigem Regen
gerechnet werden, der sich bis Montagfrüh auf die gesamte
Nordwesthälfte ausdehnt.
Auch der Montag wird wettertechnisch noch einmal spannend. Der
Tiefausläufer kommt bis in die Mitte des Landes voran und bringt
rückseitig trockenere und kühlere Luft mit sich. Somit ist die
Gewittergefahr im Norden und Nordwesten erst einmal gebannt. Im
Vorfeld des Tiefausläufers können jedoch vor allem von den zentralen
Mittelgebirgen bis in den Osten nochmals einzelne Schauer und
Gewitter auftreten. Allerdings ist die räumliche Ausdehnung zurzeit
noch etwas unsicher. Die Gefahr von Starkregen (und somit auch die
Unwettergefahr) fällt bei ppw-Werten von 23 bis 27 mm zudem deutlich
geringer aus als noch am Sonntag im Osten.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.07.2020
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