Thema des Tages

"Es riecht nach Regen"

Jeder kennt ihn, den "Duft nach Regen", wenn nach langer Trockenheit 
die ersten Regentropfen auf den Boden fallen. Aber wie entsteht 
dieser unverkennbare Geruch?

Nach wochenlanger Trockenheit gab es am Wochenende in der 
Südwesthälfte Deutschlands gebietsweise ein wenig vom langersehnten 
Regen. Vielleicht kamen Sie dabei auch in den Genuss des 
erdig-frischen und leicht feuchten Duftes nach Regen? Es reichen nur 
wenige Regentropfen und schon hat man diesen "Regengeruch" in der 
Nase. Aber was riecht man da eigentlich? Regentropfen bestehen ja aus
Wasser, also H2O, und das ist bekanntlich geruchlos. Im heutigen 
Tagesthema gehen wir dieser Frage auf den Grund.

Anscheinend haben sich schon vor vielen Jahrzehnten die Leute genau 
diese Frage gestellt. Im Jahre 1964 veröffentlichten nämlich die 
beiden australischen Wissenschaftler I.J. Bear und R.G. Thomas im 
auch heute noch angesehenen Wissenschaftsmagazin "Nature" einen 
Artikel, in dem sie dem unverkennbaren Geruch den Namen "Petrichor" 
gaben. Dieser Name leitet sich von den beiden griechischen Wörtern 
"petros" (Stein) und "ichor" (die Flüssigkeit in den Adern der 
griechischen Götter) ab.

In dieser Studie haben die beiden Forscher einen wesentlichen 
Bestandteil des Regengeruchs identifizieren können. Sie fanden 
heraus, dass Pflanzen während Trockenphasen ein gelbliches Öl 
produzieren und absondern. Dieses ätherische Öl wird von Böden und 
Gesteinen (daher der Namensbestandteil "petros") absorbiert, also 
auch von Gehwegen und Straßen. Neuere Studien haben ergeben, dass 
noch ein weiterer Stoff für den Geruch verantwortlich ist. Die Rede 
ist von einem Alkohol namens Geosmin, der von Bakterien im Erdboden 
produziert wird. Diese Mikroorganismen fahren bei Hitze und 
Trockenheit ihren Stoffwechsel auf das Nötigste herunter. Sobald die 
Bakterien mit Wasser in Kontakt kommen, werden sie wieder aktiv und 
geben unter anderem das flüchtige und stark riechende Geosmin ab. 
Manchmal genügt schon Tau an einem kühlen Frühlingsmorgen, um die 
Bakterien zu aktivieren. Zusammen mit dem ätherischen Öl der Pflanzen
und Staub auf Steinen entsteht so das bekannte erdige Aroma des 
Petrichor.

Erst im Jahre 2015 fanden Forscher des "Massachusetts Institute of 
Technology" mittels Hochgeschwindigkeitskameras einen weiteren 
wichtigen Effekt heraus, der den intensiven Geruch des Regens 
erklärt. Wenn die Regentropfen auf den staubigen Boden treffen, 
bilden sich kleine Luftbläschen, in denen die winzigen 
Geruchspartikel eingeschlossen sind. Diese Bläschen platzen 
allerdings rasch auf und bereits ein schwacher Luftzug oder 
Luftverwirbelungen genügen, um das Aroma in der Luft zu verbreiten. 
Der gleiche Effekt verursacht übrigens auch den Geruch von Sekt oder 
Erfrischungsgetränken, wenn beim Öffnen der Flaschen die aufsteigende
Kohlensäure an der Oberfläche aufplatzt und entweicht.

Wie intensiv der Petrichor ist, hängt von der Porosität und 
Feuchtigkeit des Bodens ab. Besitzt der Boden viele Hohlräume und ist
sehr trocken, ist das förderlich für ein starkes Regenaroma. Beste 
Voraussetzung bildet leichter Regen, der auf einen feinporigen und 
staubtrockenen Boden fällt, aus dem sich zahlreiche Partikel lösen 
können. Deshalb riecht man den Regen meist nach längeren 
Trockenperioden, wie wir sie gerade erleben oder im Sommer bei 
Gewittern, wenn die Hitze den Erdboden zuvor stark ausgetrocknet hat.
Neben Lehmböden sind Waldböden gute Quellen für einen intensiven 
Duft, da sich in diesen Bodenarten genügend Hohlräume befinden, aus 
denen die Luftblasen heraussteigen können. Regnet es hingegen sehr 
stark, dann wird der Boden schnell durchnässt und eine Wasserschicht 
legt sich über den Boden, durch die keine Luftbläschen mehr 
emporsteigen können -der Regenduft versiegt.

Manchmal riecht man den Petrichor schon einige Zeit vor Eintreffen 
des Regens und bisweilen bleibt der Regen auch aus. Nähert sich 
beispielsweise im Sommer eine Gewitterlinie, dann frischt oft schon 
einige Zeit im Voraus aus Richtung der aufziehenden Gewitter der Wind
böig auf und die Luft kühlt ab. Man bekommt den kalten Ausfluss der 
Gewitterlinie zu spüren, der den Regengeruch mit sich führt und 
mitunter auch in Regionen transportiert, die vom Regen gar nichts 
abbekommen - man riecht also förmlich den Regen aus der Ferne. 

Zum Abschluss noch eine kleine Kuriosität: Da die meisten Leute den 
Regenduft als angenehm empfinden, kann man Petrichor sogar als Duftöl
für den Einsatz in Kerzen, Badekugeln oder als Zugabe in 
Luftbefeuchtern kaufen und selbst Eau de Parfums imitieren diesen 
Duft.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale 
Offenbach, den 20.04.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst

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