Thema des Tages

Windiges Wetter mitten im Hochsommer - Woran lag das?

Am vergangen Sonntag und Montag war es vielerorts ziemlich windig und
das Wetter erinnerte eher an Frühherbst als an Hochsommer. Im 
heutigen Tagesthema gehen wir den Ursachen hierfür auf den Grund.

Wenn Sie nicht gerade im Süden von Deutschland waren, haben Sie es am
vergangenen Sonntag und Montag sicher bemerkt, dass Ihnen ein 
kräftiger und teils böiger Wind um die Ohren pfiff, an Nord- und 
Ostsee war es sogar richtig stürmisch, sodass dort wenig Badestimmung
aufkam. Und das mitten im Hochsommer, also in einer Jahreszeit, in 
der solch windiges Wetter eher unüblich ist. Wie es dazu kam, schauen
wir uns im heutigen Tagesthema an. Dabei werden wir feststellen, dass
die Böen am Sonntag und Montag durchaus unterschiedliche Ursachen 
hatten.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Spitzenböen (stärkste Böe des
Tages). An beiden Tagen zeigt sich ein ähnliches Bild. Sowohl am 
Sonntag (5. Juli) als auch am Montag (6. Juli) kam es vor allem im 
Norden und in der Mitte Deutschlands verbreitet zu steifen 
(Windstärke 7) oder stürmischen Böen (Windstärke 8), an den Küsten 
von Nord- und Ostsee traten sogar (schwere) Sturmböen (Windstärke 9 
bis 10) auf (Abb. 1+2).

Bevor wir uns die einzelnen Tage im Detail ansehen, klären wir 
zunächst, wie Wind und dessen Böigkeit entsteht. Grundsätzlich ist 
die Natur stets bestrebt, Gegensätze in der Atmosphäre auszugleichen.
Haben sich nun Hoch- und Tiefdruckgebiete gebildet, übernimmt der 
Wind die Rolle, die fehlende Luft in Tiefdruckgebieten und den 
Überschuss in Hochs auszugleichen. Dabei weht der Wind umso stärker, 
je größer die Druckunterschiede zwischen Hoch und Tief auf einer 
gewissen Distanz sind. Insbesondere die mittlere Windgeschwindigkeit 
(Mittelwind) ist eng an die horizontalen Druckunterschiede gekoppelt.
Für die Böigkeit spielen weitere Faktoren eine Rolle (nähere Details 
im Tagesthema vom 7. Juni). Ein wichtiger Faktor ist die thermische 
Schichtung. Ist die Luft in höheren Atmosphärenschichten deutlich 
kälter als die Luft in Bodennähe, spricht man in der Meteorologie von
einer labilen Schichtung (im Gegensatz zur stabilen Schichtung). Auch
diesen Gegensatz versucht die Atmosphäre auszugleichen, indem die 
warme Luft aufsteigt und zum Ausgleich die kalte Luft absinkt 
(vertikale Umlagerungen). Da der Wind in der Höhe gewöhnlich stärker 
weht als in Bodennähe, werden die hohen Windgeschwindigkeiten aus 
größeren Höhen "heruntergemischt". Dadurch entstehen Böen, also 
kräftige Windstöße.

Kommen wir nun zum Sonntag. Das für Juli recht kräftige Sturmtief 
VERENA zog von Schottland nach Norwegen. Am frühen Nachmittag (14 Uhr
MESZ) lag es etwa bei Bergen ("T" in Abb. 3). Demgegenüber dehnte 
sich ein Keil des Azorenhochs bis in den Süden Deutschlands aus. So 
entstand über Deutschland ein für Juli ungewöhnlich großer 
Luftdruckunterschied - zwischen Sylt und Basel stolze 20 hPa! Im 
Norden und in der Mitte war der Druckunterschied größer als im Süden.
Damit haben wir den "Täter" für das regelrechte "Dauergebläse" 
identifiziert. Die Kaltfront von Tief VERENA griff erst am Nachmittag
von der Nordsee auf Deutschland über. Zuvor wurde es mit 25 bis 29 
Grad sommerlich warm, nur im Nordwesten war es mit 19 bis 24 Grad 
schon etwas kühler. Zusätzlich zum zeitweise frischen Wind 
(Mittelwind) war der Wind auch recht böig, sodass es - für Juli eher 
unüblich - verbreitet und vor allem wiederholt zu starken, vereinzelt
auch stürmischen Böen kam. Allerdings wären bei derartigen 
Mittelwinden durchaus deutlich heftigere Böen denkbar. Dass es dazu 
nicht kam, lag an der thermischen Schichtung der subtropischen 
Luftmasse. In 500 hPa (etwa 5,7 km Höhe) war die Luft für diese Höhe 
mit -6 bis -8°C sehr "warm". Die Atmosphäre war also sehr stabil, was
noch stärkere Böen verhinderte. Zudem befand sich in etwa 1,5 km Höhe
eine Inversion (Temperaturanstieg mit der Höhe), die hochreichende 
vertikale Umlagerungen unterdrückte. Das erklärt auch, warum es an 
der Kaltfront keinen nennenswerten Regen gab. Allerdings formierte 
sich im Vorfeld der Kaltfront in etwa einem Kilometer Höhe ein 
Starkwindband (ein "Low-level Jet"), sodass uns selbst kleinere 
vertikale Umlagerungen ohne Niederschlag die starken bis stürmischen 
Böen bescherten. Noch stärkere Böen gab es nur auf den 
Mittelgebirgsgipfeln (z.B. 110 km/h auf dem Brocken) und an der 
Küste, da dort der Wind über der See nicht durch Hindernisse 
abgebremst wird.

Bis zum Montag änderte sich die Wetterlage. VERENA zog nordostwärts 
nach Schweden und Deutschland gelangte auf die Rückseite. Ihre 
Kaltfront erreichte bis zum Nachmittag die Alpen, sodass auch im 
Süden die 20-Grad-Marke nur noch wenig überschritten wurde, im Norden
und Nordwesten war es mit 17 bis 19 Grad relativ kühl. Mit dem 
abziehenden Tief nahm der Druckunterschied über Deutschland ab, er 
betrug am Nachmittag zwischen Rügen und Basel nur noch 13 hPa. 
Gegenüber Sonntag wehte folglich der Mittelwind etwas schwächer. 
Dennoch kam es erneut vor allem im Norden und in der Mitte zu 
ähnlichen, an manchen Orten sogar noch etwas stärkeren Spitzenböen 
als am Vortag. Dies ist durch die labilere Schichtung zu erklären. 
Denn mit Durchschwenken des Höhentrogs sank die Temperatur in der 
Höhe deutlich stärker als am Boden. Wo es am Sonntag in 500 hPa noch 
-6 bis -8°C warm war, sank die Temperatur in der Nordhälfte 
Deutschlands dort auf -20 bis -23°C (Abb. 4). Dadurch kam es zu 
hochreichenden vertikalen Umlagerungen, die sich in zahlreichen 
Schauern und einzelnen Gewitter äußerten. Am Montag traten also vor 
allem im Umfeld dieser Schauer die stärksten Böen auf.

Seit dem gestrigen Dienstag sind bezüglich des Winds wieder ruhigere 
Zeiten angebrochen und das wird auch bis zum morgigen Donnerstag so 
bleiben. Erst am Freitag könnte mit dem Überbleibsel des 
Ex-Tropensturms "Edouard" wieder etwas mehr Wind zu spüren sein.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 08.07.2020

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