Thema des Tages
Hyperaktive Hurrikan-Saison?
Am 1. Juni startet die atlantische Hurrikan-Saison. Verschiedene
Prognosen unabhängiger Institute gehen von einer sehr aktiven
Wirbelsturm-Periode aus.
Am vergangenen Wochenende und zu Beginn dieser Woche entwickelte sich
mit ARTHUR der erste tropische Sturm über dem Atlantik in diesem
Jahr. ARTHUR war damit ein wahrhaftiger "Frühzünder". Die eigentliche
Saison atlantischer Hurrikane und tropischer Stürme startet nämlich
offiziell erst am 1. Juni. Im Mai traten seit dem Jahre 1851
insgesamt gerade mal 25 Stürme und 4 Hurrikane auf - das bedeutet im
Schnitt 0,15 Stürme und 0,02 Hurrikane im Mai. ARTHUR könnte als
Frühstarter" ein erstes Symptom einer hyperaktiven, also besonders
"stürmischen" Hurrikan-Saison 2020 sein.
Alljährlich geben Experten mehrerer Konsortien und Wetterdienste
Vorhersagen für die Hurrikan-Saison heraus. Neben groben Aussagen, ob
die Saison aktiver, normal oder weniger aktiv als im klimatologischen
Mittel erwartet wird, werden auch konkrete Prognosen über die Anzahl
an Stürmen und Hurrikanen getroffen. Die Vorhersagen beruhen dabei
wesentlich auf Analysen der großräumigen Luftzirkulationen der
Atmosphäre über den Tropen und Wasseroberflächentemperaturen der
Meere. Diese "Systeme" sind weitaus träger als diejenigen, die unser
hiesiges Wetter bestimmen. Deswegen können solche längerfristigen
Prognosen mit einer durchaus guten Trefferquote erstellt werden. Für
die Voraussetzungen über dem Atlantik ist beispielsweise der aktuelle
Zustand der El-Nino-Southern-Oscillation (ENSO) von erheblicher
Bedeutung, also die Variation der Wasseroberflächentemperaturen des
tropischen Ostpazifik sowie die damit in Verbindung stehenden
Luftmassenzirkulationen darüber. Indirekten Einfluss hat auch der
afrikanische Monsun. Unmittelbar von Relevanz sind selbstverständlich
die Wasseroberflächentemperaturen des tropischen Atlantiks, über dem
die Störungen bzw. Tiefs entstehen, aus denen sich tropische
Wirbelstürme entwickeln können.
In diesem Frühjahr befindet sich die ENSO in einem neutralen Zustand,
tendiert aber leicht in Richtung eines schwachen "La
Nina"-Ereignisses, siehe Wetterlexikon: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv2=1006
52&lv3=100732). Im Gegensatz zu einem "El Nino"-Ereignis, was
Hurrikan-Entwicklungen eher unterdrückt, ist "La Nina" günstig für
die Hurrikan-Entwicklung. Darüber hinaus herrschen im tropischen
Atlantik und im Karibischen Ozean zurzeit überdurchschnittliche
Wasseroberflächentemperaturen: Je wärmer, desto besser für
Wirbelstürme! Verhältnismäßig schwache Winde, geringe Windscherung
und ein relativ starker afrikanischer Monsun stehen ebenfalls auf der
"Pro-Seite" einer etwaigen "wilden" Saison.
Die bekannteste und im Hinblick auf Hurrikane wohl erfahrenste
Institution, der amerikanische Wetterdienst NOAA, veröffentlichte am
Mittwoch (21. Mai) seine Vorhersage, in der von einer 60-prozentigen
Wahrscheinlichkeit für eine überdurchschnittlich aktive
Hurrikan-Saison die Rede ist. Die Wahrscheinlichkeiten für eine
normal oder gar unterdurchschnittlich aktive Saison werden mit 30
Prozent bzw. 10 Prozent angegeben. Die Experten der NOAA gehen von 13
bis 16 tropischen Stürmen aus, von denen 6 bis 10 zu Hurrikanen und 3
bis 6 sogar zu besonders schweren (major) Hurrikanen heranreifen
sollen. Damit blasen die Forscher des amerikanischen Wetterdienstes
ins gleiche Horn wie die meisten anderen Experten. So kommt auch
TROPICAL STORM RISK (TSR), ein Konsortium am University College
London, zu ähnlichen Erkenntnissen und sagt eine
überdurchschnittliche Saison voraus. Nach Angaben der North Carolina
State University (NSCU) und der University of Arizona (UA) könnte es
sogar zu einer sog. "hyperaktiven Saison" kommen mit eventuell mehr
als 20 tropischen Stürmen und 10 Hurrikanen. Das Mittel liegt bei 12
Stürmen, 6 Hurrikanen und 3 schweren Hurrikanen.
Die Einigkeit der Experten unterstreicht das Potenzial für eine sehr
aktive Saison, wenngleich die Natur in der Vergangenheit immer wieder
auch mal Überraschungen parat hatte. Was allerdings schon fest steht,
sind die Namen der Wirbelstürme, die übrigens nicht wie in
Deutschland bei Hochs und Tiefs käuflich erwerblich sind, sondern
vorgegeben. Einen Link zur Namensliste sowie einen Überblick über die
verschiedenen Vorhersagen finden Sie unterhalb von diesem Artikel auf
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/5/23.html.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.05.2020
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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